Frage an Annalena Baerbock von Kevin L. bezüglich Öffentliche Finanzen, Steuern und Abgaben
Sehr geehrte Frau Baerbock,
es gibt einen Gesetzesentwurf zur Modernisierung des Tabaksteuergesetzes. Dieser Gesetzesentwurf sieht vor, dass die E-Zigarette, beziehungsweise ihre Nikotinhaltigen Liquids, so hart besteuert werden, dass sie sogar teurer werden als Feinschnitttabak. Die E-Zigarette ist nachweislich durch mehrere Studien und auch von der Bundesregierung (Drogen und Suchtbericht 2019, Seite 50) darin bestätigt worden, dass sie deutlich! weniger schädlich als die herkömmliche Zigarette ist und außerdem das wirksamste Rauchentwöhnungsprodukt ist.
Wie stehen Sie dazu, dass ein Produkt, welches wissenschaftlich nachweisbar deutlich weniger schädlich als sein Pardon (die herkömmliche Zigarette) ist, aber dennoch höher besteuert werden soll?
Für mich persönlich wird bei diesem Entwurf weder auf die Gesundheit der Menschen geachtet, noch auf die finanziellen Interessen des Staates (Bestellungen in Nachbarländern).
Mit freundlichen Grüßen
Sehr geehrter Herr L.,
vielen Dank für Ihre Nachricht. Grundsätzlich finden wir Grüne es gut, die Besteuerung von Rauch- und Dampfprodukten zu reformieren und E-Zigaretten jenseits der Mehrwertsteuer zu besteuern. Denn alle neuartigen Rauch- und Dampfprodukte – auch (nikotinfreie) E-Zigaretten – sind gesundheitsschädlich und können sogar krebserregend sein, was uns die Sachverständigen in einer öffentlichen Anhörung im Finanzausschuss auch bestätigt haben (siehe https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2020/kw37-pa-finanzen-dampf-707200).
Trotzdem lehnen wir den Vorschlag der Bundesregierung ab, wonach Heat-Not-Burn-Produkte genauso hoch besteuert werden sollen wie normale Zigaretten und die Steuer auf nikotinhaltige E-Zigaretten 75 Prozent der Steuerhöhe auf normale Zigaretten entsprechen soll. Denn wir Grüne verfolgen die Ziele Prävention und Harmreduction. Wir wollen also die Menschen dazu motivieren, erst gar nicht mit dem Rauchen anzufangen, komplett mit dem Rauchen aufzuhören und wenn das nicht möglich ist, zumindest auf die weniger gesundheitsschädlichen Produkte umzusteigen. Deswegen fordern wir, dass die Rauch- und Dampfprodukte nach ihrer jeweiligen Schadenswirkung besteuert werden: Je schädlicher das Produkt, desto höher die Steuer. Demnach sollten herkömmliche Zigaretten höher besteuert werden als Heat-Not-Burn-Produkte und insbesondere höher als E-Zigaretten. Der Vorschlag der Bundesregierung, normale Zigaretten, Heat-Not-Burn-Produkten und E-Zigaretten gleich bzw. ähnlich hoch zu besteuern, ist aus unserer Sicht nicht zielführend. Denn er wird gewöhnliche Raucher*innen, die den Komplettausstieg nicht schaffen, kaum dazu motivieren, zumindest auf die weniger schädlichen Produkte, wie E-Zigaretten, umzusteigen. Deswegen lehnen wir seinen Vorschlag ab.
Wir lehnen es auch ab, das Tabaksteuergesetz und die Besteuerung von E-Zigaretten im nationalen Alleingang zu ändern, wie es der Vorschlag der Bundesregierung vorsieht. Da wir einen EU-Binnenmarkt haben, finden wir Grüne es zielführender, die EU-Tabaksteuerrichtlinie auf EU-Ebene zu reformieren, woran aktuell auch schon gearbeitet wird. Damit würde gewährleistet werden, dass alle EU-Staaten eine einheitliche Grundlage erhalten, um Heat-Not-Burn-Produkte und E-Zigaretten zu besteuern. Nur so kann verhindert werden, dass die Menschen die Produkte aus dem steuerfreien EU-Ausland beziehen. Das wäre weder im Hinblick auf die Prävention noch das Steueraufkommen sinnvoll.
Unsere Forderungen zur Besteuerung von Rauch- und Dampfprodukten auf EU-Ebene haben wir in einem Antrag festgehalten, der letztes Jahr im Bundestag debattiert und schließlich leider abgelehnt wurde (siehe http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/19/189/1918978.pdf).
Am Montag, 17.5., hat zu dem Gesetzentwurf auch eine öffentliche Anhörung im Finanzausschuss stattgefunden, bei der die Expert*innen unsere Kritikpunkte fast einstimmig geteilt haben. Der Gesetzentwurf soll schon nächste Woche im Bundestag beschlossen werden. Wir hoffen sehr, dass die Regierungsfraktionen ihn noch anpassen und die Steuerhöhe anhand der gesundheitlichen Schadenwirkung ausrichten werden. Nur so trägt er zur Prävention und zu Harmreduction bei. Dafür werden wir Grüne uns in den parlamentarischen Beratungen weiterhin vehement einsetzen.
Mit freundlichen Grüßen
Team Annalena Baerbock