Hallo Frau Baerbock, Viele Beschäftigte von AGs bekommen oft Aktien als Teil des Lohnes oder für A-Vorsorge und sind keine Spitzenverdienern. Trotzdem zahlen sie Soli auf Dividenden. Bleibt das so?
Sehr geehrter Herr B.,
vielen Dank für Ihre Nachricht. Die Beteiligung von Mitarbeiter*innen an den Unternehmen stellt ein wichtiges Instrument der Personalbindung dar und ermöglicht es Arbeitnehmer*innen am Produktivvermögen teilzuhaben. Dies stellt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Gewinne aus Vermögenseinkommen seit langem deutlich schneller wachsen als die Bruttolöhne einen wichtigen Beitrag dar, um Arbeitnehmer*innen ausreichend zu partizipieren und ein Auseinanderklaffen der sozialen Schere zu verlangsamen. Darüber hinaus kann eine Mitarbeiterkapitalbeteiligung, ergänzend zur Mitbestimmung in Betriebs- und Aufsichtsräten, die Position der Beschäftigten stärken und so zu einer Demokratisierung der Unternehmen beitragen. Aus diesem Grunde setzen wir uns sehr für eine Verbesserung der Rahmenbedingung von Mitarbeiter*innenbeteiligungen ein. So fordern wir unter anderem einen deutlich gesteigerten jährlichen Freibetrag von bis zu 5.000 Euro und wollen eine Besteuerung erst, wenn die Anteile veräußert werden.
Mit der teilweisen Abschaffung des Solidaritätszuschlags haben Union und SPD neue Abgrenzungsprobleme und Ungerechtigkeiten geschaffen. Im Zusammenspiel mit der Abgeltungsteuer verstärken sich diese nochmal. Aktuell ist es so, dass auf Kapitalerträge oberhalb des Sparerpauschbetrags von 801 Euro im Jahr der Solidaritätszuschlag einbehalten wird, ohne dass es darauf ankommt, ob die Steuerpflichtigen aufgrund der Höhe ihrer gesamten Einkünfte überhaupt den Solidaritätszuschlag zahlen müssen. Eine Erstattung des einbehaltenen Solidaritätszuschlags ist im Rahmen der Einkommensteuererklärung möglich, wenn eine Besteuerung nach dem individuellen Steuersatz günstiger ist als die Abgeltungsteuer von 25 %. Die Kapitalerträge haben hierbei keinen Einfluss auf die Höhe des individuellen Steuersatzes, sodass auch die Frage des Solidaritätszuschlags getrennt betrachtet wird. Das ist aus unserer Sicht im bestehenden System nachvollziehbar.
Dennoch erachten wir das bestehende System der Abgeltungsteuer als ungerecht. Die Besteuerung von Arbeit und Kapital in Deutschland ist ungleich und bevorzugt Menschen mit hohen Einkommen. Deshalb wollen wir unter Beibehaltung eines Sparerfreibetrags zukünftig Kapitalerträge wieder mit dem individuellen Steuersatz veranlagen. Dabei sollen die Banken und andere Finanzinstitute weiterhin eine Kapitalertragsteuer einbehalten, die jedoch nicht mehr abgeltend sondern als Vorauszahlung auf die persönliche Einkommensteuer wirkt. Für Kapitalerträge, die auf Unternehmensseite bereits versteuert wurden, wie bspw. bei Dividenden, soll das Teileinkünfteverfahren, das die Kapitalerträge bei Anleger*innen teilweise steuerlich freistellt, generell zur Anwendung kommen. Damit entlasten wir Aktienkleinanleger*innen mit kleinen und mittleren Einkommen spürbar und nähern uns dem Ideal eines finanzierungsneutralen Steuersystems an. Ebenso wird dadurch sichergestellt, dass auch der Solidaritätszuschlag nur noch von den Menschen zu zahlen ist, die mit ihrem gesamten Einkommen oberhalb der Freibeträge liegen. Somit würde das Steuerrecht auch hierdurch einen entscheidenden Schritt gerechter.
Mit freundlichen Grüßen
Team Annalena Baerbock