Frage an Annalena Baerbock von Wilfried N. bezüglich Öffentliche Finanzen, Steuern und Abgaben
Sehr geehrte Frau Baerbock,
In Europa werden Straßenausbaubeiträge per Gesetz nur in Deutschland und Dänemark eingefordert. Von 16 Bundesländern in Deutschland haben 9 Bundesländer die ungerechten und unsozialen Straßenausbaubeiträge abgeschafft. In Niedersachsen z. B. haben von über 900 Kommunen ca. 400 die Straßenausbaubeiträge abgeschafft.
Welche Lösung bieten Sie in Zukunft den Wählerinnen und Wählern in Deutschland, in Verbindung der Gleichbehandlung nach (Art. 3 Abs. 1 GG) an?
MFG Wilfried Nöhring
Sehr geehrter Herr Nöhring,
vielen Dank für Ihre Nachricht. Kommunen können Straßenbeitragssatzungen erlassen. Dies erfolgt im Rahmen der Kommunalen Abgabenordnung des jeweiligen Bundeslandes. Der Bund hat auf die Gestaltung der Kommunalen Abgabenordnungen also keinen Einfluss. Ebenso hat er keinen Einfluss auf die Länder, ob diese ihren Kommunen ermöglichen, Straßenbeiträge zu erheben oder nicht. Es ist gute Gepflogenheit im Föderalismus, sich von Bundesseite aus nicht in einzelne Entscheidungen der Länder einzumischen. Gleichwohl möchten wir etwas zu den Hintergründen sagen, die Kommunen dazu veranlassen, Straßenbeiträge zu erheben. Die Finanzlage der Kommunen ist nicht überall rosig. Viele Kommunen in Deutschland haben kaum mehr Mittel, um ihren Pflichtaufgaben nachzukommen. Für die freiwilligen Aufgaben bleibt dann überhaupt kein Spielraum mehr. Deshalb werden mancherorts Schwimmbäder geschlossen, Bibliotheken aufgegeben, können Schuldächer nicht repariert werden – um nur einige Beispiele zu nennen. Von Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in Deutschland kann man leider nicht reden. Die Corona-Krise verschärft diese Problematik noch.
Die Kommunen selbst haben kaum Spielraum, um ihre finanzielle Situation zu verbessern. Sie können lediglich die Hebesätze der Grund- und Gewerbesteuern selbständig gestalten. Aus diesem Grund müssen Kommunen Straßenbeiträge erheben, um die Kosten beim Ausbau der Straßen überhaupt schultern zu können. Aus unserer Sicht ist die Finanzlage der Kommunen nicht befriedigend geregelt. Bund und Ländern müssen die Kommunen finanziell besser ausstatten. Zwar ist mit der Erhöhung der Bundesbeteiligung an den Kosten der Unterkunft in Zusammenhang mit der Corona-Krise schon ein wichtiger Schritt geschafft, die Kommunen von den Sozialkosten etwas zu entlasten. Gleichwohl reicht das nicht aus, um die Handlungsfähigkeit der Kommunen überall in Deutschland wiederherzustellen. Deshalb fordern wir zum Beispiel, dass Bund und Länder die Steuermindereinnahmen der Kommunen in der Corona-Krise weiter ausgleichen (das ist bislang nur für das Jahr 2020 zugesagt worden).
Zudem fordern wir die Einführung einer neuen Gemeinschaftsaufgabe „Regionale Daseinsvorsorge“, die vor allem strukturschwachen Regionen helfen soll, ihre Zukunft vernünftig zu gestalten. Wir wollen eine Altschuldenhilfe, um den stark verschuldeten armen Kommunen unter die Arme zu greifen. Außerdem wollen wir die Förderprogramme so umbauen, dass sie von den Kommunen auch abgerufen werden können. Ein Investitionsfonds des Bundes soll den Kommunen helfen, Mittel für wichtige Investitionen vor Ort abrufen zu können.
Wenn die Kommunen finanziell so ausgestattet sind, dass sie die nötigen Investitionen tätigen und ihren freiwilligen wie Pflicht-Aufgaben nachkommen können, so wird die Frage der Erhebung von Straßenbeiträgen künftig keine Rolle mehr spielen.
Mit freundlichen Grüßen
Team Annalena Baerbock