Frage an Annalena Baerbock von Gaby M. bezüglich Bildung und Erziehung
Hallo Frau Baerbock,
wenn man einmal davon ausgeht, dass Bildung kein passiver Prozess und mehr als die reine Aneignung von Wissen ist, werden die Weichen in unserem Bildungssystem derzeit häufig so gestellt, dass am Ende frustrierte, lernunwillige junge Menschen in die (Berufs-)Welt entlassen werden.
Der Bildungsprozess wird bereits in der frühen Kindheit aktiviert. Hier braucht es z.B. in den Kindertagesstätten gut ausgebildete Fachkräfte. Der Fachkräftemarkt ist leergefegt. Das hat Gründe. Ausbildungsmaßnahmen (Erzieher:innen) alleine reichen nicht. Auch Akademiker:innen müssen gewonnen werden, indem sie z.B. in den Kindertagesstätten auch wie Akademiker bezahlt werden und nicht (so geschieht es derzeit) mit „Ausbildungsgehältern“ abgespeist werden.
Was wollen Sie/mit wem veranlassen, um hier die Weichen (endlich) richtig zu stellen?
Sehr geehrte Frau M.,
vielen Dank für Ihre Nachricht. Gleiche Lebenschancen für alle Kinder heißt für uns, dass wir uns für gemeinsames Lernen und individuelle Förderung für alle Kinder von der KiTa (Kita und Kindertagespflege) bis zum Schulabschluss einsetzen. Egal ob Kinder in Hamburg oder in der Uckermark aufwachsen; egal ob hier geboren oder neu in Deutschland; egal ob mit Geschwistern oder als Einzelkind – alle Kinder haben die Chance auf ein gutes Aufwachsen verdient. Einen entscheidenden Beitrag hierzu leisten gute Kitas. Deshalb gehört Spitzenqualität in die Einrichtungen, denen wir unsere Kleinsten anvertrauen. Doch die Realität sieht oft anders aus: Eine Erzieherin muss gleichzeitig Windeln wechseln, trösten, vorlesen und zwischen Tür und Angel für Eltern ein offenes Ohr haben. Zu viel Lärm, zu wenig Raum, zu wenig Fachkräfte. Deutschlandweit gibt es große Unterschiede, wie viele Kinder eine Erzieherin oder ein Erzieher betreut. Dabei ist die Zeit, die Fachkräfte für die Kinder haben, entscheidend dafür, dass sich Kinder wohlfühlen und individuell gefördert werden können. Wir brauchen deshalb ein Bundesqualitätsgesetz, das Mindeststandards mit einer Übergangsfrist gesetzlich festlegt.
Mit einem Bundesqualitätsgesetz für mehr Qualität in KiTas stellen wir mit Mindeststandards sicher, dass sich Erzieher*innen und andere pädagogische Fachkräfte um höchstens vier unter Dreijährige oder neun Kinder ab drei Jahren gleichzeitig kümmern. Inklusive Einrichtungen benötigen abhängig vom Förderbedarf der Kinder einen besseren Betreuungsschlüssel. Darüber hinaus müssen sie genügend Zeit für Vor- und Nachbereitung, Zusammenarbeit mit Familien, Netzwerkarbeit im Sozialraum und Fortbildungen haben. Den Fachkräften in den KiTas stärken wir den Rücken mit Fachberatung, Supervisions- und Mentoring-Programmen, Lernortkooperationen und Unterstützung für berufliche Weiterentwicklung innerhalb des KiTa-Systems. Das Engagement des Bundes beim Platzausbau wollen wir weiterführen und verstärken.
Mit einer wirkungsvollen Fachkräfteoffensive wollen wir für faire Ausbildungsvergütungen, Weiterentwicklungsmöglichkeiten und gute Arbeitsbedingungen sorgen, dabei darf die Ausbildung zum Erzieherinnenberuf nicht am Schulgeld scheitern. Um den Mangel an pädagogischen Fach- und Lehrkräften mit gut qualifiziertem Personal nachhaltig bewältigen zu können, wollen wir mit einem Bund-Länder-Programm hochwertige Quereinstiegsbildung fördern, bestehende Weiterbildungs- und Qualifizierungsangebote stärken und gemeinsame Qualitätsstandards sichern. Für die wichtige Arbeit, die Erzieher*innen, Lehrkräfte und andere Pädagog*innen im Bildungssystem und in der Jugendhilfe leisten, brauchen sie einen guten Lohn und gute Arbeitsbedingungen.
Mit freundlichen Grüßen
Team Annalena Baerbock