Inwiefern wird das Tabakmodernisierungsgesetz im jetzigen Zustand greifen?
Sehr geehrte Frau Baerbock,
bestimmt haben auch Sie etwas über das geplante Tabaksteuermodernisierungsgesetz erfahren. Dieses stellt die gesamte Branche vor einige Fragen, auf die wir gerne Antwort erhalten möchten.
1. Was wird als "Substitution" definiert?
2. Wie erklären Sie eine Besteuerung von Nikotinfreien Produkten, wie z.B Propylenglykol & Glycerin, welches Sie in jedem 2. Lebensmittel finden werden? Wie erklären Sie eine Besteuerung von Lebensmittelaromen?
3. Ist Ihnen und Ihren Kollegen bewusst, dass Sie mit diesem Gesetz eine gesamte Branche auslöschen und tausende Arbeitsplätze wegfallen werden? Der Endverbraucher, der kauft sich seine Produkte im Ausland oder kauft es in der Pharma oder in Shops für Lebensmittelaromen. Die einzigen, die unter diesem neuen Gesetz leiden sind die Hersteller und Shopbesitzer. Hier werden Sie die volle Verantwortung dafür tragen, das dort Menschen in naher Zukunft ihre Existenz verlieren.
Wir bitten um Antworten,
MFG L.N
Sehr geehrte Frau N.,
vielen Dank für Ihre Nachricht. Grundsätzlich finden wir Grüne es gut, die Besteuerung von Rauch- und Dampfprodukten zu reformieren und E-Zigaretten jenseits der Mehrwertsteuer zu besteuern. Denn alle neuartigen Rauch- und Dampfprodukte – auch die Substitutionsprodukte, die Raucher*innen anstelle von Zigaretten konsumieren, also auch (nikotinfreie) E-Zigaretten – sind gesundheitsschädlich und können sogar krebserregend sein. Das haben uns die Sachverständigen sowohl in einer ersten öffentlichen Anhörung im Finanzausschuss im September 2020, als auch in einer zweiten Anhörung im Mai 2021 bestätigt (siehe https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2020/kw37-pa-finanzen-dampf-707200 und https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2021/kw23-de-tabaksteuer-843442 ). Trotzdem ist klar, dass E-Zigaretten und Tabakerhitzer weniger gesundheitsschädlich sind als klassische Tabak-Verbrennungsprodukte wie die Zigarette.
Deswegen haben wir Grüne dem Gesetzentwurf der Bundesregierung im Bundestag nicht zugestimmt. Unserer Ansicht nach sind die Steuererhöhungen für E-Zigaretten-Liquids und auch für Tabakerhitzer deutlich zu hoch. Für uns Grüne stehen Prävention und Schadensreduzierung im Fokus. Wir wollen die Menschen dazu motivieren, erst gar nicht mit dem Rauchen anzufangen, komplett mit dem Rauchen aufzuhören und wenn das nicht möglich ist, zumindest auf die weniger gesundheitsschädlichen Produkte umzusteigen, beispielsweise E-Zigaretten. Deswegen fordern wir, dass die Rauch- und Dampfprodukte nach ihrer jeweiligen Schadstoffbelastung besteuert werden sollen: Je schädlicher das Produkt, desto höher die Steuer. Die starke Steuererhöhung auf E-Zigaretten und Tabakerhitzer finden wir demnach nicht angemessen. Wir befürchten, dass die massive Verteuerung der weniger schädlichen Produkte wie E-Zigaretten sogar Fehlanreize schaffen kann: Menschen, die bereits auf die weniger schädlichen Produkte umgestiegen sind, könnten aus Kostengründen wieder zurück zur Zigarette greifen.
Ähnlich wie Sie finden wir Grüne es auch falsch, dass die Besteuerung von E-Zigaretten und Tabakerhitzern im nationalen Alleingang erfolgt. Da wir einen EU-Binnenmarkt haben, finden wir es zielführender, die Tabaksteuer auf EU-Ebene zu reformieren, woran aktuell auch schon gearbeitet wird. Damit würde gewährleistet werden, dass alle EU-Staaten eine einheitliche Grundlage erhalten, um Tabakerhitzer und E-Zigaretten zu besteuern – inklusive EU-weiter Mindeststeuer. Nur so kann verhindert werden, dass die Menschen die Produkte aus dem günstigeren EU-Ausland beziehen. Denn das wäre weder im Hinblick auf die Prävention noch das Steueraufkommen sinnvoll. Außerdem würde das dem deutschen Markt schaden mit all den Konsequenzen, die Sie angesprochen haben.
Wir sehen übrigens kein Problem darin, E-Zigaretten-Liquids zu besteuern, die einzelnen Inhaltsstoffe der Liquids, z.B. Glycerin, die auch in Lebensmitteln vorkommen, aber nicht zu besteuern. Denn nur, wenn die Inhaltsstoffe in den Liquids in die Lunge inhaliert werden, sind sie in dem Maße gesundheitsschädlich, dass eine Besteuerung sinnvoll ist.
Da wir Grüne im Bundestag das Tabaksteuermodernisierungsgesetz der Bundesregierung nicht unterstützen, haben wir einen Entschließungsantrag in den Bundestag eingebracht, der vorsieht, dass alle Rauch- und Dampfprodukte anhand ihrer jeweiligen Schadstoffbelastung besteuert werden (siehe https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/305/1930532.pdf ). Leider hat die Mehrheit des Bundestags unseren Entschließungsantrag abgelehnt und dem Tabaksteuermodernisierungsgesetz von CDU/CSU und SPD zugestimmt.
Nun bleibt abzuwarten, wie der Vorschlag der EU-Kommission für die Überarbeitung der EU-Tabaksteuerrichtlinie aussehen wird und inwiefern das Tabaksteuermodernisierungsgesetz anschließend überarbeitet werden muss.
Mit freundlichen Grüßen
Team Annalena Baerbock