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Annalena Baerbock
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Frage von Dennis K. •

Frage an Annalena Baerbock von Dennis K. bezüglich Bildung und Erziehung

Sehr geehrte Frau Baerbock,

Ich bin Chemie Student an der Universität Potsdam und würde Sie gerne folgendes fragen:
Mir ist die Bildungsgerechtigkeit sehr wichtig, da Ich selber auch als erster meiner Familie studiere. Wie würden Sie die Bildungsgerechtigkeit in Deutschland verbessern und gleichzeitig darauf achten, das sowohl genügend Akademiker als auch genügend Facharbeiter in der Industrie vorhanden sind?
Auch interessieren würde mich, was Sie für die MINT-Fächer tun würden, damit es dort keinen Mangel in der Zukunft gibt.

Mit freundlichen Grüßen,

Dennis Kühn

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Kühn,

vielen Dank für Ihre Nachricht. Ein gerechtes Bildungssystem ist essenziell für gleiche Lebenschancen und Zusammenhalt in einer vielfältigen Gesellschaft. Aber viel zu sehr hängt der Lebenslauf in Deutschland noch von der Familie, dem Namen oder dem Wohnort ab statt von den eigenen Fähigkeiten. Und die Pandemie verschärft die ohnehin zu große soziale Ungleichheit: Wo Kinder und Jugendliche auf wenig Förderung von zu Hause hoffen können, wo der Zugang zu Laptops oder Tablets fehlt und kein Elternteil helfen kann, drohen sie dauerhaft den Anschluss zu verlieren. Gleiche Lebenschancen für alle Kinder heißt, dass wir uns für gemeinsames Lernen und individuelle Förderung für alle Kinder von der KiTa (Kita und Kindertagespflege) bis zum Schulabschluss einsetzen. Die soziale Spaltung zwischen Schulen sowie KiTas möchten wir überwinden, auch durch gezielte Investitionen des Bundes, die lokal verteilt werden. Denn wir wollen KiTas und Schulen, in die Kinder und Jugendliche, aber auch Erzieher*innen und Lehrer*innen gleichermaßen gerne gehen. Und zwar egal ob auf dem Land oder in der Stadt, ob in ärmeren oder reicheren Vierteln.

Für Schulen mit besonderen Herausforderungen wollen wir dauerhafte Finanzierungswege für mehr Bildungsgerechtigkeit schaffen. Wir fördern multiprofessionelle Teams, in denen sich Lehrkräfte, Schulsozialarbeiter*innen, Erzieher*innen, Schulpsycholog*innen und andere Fachkräfte ergänzen, um die Schüler*innen und ihre Familien bestmöglich unterstützen zu können. Unser Ziel ist zudem, einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbildung und -betreuung mit Qualitätsstandards umzusetzen. Dazu gehören ausreichend Fachkräfte, anregende Räume und Schulhöfe, ein gesundes Mittagessen und eine breit gefächerte Zusammenarbeit mit Vereinen, Musikschulen und anderen Akteuren vor Ort. Den DigitalPakt wollen zu einem echten gemeinsamen Vorhaben nachhaltig weiterentwickeln.

Damit Talent und Interesse und nicht Familientradition oder der Job der Eltern über die Ausbildungswahl junger Menschen entscheiden, wollen wir das BAföG zu einer Grundsicherung für Studierende und Auszubildende umbauen. Sie soll aus einem Garantiebetrag und einem Bedarfszuschuss bestehen, der den Gesamtbetrag im Vergleich zum heutigen BAföG substanziell erhöht. Studierende oder Auszubildende bekommen den Betrag direkt überwiesen. Perspektivisch soll sie elternunabhängig gestaltet sein. Damit würden Studierende und Auszubildende finanziell deutlich besser gestellt und mehr junge Menschen aus nicht-akademischen Familien für ein Studium gewonnen.

Berufliche und akademische Bildung sind für uns gleichwertig, denn ein Master muss sich nicht hinter einem Master verstecken. Wir wollen Gleichwertigkeit und Durchlässigkeit von und zwischen beruflicher und akademischer Bildung deshalb deutlich ausbauen. Dabei folgen wir dem Grundsatz, dass kein Abschluss ohne Anschlussmöglichkeit bleiben darf, wenn Menschen sich persönlich und beruflich weiterentwickeln und neue Kompetenzen erwerben wollen. Wir setzen uns dafür ein, den Deutschen Qualifikationsrahmen gesetzlich zu verankern, um seine Stufen bekannter und den Aufbau einzelner Stufen transparenter zu machen. Im Sinne der Gleichwertigkeit sollte die Vergütung von Tätigkeiten auf den einzelnen Stufen entsprechend der Kompetenzen erfolgen, unabhängig davon, ob diese auf akademischem oder beruflichem Wege erreicht wurden. Eine Meisterfortbildung soll wie ein Studium kostenfrei werden. Zudem setzen wir uns gemeinsam mit den Ländern für flächendeckende, vielfältige und praxisnahe Berufsorientierung an allgemeinbildenden Schulen ab Jahrgangsstufe 7 ein und unterstützen junge Menschen am Übergang Schule-Beruf durch den Ausbau von Jugendberufsagenturen.

MINT-Bildung wollen wir stärken und dabei insbesondere mehr junge Frauen für MINT-Berufe begeistern und stereotype Rollenmuster und -zuschreibungen unter anderem durch praxisnahe und geschlechtersensible Berufsberatung und -orientierung aufbrechen. Die Präsenz von Frauen in den MINT-Studiengängen sowie in dualen Ausbildungen und Betrieben wollen wir erhöhen und bestehende Hürden für die Karrierechancen von Frauen in MINT-Berufen weiter abbauen. Initiativen, die sich für mehr Vielfalt in MINT-Berufen einsetzen, wollen wir unterstützen, damit Talent und Interesse, und nicht Geschlecht und Vorurteil über die Berufswahl entscheiden.

Auch nach dem ersten Berufsabschluss möchten viele Menschen Neues lernen. In einer Welt, die sich rasant wandelt, wird es auch immer wichtiger, Gelerntes aufzufrischen, neue Kompetenzen zu erwerben und sich persönlich und beruflich weiterzuentwickeln. Wir wir ein Recht auf Weiterbildung, damit auch Menschen mit geringeren Einkommen Zugang zum lebensbegleitenden Lernen erhalten. Dafür wollen wir Beratungsangebote in Bildungsagenturen bündeln und ausbauen, damit alle Weiterbildungsinteressierten hochwertige Bildungsberatung erhalten. Um die finanzielle Förderung deutlich zu verbessern, wollen wir Qualifizierung im Rahmen des Umbaus der Arbeitslosenversicherung zu einer Arbeitsversicherung deutlich stärken und bestehende andere Förderinstrumente zu einem Weiterbildungs-BAföG weiterentwickeln.

Mit freundlichen Grüßen
Team Annalena Baerbock

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