Frage an Annalena Baerbock von Heiner R. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Baerbock,
Ich würde gern Ihre Haltung zum Thema der Doppelverbeitragung von Direktlebensversicherungen erfahren. Nachdem das GKV-Modernierungsgesetz der rot-grünen Regierung bereits in 2003/2004 beschlossen wurde, bin ich mir nicht sicher, ob Sie den Sachverhalt im Detail kennen. Falls dem nicht so ist, kann ich Ihnen das Thema aber sehr empfehlen (es sind ca. 6,2 Mio. Deutsche davon betroffen).
In diesem Gesetz wurde - rückwirkend - auch für Direktlebensversicherungen, die lange vor dem Gesetz abgeschlossen wurden, festgelegt, dass bei Auszahlung der Versicherung der volle Sozialabgabenanteil (Pflege -und Krankenkassenbeiträge) in voller Höhe zu entrichten sind. Dabei handelt es sich häufig um fünfstellige Beträge, da die Direktversicherungen oft eine Laufzeit von 30 Jahren und mehr hatten. Dieses fest eingeplante Geld wird den Direktversicherungen nun durch das von den Grünen mit zu verantwortende Gesetz gestohlen.
Bislang haben die Grünen keine Anstalten gemacht, diesen Betrug rückgängig zu machen, sondern immer mit der so schönen "Bürgerversicherung" argumentiert, die den DV-Geschädigten allerdings nicht wirklich hilft.
Mit freundlichen Grüßen
Heiner Runge
Sehr geehrte Herr Runge,
vielen Dank für Ihre Nachricht. Wir können Ihren Unmut nachvollziehen, dass die Belastung von Betriebsrenten nur durch die Einführung eines Freibetrages von der Bundesregierung abgemildert wird. Ihr Anliegen, Betriebsrenten von der Beitragspflicht auszunehmen, können wir dennoch aus diversen Gründen nicht aufgreifen, da der Verzicht auf eine Verbeitragung der Betriebsrenten größere Löcher in die Sozialkassen reißen würde.
Die Bundesregierung hat aus unserer Sicht mit der Einführung eines Freibetrages eine Lösung gewählt, die die betroffenen Menschen zumindest ein bisschen entlastet. Kritisch sehen wir aber, dass diese Entlastung ausschließlich von den Versicherten der gesetzlichen Krankenkassen aufgebracht wird.
Uns ist bewusst, dass diese Lösung immer noch von diejenigen als ungerecht empfunden wird, die vor 2004 einen entsprechenden Vertrag abgeschlossen und diesen aus ihrem Nettoeinkommen finanziert haben. Das Problem ist, dass die Verträge, in die vor 2004 aus dem Nettolohn eingezahlt wurde, nicht von denjenigen Verträgen getrennt werden können, in die Beiträge aus dem Bruttolohn eingezahlt wurden, da die Versicherungen über keine geeignete Datengrundlage verfügen. Deshalb haben auch wir uns im Vorfeld des Gesetzesentwurfs für die Freibetragslösung eingesetzt, die die Bundesregierung jetzt in Gesetzesform gießen wird.
Uns ist bewusst, dass diese „kleine Lösung“ insbesondere diejenigen, die vor 2004 eine Direktversicherung „aus eigener Tasche“ finanziert haben, eine nicht vollständig befriedigende Lösung darstellen mag. Gleiches gilt für Menschen, die sich mit dem Eintritt in den Ruhestand ihre Betriebsrente auf einen Schlag auszahlen lassen. Aber wir mussten in puncto finanzieller Machbarkeit, sozialpolitischer Zielgenauigkeit und technischer Durchführbarkeit eine Abwägung vornehmen und haben uns daher für den Freibetrags-Kompromiss entschieden.
Bezüglich der Grundrente teilen wir Ihre Befürchtung. Die Bundesregierung hat bereits bei der Mütterrente gezeigt, dass sie im Zweifel immer auf Beitragsmittel zurückgreift, statt eine solide Finanzierung über Steuermittel sicher zu stellen. Der bereits seit dem Frühjahr vorliegende Referentenentwurf zur Grundrente lässt ebenfalls vermuten, dass die Bundesregierung auf Beitragsmittel zurückgreifen wird. Wir werden im Gesetzgebungsverfahren auf jeden Fall die Bundesregierung dazu drängen, die Grundrente aus Steuermitteln zu finanzieren.
Mit freundlichen Grüßen
Team Annalena Baerbock