Frage an Annalena Baerbock von Marc B. bezüglich Klima
Hallo Frau Baerbock,
als Familienvater und Pendler möchte ich mich heute mit einigen Fragen an Sie wenden, mit deren Beantwortung Sie mir weiterhelfen könnten.
Wir versuchen uns schon seit mehreren Jahren resourcenschonender zu ernähren. Wir fliegen nicht, ernähren uns zunehmend fleischärmer und mit möglichst vielen regionalen Produkten, wir sparen Strom und Wasser, wo es uns nur möglich ist und wir betreiben konsequente Mülltrennung.
Was ich und meine Frau NICHT leisten können, ist ein Verzicht auf unsere Autos.
Obwohl wir nicht in der tiefsten Provinz wohnen, sind wir doch schon allein für den Transport unserer Tochter zum Kindergarten oder für eine gewisse Flexibilität in Sachen Freizeitgestaltung auf allermindestens EIN Auto angewiesen - ich denke, da wird mir jeder, der außerhalb der Großstadt wohnt, zustimmen. Da ich erst vor 3 Jahren im Zuge der letzten Dieselkaufprämie ein (fabrik)neues Fahrzeug erworben habe, steht für mich mindestens die nächsten 12-15 Jahre auch kein Neukauf zur Debatte - denn für mich heißt "Nachhaltigkeit" eben auch, vorhandene Sachen zu schätzen bis zuletzt zu nutzen.
Was mich wirklich ärgert ist, dass der Diskurs über klimafreundlichere Mobilität oft von einer urbanen Mehrheit angeführt wird. Ich bin an der Stelle ehrlich: hätte ich eine Möglichkeit, alle 10 Minuten in eine andere Straßenbahn zu steigen und im Eiltempo durch die Stadt zu brausen, hätte ich mglw. auch kein Auto. Diese Möglichkeit habe ich aber NICHT. Ich wohne an einer Verbands-/Tarifzonengrenze und die monatlichen ÖPNV-Kosten sind ca. doppelt so hoch wie meine monatlichen Tankrechnungen.
Daher nun meine Fragen:
- Was kann und wird eine Regierung, an der Ihre Partei mitwirkt, für die Zielgruppe der Berufspendler anbieten?
- Wie werden Sie z.B. mit anderen Industrien wie der Zementindustrie umgehen, die ja auch einen immensen CO²-Ausstoß haben und bisher weitgehend unbeachtet bleiben oder explizite Ausnahmen bekommen?
Dankeschön.
Sehr geehrter Herr Böttger,
vielen Dank für Ihre Nachricht und Ihre persönlichen Eindrücke. Lassen Sie es uns vorab klar sagen: Keiner möchte Ihnen das Auto wegnehmen. Wir haben uns in dieser Legislaturperiode viele Gedanken gemacht, mit Expert*innen gesprochen und Konzepte entwickelt um die Mobilitätswende in den ländlichen Raum/ Kleinstädte zu holen. Wir sehen die gleichen Probleme wie Sie, nämlich dass Menschen im ländlichen Raum in hohem Maße vom eigenen Auto abhängig sind, so dass all diejenigen, die kein Auto besitzen oder fahren strukturell benachteiligt sind. Wir wollen deshalb eine Mobilitätsgarantie einführen und allen Menschen Zugang zu einem schnellen und zuverlässigen ÖPNV-Angebot ermöglichen, auch in den Abendstunden, am Wochenende und in den Ferien. Es geht dabei allerdings nicht darum, einfach große leere Busse über das Land fahren zu lassen. Wir setzen vielmehr auf einen Verbund verschiedener Systeme: Regio-Busse und Bahnen, die ein Rückgrat an schnellen Verbindungen zwischen den Zentren bilden, ergänzt durch ein breit gefächertes Angebot an lokalen Busrouten, Fahrdiensten und Sharingangeboten für die letzte Meile. Gerade für Sharingangebote wollen wir auch den gemeinnützigen oder gemeinwirtschaftlichen Betrieb einfach ermöglichen und die in Errichtung von Mobilitätsstationen, die verschiedene Angebote bündeln, investieren.
Wir sehen Mobilität als Teil der Daseinsvorsorge, für deren Sicherstellung der Staat eine Verantwortung trägt. Er muss deshalb ein Grundangebot an planbaren sowie barriere- und diskriminierungsfreien Mobilitätsdienstleistungen bereitstellen. Uns ist auch bewusst, dass das Auto auch weiterhin eine wichtige Rolle für die Mobilität im ländlichen Raum spielen wird. Deshalb wollen wir den Ausbau der Elektromobilität auf dem Land vorantreiben, damit der ländliche Raum nicht zum Verbrenner-Museum wird.
Ausführlichere Infos zu unseren Ideen finden Sie in unseren Antrag "Mobilität in ländlichen Räumen verbessern ": https://dserver.bundestag.de/btd/19/278/1927875.pdf
Was uns aber klar sein muss, das, was der Umwelt und damit den Menschen schadet, braucht einen Preis, klimafreundliches Verhalten muss sich lohnen. Doch begleitend dazu braucht es auch einen sozialen Ausgleich, sonst funktioniert es nicht! Die Einnahmen aus dem CO2-Preis geben wir Grünen vollständig sozial gerecht zurück und werden sie als Energiegeld an die Menschen auszahlen. Wer das Klima überdurchschnittlich belastet, soll dafür zahlen. Wer das Klima schont, soll am Ende mehr im Portemonnaie haben. Ja, wir werben für einen früheren CO2-Preis in Höhe von 60 Euro um die Klimakrise in den Griff zu bekommen, aber bei gleichzeitiger sozialer Entlastung von Kleinverdiener*innen, Familien, Pendler*innen und denen die unbedingt auf das Auto angewiesen sind. Dazu gehört auch, dass wir das Angebot an öffentlichem Nahverkehr und Mobilitätsangeboten insbesondere in ländlichen Raum deutlich verbessern wollen, wie bereits oben beschrieben.
Eine Erklärung zum Energiegeld finden Sie hier:
https://www.gruene-bundestag.de/videos/wie-unser-energiegeld-funktioniert
https://www.gruene.de/artikel/fragen-und-antworten-zum-co2-preis
Zu Ihrer zweiten Frage: Die energieintensiven Industrien – Stahl, Zement, Chemie – stehen für rund 15 Prozent des deutschen CO2 -Ausstoßes. Zugleich bieten sie hunderttausende gute Arbeitsplätze und sind ebenso Eckpfeiler unseres Wohlstandes. Wir wollen diese Industrien zum Technologievorreiter bei der Entwicklung klimaneutraler Prozesse machen. Der Maschinenbau kann beim weltweiten Einsatz grüner Technologien made in Germany eine Schlüsselrolle einnehmen. So bekämpfen wir die Klimakrise und tragen zur Sicherung des deutschen Industriestandorts bei. Damit die Investitionen schon heute in auch langfristig klimaverträgliche Anlagen fließen können, fördern wir mit Investitionszuschüssen und degressiven Abschreibungen direkt die Transformation. Mit dem Abbau von Hürden bei der grünen Eigenstromversorgung und einem zunehmenden Einsatz von grünem Wasserstoff treiben wir die Dekarbonisierung der Prozesse voran. Klimaverträge (Carbon Contracts for Difference), die die Differenz zwischen dem aktuellen CO2 -Preis und den tatsächlichen CO2 -Vermeidungskosten finanzieren, sorgen für Investitionssicherheit. Und mit Quoten für den Anteil CO2 -neutraler Grundstoffe schaffen wir Leitmärkte für CO2 -freie Produkte. Pilotanlagen für noch nicht marktreife emissionsarme Technologien wollen wir besonders fördern. Und sofern möglich, sollte das Ziel sein, dass neue Industrieanlagen bereits emissionsfrei betreibbar gebaut bzw. exportiert werden. Bei der Transformation der Chemieindustrie setzen wir auf neue innovative Produkte, Prozesse und Verfahren, die neben der Treibhausgasneutralität auch die Kreislaufwirtschaft fördern, die Effizienz steigern, Emissionen und Abfälle von vornherein vermeiden und uns unabhängig von fossilen Rohstoffen wie Erdöl oder Erdgas machen.
Weitere Informationen finden Sie in unserem Wahlprogramm: https://cms.gruene.de/uploads/documents/Wahlprogramm-DIE-GRUENEN-Bundestagswahl-2021_barrierefrei.pdf
Mit freundlichen Grüßen
Team Annalena Baerbock