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Annalena Baerbock
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Frage von Ulrike L. •

Frage an Annalena Baerbock von Ulrike L. bezüglich Energie

Sehr geehrte Frau Baerbock,

Betr.: Stellungnahme zum Neubau Stromtrasse P43 statt Ausbau bestehender Trasse

Ich wäre dankbar, wenn Sie mir Ihre und auch die Position Ihrer Partei zum Ausbau der Trasse P43 mitteilen würden. Da die Notwendikeit des Trassenneubaus gerne mit der Energiewende begründet wird, ist das ein Kernthema der Grünen.
Situation:
Es besteht eine Trasse (Verlauf durch Hessen), deren Ausbau die notwenidge Kapazität bringen könnte. Geplant und beschlossen ist ein Neubau - aktuelle Planung für die P43 (Neubau) durch Wälder in der Rhön und Augebiete z.B. um die fränkische Saale. Die Trasse soll, wie aus den Medien zu erfahren ist, Strom vorwiegend für das RheinMainGebiet liefern.
Wie stehen Sie und auch Ihre Partei dazu?

Mit freundlichen Grüßen
U. Lehner

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrte Frau L.,

vielen Dank für Ihr Schreiben. Wir Grüne im Bundestag setzen uns für die vollständige Umstellung der Stromversorgung auf erneuerbare Energien ein. Um dies zu schaffen, muss die veraltete Stromleitungsinfrastruktur fit gemacht werden. Nur so ist garantiert, dass die teils stark schwankenden erneuerbaren Stromquellen dezentral ins Netz einspeisen können und dass Windstrom aus dem Norden effizient und weiträumig in die Verbrauchshochburgen in Süd- und Westdeutschland übertragen wird. Das ist gerade in den sonnenarmen Wintermonaten notwendig für die Versorgungssicherheit. Dazu brauchen wir auch neue Stromtrassen.

In den letzten Jahren hat der Netzausbau mit dem Wandel der Energielandschaft nicht Schritt gehalten. Seit den 1970er Jahren wurde wenig in die Netze investiert. Das führt bereits heute zu Engpässen in manchen Regionen Deutschlands, in anderen Regionen sind diese absehbar. Wegen dieser Engpässe werden zum Beispiel an der Nordseeküste heute schon Windenergieanlagen zeitweise abgeschaltet, da im Netz keine Kapazitäten vorhanden sind um den Strom dorthin zu bringen, wo er gebraucht wird. Das ist extrem ineffizient und wir brauchen deutlich mehr Windstrom onshore und offshore, um unsere Klimaziele erreichen zu können.

Es ist schon jetzt klar, dass ein erheblicher Stromtransportbedarf in Deutschland besteht und auch in Zukunft weiter bestehen wird. Auch wenn in Süddeutschland erneuerbare Energien stärker ausgebaut werden – was von uns schon immer unterstützt wurde –, wird die Versorgung der Verbrauchszentren ohne ausreichende Leitungen für den Stromtransport nicht gelingen. Zwar sinkt durch Ausbau der Erneuerbaren im Süden tendenziell der Bedarf, das Stromleitungsnetz auszubauen – ebenso wie durch Maßnahmen zur Energieeinsparung, zum intelligenten Lastmanagement in der Industrie und durch Speichertechnologien. Dies ist aber von uns längst eingeplant, um einen massiven Netzausbau über das heutige Niveau hinaus zu vermeiden. Die bisher beschlossenen Leitungen sind definitiv auch bei einem starken Ausbau der Erneuerbaren in Süddeutschland sinnvoll. Sie sind kosteneffizient und umweltfreundlicher als mögliche Alternativen. Ein Verzicht auf diese Leitungen würde nämlich insgesamt viel mehr Windräder notwendig machen und auch viel mehr Speicher. Diese würden deutlich mehr Ressourcen verbrauchen, Landschaft verändern und Geld kosten. Denn schon der heutigen Netzausbauplanung liegt die Annahme eines deutlichen Ausbaus der Erneuerbaren im Süden zugrunde, weitaus stärker als er derzeit in Realität zu beobachten ist. Zudem ist ein überregionaler Austausch von Strom für die Versorgungssicherheit des gesamten Landes, für einen funktionierenden europäischen Strommarkt und für eine kostengünstige Energiewende unerlässlich. Und ja, auch der Strommarkt ist sehr hilfreich, damit die Energiewende gelingen kann.
Die Position der Grünen ist das Ergebnis von langen inhaltlichen Debatten und Gesprächen mit Experten. Wir nehmen das Thema nicht auf die leichte Schulter und sind uns bewusst, dass der Netzausbau einen großen Eingriff in die Natur und die gewohnte Umgebung der Anwohnerinnen und Anwohner darstellt. Wir haben immer für technische Innovationen gekämpft, die den Bedarf an Stromleitungen reduzieren. Diese werden mittlerweile großzügig in den Netzplanungen berücksichtigt. Teilweise werden auch genau diese Innovationen wie zum Beispiel Netzbooster von Bürgern vor Ort in Frage gestellt.

Die Energiewende ist ein notwendiges Mittel, um die Klimakrise zu bekämpfen und eine lebenswerte Zukunft zu erhalten. Unfassbar viel steht derzeit für unsere Kinder und Enkel auf dem Spiel. Deshalb werden wir nicht müde uns für eine sehr schnelle Energiewende einzusetzen. Dabei ist uns wichtig, dass die Beteiligung der Öffentlichkeit frühzeitig, niederschwellig, ehrlich und mit echtem Einfluss der Menschen vor Ort stattfindet. Gemeinsam können wir im Kampf gegen den Klimawandel noch etwas bewirken.

Die energiewirtschaftliche Notwendigkeit von P43 bzw. Vorhaben 17 laut Bundesbedarfsplangesetz wurde erstmals im Netzentwicklungsplan 2012 für das Jahr 2022 bestätigt. Im letzten Netzentwicklungsplan 2019 erfolgte die Prüfung unter Berücksichtigung lastflusssteuernder Elemente und einer höherer Auslastung der Bestandsnetze durch Freileitungsmonitoring und weiterer Innovationen und wiederum wurde die Notwendigkeit bestätigt. Ziel des Vorhabens ist es die Übertragungskapazität zwischen Bayern und Hessen zu erhöhen.

Im Rahmen des Bundesfachplanungsverfahrens, das nach unserem Kenntnisstand noch nicht angelaufen ist, wird ein Trassenkorridor festgelegt. In diesem Verfahrensschritt schlägt der zuständige Netzbetreiber einen Korridorverlauf vor mit möglichen Alternativen. Dabei müssen die Belange der Menschen vor Ort, der Naturschutz und das Landschaftsbild berücksichtigt werden. Im Zuge dessen wird es öffentliche Antragskonferenzen geben, in denen Sie sich mit Ihren Vorschlägen einbringen können. Unsere Erfahrung ist, dass eine frühzeitige Einbringung von alternativen Ideen/Korridorverläufen am erfolgversprechendsten ist.

Mit besten Grüßen

Team Annalena Baerbock

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