Frage an Annalena Baerbock von Amber J. bezüglich Finanzen
Sehr geehrte Annalena Baerbock,
die Grünen stehen dem Aktienmarkt sehr verhalten gegenüber. Als junge Studentin, ohne die Verfügbarkeit von nennenswertem vererbbaren Kapital meiner Eltern setze ich persönlich auf das Wachstum des Marktes und sehe darin eine Möglichkeit des schrittweisen Abbaus finanzieller Ungerechtigkeiten. Nun würde mich interessieren, wie Sie dazu beitragen wollen, jungen Menschen Wohlstand zu ermöglichen und ob Sie im Aktienmarkt auch die Möglichkeit sehen, finanziellen Aufstieg durch Renditen zu schaffen? Gerade in Bezug auf die steigende Inflation sehe ich keine andere Möglichkeit, Geld gewinnbringend anzulegen.
Mit freundlichen Grüßen
Amber Jensen
Sehr geehrte Frau Jensen,
vielen Dank für Ihre Nachricht. Sie haben vollkommen Recht: Angesichts der aktuellen Niedrigzinsphase, die aller Voraussicht nach noch eine geraume Zeit anhalten wird, sind Investitionen in den Aktienmarkt eine der wenigen verbliebenen Optionen der Vermögensbildung. Dies bringt viele Sparerinnen und Sparer in eine Zwickmühle: Das risikolose Sparkonto wirft null Rendite ab. Aber viele risikobewusste Menschen scheuen davor zurück, Risiken einzugehen und beispielsweise in Aktien zu investieren, die mehr Gewinn abwerfen. Mit dem grünen Bürgerfonds wollen wir daher eine attraktive Alternative für die private Altersvorsorge jenseits von Sparkonto oder Riestervertrag schaffen: Die teuren und undurchschaubaren Riester- und Rürup-Produkte wollen wir durch einen öffentlich verwalteten Bürgerfonds ersetzen. Der Bürgerfonds wird öffentlich und politisch unabhängig verwaltet. Durch das große Anlagevolumen kann das Risiko breit gestreut und damit deutlich reduziert werden. Investiert werden soll langfristig und anhand von Nachhaltigkeitskriterien. Damit schaffen wir für Kleinsparer*innen eine attraktive Alternative zum Sparkonto, mit der sie kostengünstig in Aktien oder andere rentable Werte investieren können. Und leisten gleichzeitig einen Beitrag die Kurzfristorientierung der Märkte zu überwinden, indem wir langfristig in den Umbau der Wirtschaft investieren.
Zusätzlich treten wir für eine Grüne Finanzwende ein, mit denen wir sichere, verbraucherfreundliche und nachhaltige Finanzmärkte schaffen wollen, denen wir unser Erspartes wieder anvertrauen können. Häufig werden Kund*innen beispielsweise Finanz- und Versicherungsprodukte vermittelt, die am persönlichen Bedarf vorbeigehen. Sie sind gut für die Gewinne der Banken und Versicherungen, aber schlecht für die Kund*innen. Wir wollen die Finanzberatung vom Kopf auf die Füße stellen. Dafür schaffen wir ein einheitliches und transparentes Berufsbild für Finanzberater*innen. Alle Vermittler*innen und Berater*innen sollen künftig von der BaFin beaufsichtigt werden. Wir wollen weg von der Provisionsberatung und schrittweise zu einer unabhängigen Honorarberatung übergehen.
Darüber hinaus brauchen wir eine Finanzaufsicht mit Biss, die Missstände auf dem Finanzplatz Deutschland aufzeigt und konsequent beseitigt. Und sich für die Interessen der Verbraucher*innen stark macht. Dafür soll sie von der Möglichkeit, den Vertrieb von schädlichen irreführenden Finanzprodukten zu untersagen, häufiger Gebrauch machen und für mehr Finanzbildung sorgen. Überhöhte Dispozinsen und Gebühren insbesondere für das Basiskonto werden wir begrenzen. Schließlich wollen wir den europäischen Finanzplatz zum Leitmarkt für Nachhaltigkeit machen. Denn den Kampf gegen die Klimakrise werden wir nur gewinnen, wenn auch auf den Finanzmärkten ein Umdenken stattfindet und privates Kapital für die ökologische Modernisierung der Wirtschaft mobilisiert wird. Hier setzen wir auf eine umfassende Transparenzinitiative: Verbraucher*innen haben ein Recht darauf zu erfahren, welche Folgen für Umwelt und Gesellschaft mit ihren Anlagen verbunden sind. Mit einem leicht verständlichen Kennzeichnungssystem, das die Nachhaltigkeit aller Finanzprodukte bewertet, sorgen wir dafür, dass neben der Rendite künftig auch Nachhaltigkeitsaspekte bei Investitionsentscheidungen eine Rolle spielen. Ein EU-Label für nachhaltige Finanzprodukte mit starken ökologischen und sozialen Standards hilft, Green Washing zu verhindern.
Mit freundlichen Grüßen
Team Annalena Baerbock