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Annalena Baerbock
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Harald W. •

Möchten Sie die Steuerfreiheit für den Handel mit Edelmetallen, Kryptowährungen, etc. auch für Privatleute abschaffen?

Sehr gehrte Frau Baerbock,

Ich zitiere kurz aus Ihrem Wahlprogramm: "Auch werden wir die Steuerfreiheit für andere
Veräußerungsgewinne, beispielsweise beim Handel mit Edelmetallen,
Rohstoffen oder Kryptowerten, abschaffen."

Leider ist dort nicht weiter ausgeführt, wie genau, und ab welcher Menge. Sehr viel sinnvoller, als die Steuerfreiheit für den Privatmann abzuschaffen, der sich mit etwas Gold oder Krypto absichert, wäre es gewesen, den Edelmetallhandel der Banken endlich zu besteuern! Es handelt sich dabei um einen sogenannten "Papiermarkt", es wird kein Metall bewegt. Das täglich gehandelte Volumen von mehreren Monatsproduktionen oder gar Jahresproduktionen ist enorm, und zu wenig besteuert. Außerdem: Die Deutsche Bank zahlte für Manipulationen im Edelmetallmarkt mit Gewinnerzielungsabsicht 125Mio Strafe (Jahre 2008 bis 2013 glaube ich), ebenso JPMorgan jünst eine knappe Miliarde Strafe!
Warum schreibt ihr nicht ins Wahlprogramm eine Grenze von 500.000, oder 20.000? MfG, H.W.

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr W.,

vielen Dank für Ihre Nachricht. Es ist richtig, dass wir die Steuerfreiheit für Veräußerungsgewinne aus dem Handel mit Edelmetallen, Rohstoffen und Kryptowerten abschaffen möchten und auch nach Ablauf der einjährigen Spekulationsfrist der Einkommenbesteuerung unterwerfen wollen.

Ziel unserer Steuerpolitik ist es, ein gerechtes Steuersystem zu schaffen, in dem alle entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit einen fairen Beitrag zur Finanzierung des Gemeinwohls leisten. Aus unserer Sicht gehört es zu einer gerechten Ausgestaltung des Leistungsfähigkeitsprinzips, dass das verfügbare Einkommen bei allen Bürger*innen möglichst vollständig erfasst wird. Steuerbefreiungen oder Freibeträge führen jedoch dazu, dass bestimmte Einkommensarten nicht oder nur teilweise der Besteuerung unterworfen werden. Das empfinden wir als ungerecht, insbesondere wenn bestimmte Bevölkerungsschichten aufgrund bestehender Einkommens- und Vermögensungleichheiten praktisch davon ausgeschlossen sind, diese Begünstigungen ebenfalls in Anspruch zu nehmen. Aus diesem Grunde wollen wir auch an dieser Stelle das Steuersystem gerechter ausgestalten und die Steuerbefreiung nach Ablauf der Spekulationsfrist abschaffen und auch so dazu beitragen, dass Arbeit und Kapital gleich besteuert werden.

Bei dieser Fordeurng unseres Wahlprogramms handelt es sich um eine Maßnahme, die nur Spekulationsgeschäfte im privaten Rahmen betrifft. Denn nur bei privaten Veräußerungsgeschäften sieht das deutsche Steuerrecht vor, dass Gewinne nach Ablauf einer einjährigen Spekulationsfrist nicht versteuert werden müssen. Sofern solche Spekulationsgeschäfte im gewerblichen Rahmen, wie bspw. bei Banken erfolgen, sind diese grundsätzlich im Rahmen der Besteuerung des Unternehmens ohne Rücksicht auf bestimmte Haltefristen steuerbar und steuerpflichtig.

Dass es durch irgendwelche Gestaltungen, gerade im internationalen Zusammenhang hier auch zur Umgehung der Besteuerung oder zumindest einer Verlagerung der Besteuerung in Steueroasen mit keinen oder niedrigen Steuersätzen kommen kann, können wir aufgrund der Komplexität des Steuerrechts und des Einfallsreichtums und Know-how der Steuervermeidungsindustrie leider nicht ausschließen. Doch genau deshalb sagen wir Steuerhinterziehung und -vermeidung aktiv den Kampf an. Durch internationale Mindeststandards und ambitionierte Mindeststeuersätze in Europa von mittelfristig 25 Prozent ohne Ausnahmen wollen wir der Steuerverlagerung den Boden entziehen. Auch über die Grenzen der EU hinaus, werden wir uns für ambitionierte Mindeststeuersätze einsetzen. Ebenso wollen wir durch eine EU-einheitliche gemeinsame Bemessungsgrundlage für mehr Transparenz und Fairness in der Besteuerung sorgen. Auch muss die Steuerverwaltung deutlich gestärkt werden. Um Vollzugsdefizite bei der Bekämpfung von Steuervermeidung großer Konzerne und reicher Bürger*innen zu beheben, schaffen wir eine Spezialeinheit auf Bundesebene. Diese muss so ausgestattet werden, dass sie mit den hochqualifizierten Berater*innen großer Konzerne und Superreicher auf Augenhöhe mitreden und entsprechende Gestaltungen frühzeitig erkennen und verhindern kann.

Die von Ihnen angesprochenen Marktmanipulationen der Edelmetallmärkte gehen nach unserem Verständnis jedoch nicht auf steuerrechtliche Schlupflöcher zurück. Hierbei wurden durch vorgetäuschte Angebote, die zu einem späteren Zeitpunkt zurückgezogen wurden, die Preise an den Rohstoffmärkten beeinflusst, obwohl den Angeboten zu keinem Zeitpunkt ein ernsthaftes Interesse zu Grunde lag. Aber auch hierbei wird klar, dass es eine starke Bankenaufsicht braucht, für die wir uns ebenfalls einsetzen.

Mit freundlichen Grüßen
Team Annalena Baerbock

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