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Annalena Baerbock
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Frage von Ulrich C. •

Frage an Annalena Baerbock von Ulrich C. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Hallo Frau Baerbock.
Zunächst herzlichen Glückwunsch zur Kanzlerkanditatur.
Lange habe ich überlegt ob ich Sie anschreiben soll. Ich habe hier leider von Herrn Altmeyer bzw. Team eine,in meinen Augen derart unverschämte Antwort bekommen dass mein eh schon zerstörtes Vertrauen in die Politik noch weiter geschädigt wurde. Aber der Jugend eine Chance.
Hier nun meine Frage : wie wollen Sie diese vollkommen gespaltene Gesellschaft wieder vereinen ? Und vergessen Sie bitte nicht dabei, dass es Ihre Partei war , die gemeinsam mit der SPD für diese Spaltung gesorgt hat. Es hat mir damals Angst gemacht und meine schlimmsten Befürchtungen sind noch übertroffen worden. In vielen Betrieben herrscht ˋKrieg´ gegen die Arbeitnehmer. Dieses geschieht nicht um das Unternehmen gesund zu halten sondern um die Geldgier des Unternehmers bzw.. der Manager zu befriedigen. Ich empfehle Ihnen mal die Einkommen dieser Menschen ins Verhälnis zum Durchschnittseinkommen von 40000 € zu setzen. Von diesen 40000€ bleiben netto ca. 23000€. Von diesen 23000€ Leben in der Regel 3 Menschen ( Familie). Da kann sich jeder ausrechnen was diese Menschen sich leisten können. Ich glaube wenn man die Sache aus diesem Blickwinkel betrachtet, sieht unsere Gesellschaft gar nicht mehr so gut aus.
Daher gehört zu meinen Forderungen an die Politik ein bedingungsloses Grundeinkommen für jeden von A wie Abgeordneter bis Z wie Zivildienstleistender in Höhe von mind. 1300 €, Kinder bis 18 Jahre die Hälfte. Davon zahlt jeder , wie auch die Rentner, 10 % Kranken- und Pflegeversicherung. Dieses stärkt auch unsere Sozialversicherung. Ich denke dass sich die BRD dieses locker leisten kann. Meine Gedanken zur Finanzierung würden den hier vorhandenen Rahmen sprengen.
Ich bin gespannt auf Ihre Antwort.
Info: seit Schröder und Fischer habe ich meine Kreuzchen nie mehr bei denen und Euch gemacht.
Mit freundlichen Grüßen
U. College

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Sehr geehrter Herr C.

vielen Dank für Ihre Nachricht. Die Pandemie hat uns gezeigt, was eine Gesellschaft stark macht – dass man sich unterhakt und einander vertraut. Sie hat uns aber auch schonungslos die Stärken und Schwächen unseres Sozialstaates vor Augen geführt: wie wichtig ein robustes Gesundheitssystem für alle ist, wie zentral eine Wirtschaftskraft ist, die für gesellschaftlichen Wohlstand und damit einen Sozialstaat sorgt, der Menschen bei Jobverlust oder Wirtschaftseinbruch vor Obdachlosigkeit bewahrt. Die Pandemie hat aber zugleich bestehende Ungleichheiten verschärft. Wer arm ist, wird schneller krank. Freiberufler*innen und Selbständige, die ohnehin schon größere Risiken eingehen, stürzen ohne Verdienst in Existenzangst oder -not. Und es gibt viele weitere Beispiele.

Jetzt ist die Zeit, die richtigen Lehren zu ziehen. Unsere Gesellschaft braucht ein neues soziales Sicherheitsversprechen. Wir wollen Schritt für Schritt die sozialen Systeme so verändern, dass sie allen Menschen Sicherheit und Halt geben, auch in Zeiten persönlicher und gesellschaftlicher Umbrüche, und ihnen Teilhabe ermöglichen. Unsere Bibliotheken und Bolzplätze, Sport- und Musikvereine, Theater und Jugendzentren – kurz, unsere öffentlichen und sozialen Orte – sollten zu den schönsten und stärksten Räumen des Miteinanders werden.

Wie Sie sehen, teilen wir Ihr Anliegen, die gesellschaftliche Spaltung zu überwinden. Zentrale Vorhaben, mit denen wir das angehen wollen, sind u.a. eine Weiterentwicklung der Sozialversicherungen und eine grundlegende Reform der Grundsicherung (Hartz IV). Unser Weg ist also ein etwas anderer als der von Ihnen vorgeschlagene, obgleich wir uns an der Idee einer universellen Absicherung und dem Grundeinkommen orientieren.

Für eine solidarische soziale Sicherung wollen wir die Gesundheits-, Pflege- und Rentenversicherung zu Bürgerversicherungen weiterentwickeln. Alle Bürgerinnen und Bürger – und damit auch Abgeordnete und mit ihnen alle Einkunftsarten (z.B. auch Einkünfte aus Vermögen) – sollen in die sozialen Sicherungssysteme einbezogen und damit gut abgesichert werden.

Jeder Mensch hat das Recht auf soziale Teilhabe und auf ein würdevolles Leben ohne Existenzangst. Deswegen wollen wir Hartz IV überwinden und in der kommenden Wahlperiode durch eine Garantiesicherung ersetzen. So wollen wir Menschen endlich verlässlich vor Armut schützen und das Existenzminimum sowie die selbstbestimmte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben sichern. Die Garantiesicherung besteht aus einer Reihe von Bausteinen:

Wir wollen das Regelsatzermittlungsverfahren reformieren und die Regelsätze im ersten Schritt um 50 Euro anheben. Um das Existenzminimum immer zu garantieren und Kürzungen darunter auszuschließen, wollen wir die Sanktionen abschaffen. Die Menschen brauchen ein passgenaues Beratungsangebot und eine deutlich bessere Arbeitsförderung, auf Augenhöhe und entsprechend ihrer Kompetenzen und Wünsche. Wir wollen das Konstrukt der Bedarfsgemeinschaft überwinden und die Leistungen schrittweise individualisieren, indem auf die Anrechnung von Einkommen der Partner*in verzichtet wird – in einem ersten Schritt für nicht verheiratete Paare. Die Anrechnung von Einkommen wird verbessert, damit zusätzliche Erwerbstätigkeit immer zu einem spürbar höheren Einkommen führt. Auf die aufwendige Vermögensprüfung wollen wir verzichten und sie durch eine einfache und bürokratiearme Selbstauskunft ersetzen. Zudem streben wir an, die soziale Sicherung schrittweise weiter zu vereinfachen, indem wir die existenzsichernden Sozialleistungen zusammenlegen und ihre Auszahlung in das Steuersystem integrieren. Dabei orientieren wir uns an der Leitidee eines bedingungslosen Grundeinkommens. Deshalb begrüßen und unterstützen wir Modellprojekte, um die Wirkung eines bedingungslosen Grundeinkommens zu erforschen.

Mit freundlichen Grüßen
Team Annalena Baerbock

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