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Annalena Baerbock
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Horst M. •

Sehr geehrte Frau Baerbock, ich habe die Auseinandersetzung im Fernsehen gesehen und verstehe nicht, wieso Sie bei der Frage der Steuern die Sozialabgaben nicht mit einbezogen haben.

Es gibt Länder, die keine Deckelung bei den Sozialabgaben kennen, was ich (Diplom-Volkswirt) für richtig halte. Wir haben diese Deckelung, wobei wohl kaum noch einer weiß, wieso. Wenn die Sätze auf das Einkommen auch bei Leuten die gleichen sind, wie bei Geringverdienern, sinken die Sätze. Dies wirkt sich nicht auf Arme aus, also Rentner, AlgII-Empfängern, die meisten Studenten. Aber gerade für den Mittelstand wäre es eine enorme Entlastung, wie sie über Steuern kaum erzielt werden kann. Und die Leute mit großem Einkommen werden nicht in dem Bestand besteuert, sondern nur im Einkommen. Die meisten sehen es ein, hier solidarisch zu sein und sehen ja auch, daß dieses Land ihnen diese hohen Einkommen ermöglicht.
Viele Grüße
Horst Murken

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Sehr geehrter Herr M.,

vielen Dank für Ihre Nachricht. Sie haben völlig Recht, dass eine Abschaffung der Beitragsbemessungsgrenzen in den Sozialversicherungszweigen zu einer Belastung oberer und Entlasung unterer Einkommensgruppen führen würde. Allerdings würde das die Grenzbelastung für obere Einkommen derart in die Höhe treiben, dass das politisch kaum vermittelbar wäre. Denn letztlich zählt die Gesamtbelastung aus Steuern und Abgaben.

Die Beitragsbemessungsgrenzen in den unterschiedlichen Sozialversicherungszweigen finden wir grundsätzlich sinnvoll. Bei der Renten- und der Arbeitslosenversicherung wird mit den durch die Beitragsbemessungsgrenze gedeckelten Beiträgen erreicht, dass die Leistung (also das Arbeitslosengeld sowie die Rente) nach oben begrenzt ist. Würden eine Topmanagerin oder ein Profifußballer in der Renten- oder Arbeitslosenversicherung mit ihrem Millionengehalt verbeitragt werden, so würden diesem auch entsprechend hohe Ansprüche auf Rente und Arbeitslosengeld erwachsen. Das widerspricht nicht nur dem Gedanken der Risikoabsicherung, es ist auch nicht notwendig und nicht verhältnismäßig. In der Kranken- und Pflegeversicherung steht allen die gleiche Leistung zu. Daher ließe sich über diesen Sozialvericherungszweig ein echter Ausgleich schaffen. Aber auch hier ist es eine Frage der Verhältnismäßigkeit, die Beiträge zu begrenzen - auch wenn man selbstverständlich diskutieren kann, ob die Höhe der Beitragsbemessungsgrenzen angemessen ist.

In allen Sozialversicherungszweigen, vor allem bei der Arbeitslosen- und Krankenversicherung gibt es aber auch ein starkes solidarisches Element: nicht alle werden für längere Zeit arbeitslos oder schwer krank, diese besonderen Risiken federt die Gemeinschaft der Versicherten ab, so dass sich jeder auf diese Leistungen verlassen kann.

Für uns Grüne steht weniger die Diskussion um das Instrument der Beitragsbemessungsgrenzen im Vordergrund (deren Höhe aber nicht in Stein gemeißelt ist), sondern unseren Sozialstaat sicher und zukunftsfest zu machen.

Unsere sozialen Sicherungssysteme beruhen auf dem Solidaritätsprinzip. Je mehr Menschen einbezogen sind, desto stabiler sind sie. Heute sind aber ganze Berufe bzw. Berufsgruppen wie Beamt*innen oder Abgeordnete gar nicht Teil dieses gesetzlichen Sozialversicherungssystems. Das wollen wir Grüne ändern. Für eine solidarische soziale Sicherung wollen wir die Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung zu Bürgerversicherungen weiterentwickeln, die perspektivisch alle Bürger*innen einbezieht und gut absichert. Auch würden die Beiträge dann auf alle Einkommen – also z.B. auch Einkommen aus Vermögen- erhoben.

Das würde die finanzielle Situation der Sozialversicherung deutlich stabilisieren. Vor allem aber stellen wir so sicher, dass alle Menschen gut abgesichert sind. Eine solche Reform ist umfassend und wir wollen sie schrittweise angehen. Erste Schritte aus unserer Sicht sind zum Beispiel die Verbesserung der Versorgung etwa mit Sehhilfen in der GKV, die Beseitigung der Benachteiligung von gesetzlich versicherten Beamt* innen sowie die bessere Absicherung und mehr Wahlrechte auch für PKV-Versicherte. Bei der Rente sollen in einem ersten Schritt Abgeordnete sowie alle Selbstständigen, die nicht anderweitig abgesichert sind, in die gesetzliche Rentenversicherung aufgenommen werden.

Wie Sie sehen, haben wir einen umfassenden Reformanspruch, um die soziale Absicherung in unserem Land zu verbessern. Die Höhe der Beitragsbemessungsgrenzen ist Teil einer größeren Debatte über Beitragssätze, Absicherungsniveau (zB. Rentenniveau) und Qualität in der sozialen Sicherung sowie der Solidarität in der Finanzierung. Für uns Grüne hat Priorität, die sozialen Sicherungssysteme so zu stärken, dass sie auch in Zukunft allen verlässlich Halt und Sicherung bieten und jede/r sich gemäß seiner Möglichkeiten an deren Finanzierung beteiligt.

Mit freundlichen Grüßen

Team Annalena Baerbock

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