Vier multinationale Unternehmen, u.a. Bayer u. BASF, stellen weltweit nicht samenfestes Saatgut/Hybrid her. Damit machen sie Bauern weltweit davon abhängig. Was halten Sie vom Verbot dieses Saatgutes?
Sehr geehrte Frau L.,
vielen Dank für Ihre Nachricht. Wir teilen Ihre Sorge um eine schwindende Vielfalt bei Sorten und marktbeherrschende Dominanz der Saatgutmärkte durch wenige Konzerne. Verschärft wird diese Entwicklung durch eine wachsende Zahl von Patenten v.a. auf gentechnische Sorten, aber auch auf konventionell gezüchtete Sorten. Im Gegensatz zum Sortenrecht kennt das Patentrecht kein Züchterprivileg, d.h. Züchter*innen sind abhängig von der Zustimmung des Patenteinhabers, wenn er die Sorte zur Weiterzüchtung verwenden will. Patente erschweren und verteuern somit die Züchtung und gefährden daher auf lange Sicht die Sortenvielfalt. Daher setzen wir uns für ein Verbot von Patenten auf Leben sowie eine klare Regulierung und Kennzeichnung auch bei neuen gentechnischen Verfahren wie CRISPR/Cas ein, damit eine Wahlfreiheit sowohl für Landwirt*innen als auch für Verbraucher*innen erhalten bleibt.
Die Landwirtschaft braucht gerade im Hinblick auf die sich verschärfende Klimakrise ein vielfältiges Angebot an Sorten, die möglichst gut angepasst an das lokale Klima sind sowie widerstandsfähig gegenüber Trockenheit und Krankheiten sind. Die bislang bei Förderprogrammen vernachlässigte Züchtung im Ökolandbau sowie traditionelle und gentechnikfreie moderne Züchtungsverfahren wollen wir daher deutlich stärken, dies kommt auch samenfesten Sorten oder Populationszüchtungen mit einer breiteren genetischen Bandbreite zu Gute. Für Bereiche, die von kommerziellen Züchter*innen aufgrund geringer Nachfrage bzw. Gewinnaussichten vernachlässigt werden, brauchen wir eine Züchtungsstrategie nach Schweizer Vorbild, die Mittel für neue Züchtungen in diesen Bereichen bereitstellt.
Landwirt*innen müssen selbst entscheiden können, welches Saatgut sie auf ihrem Betrieb einsetzen und dafür Vor- und Nachteile der verschiedenen Sorten abwägen. Daher halten wir ein Verbot von Hybriden nicht für den richtigen Weg.
Genauso lehnen wir aber existierende Beschränkungen für den Anbau alter Sorten ohne Sortenzulassung ab. Bislang dürfen laut EU-Saatgutrecht bzw. laut deutschem Saatgutverkehrsgesetz Sorten außerhalb des Sortenregisters nicht gewerblich gehandelt werden, sondern nur unentgeltlich im Hobbybereich. Zwar gibt es Ausnahmen für Erhaltungssorten, diese unterliegen aber starken Beschränkungen in Bezug auf Handelsmenge und des Anbaugebietes. Solche Beschränkungen wollen wir abbauen, um den Handel mit diesen Sorten zu erleichtern, mehr Rechtssicherheit für Saatguttauschbörsen bzw. Händler*innen zu schaffen und für interessierte Landwirt*innen die Nutzung dieser Sorten zu erleichtern.
Wir müssen zudem die Agrobiodiversität an noch erhaltenen alten Sorten pflegen und den Erhalt von Erhaltungssorten durch gezielte Programme fördern (etwa durch staatlich geförderten Vertragsanbau). Denn nur eine breite Vielfalt an genetischen Ressourcen ermöglicht es, Sorten zu züchten, die aktuellen und künftigen Anforderungen entsprechen sowie Herausforderungen wie der Klimakrise trotzen können.
Mit freundlichen Grüßen
Team Annalena Baerbock