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Annalena Baerbock
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Frage von Robert Z. •

Frage an Annalena Baerbock von Robert Z. bezüglich Öffentliche Finanzen, Steuern und Abgaben

Sehr geehrte Frau Baerbock,

zur Erbschaftssteuer haben Die Grünen ja noch keine Aussage über deren Ausgestaltung im Falle einer Regierungsbeteiligung nach der nächsten Bundestagswahl gemacht. Nur von der Grünen Jugend kommen Vorschläge dazu, die besagen, dass nur ein Freibetrag von 1 Mio. EUR pro Erblasser gewährt werden soll, alles darüber hinaus soll zu 100% (!) besteuert werden. Wie stehen Sie zu diesem Vorschlag?
Finden Sie es fair, wenn beispielweise ein Erblasser mehrere Kinder hat, so dass das steuerfreie Erbe dann entsprechend geringer ist? Wenn ein Erblasser (wenn nur ein Erblasser-Elternteil Vermögen hat und geschieden ist) beispielsweise vier Kinder hat, dann bekommt jedes nur EUR 250.000, der Rest wird enteignet. Nun, dass ist zwar besser als nichts, aber so wird Wohlstand vernichtet, weil man mit EUR 250.000 weiterhin der Knecht der Arbeitswelt bleibt, bei Jobverlust/Berufsunfähigkeit dies nicht zur Absicherung reicht (zumindest dann wenn man eine eigene Familie zu versorgen hat) und damit sich in heutigen Zeiten nicht mal eine eigene Wohnung leisten kann, zumindest wenn man noch selbst Kinder hat und nicht alleine lebt. Die Argumentation der Grünen Jugend "jeder kann sich doch selbst was aufbauen und soll nichts geschenkt bekommen" macht jeden zum Sklaven der Leistungsgesellschaft/Arbeitswelt, obwohl sie doch eigentlich sozial sein wollen, und wer gutes Arbeitseinkommen heutzutage haben will muss sich fast zum Sklaven machen!
Für was sollen die Leute sparen, wenn ihnen es nachher zu 100% weggenommen wird!
Halten Sie dies für angemessen und fair? Halten Sie einen Steuersatz von 100%, also Enteignung für angemessen?

Ich freue mich schon auf Ihre Antwort darauf, bin sehr gespannt und bedanke mich dafür.

Mit freundlichen Grüßen
Robert Zillner

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Z.,

vielen Dank für Ihre Nachricht. Wir Grüne setzen uns für ein gerechtes Steuersystem ein, in dem jeder entsprechend seiner Leistungsfähigkeit einen fairen Anteil zur Finanzierung des Gemeinwohls beiträgt. Dazu gehört für uns auch, eine angemessene Besteuerung von Vermögen sicherzustellen. Die Vermögensungleichheit in Deutschland hat stark zugenommen und liegt weit über dem EU-Durchschnitt. Ein Grund dafür ist, dass es sehr reichen Menschen möglich ist, durch Gestaltungen einer Besteuerung von Vermögen nahezu komplett zu entgehen - etwa bei der Erbschaftssteuer.

Wir wollen eine weitere Spaltung der Gesellschaft in Arm und Reich verhindern und setzen uns deshalb für eine angemessenere Besteuerung von Vermögen ein. Wir Grüne haben über die Wahl der geeignetsten und angemessensten Instrumente intensiv diskutiert. Wie im Wahlprogramm gemeinsam beschlossen, ist die Einführung einer neuen Vermögensteuer unser bevorzugtes Instrument um der ungleichen Vermögensverteilung entgegen zu wirken. Mit den Einnahmen aus der Vermögensteuer sollen die Länder die wachsenden Bildungsaufgaben finanzieren. Mit besserer Bildung wollen wir die Chancengleichheit erhöhen und allen eine bessere Teilhabe ermöglichen. Damit schaffen wir mehr soziale Gerechtigkeit.

Denn heute ist es so, dass das durchschnittliche Nettovermögen bei erwachsenen Personen 108.449 Euro beträgt. Der Medianwert der Vermögensverteilung, also der Betrag, der die reichere Hälfte von der ärmeren trennt, lag hingegen bei nur 26.260 Euro. Damit wird deutlich, dass die Hälfte der Erwachsenen in Deutschland über ein Vermögen von weniger als 26.260 Euro verfügt, obwohl das durchschnittliche Vermögen mehr als viermal darüber liegt. Bei der Frage, in welcher Höhe Freibeträge bei der Erbschaftsteuer gerecht sind, sollte man auch diese Werte berücksichtigen. Die Vielzahl der Menschen würde somit auch bei einem Freibetrag von bspw. 250.000 Euro vollständig von der Erbschaftsteuer verschont bleiben. Die konkreten Daten zur Vermögensverteilung lassen sich bspw. bei der Bundeszentrale für politische Bildung unter dem nachfolgenden Link einsehen https://www.bpb.de/nachschlagen/zahlen-und-fakten/soziale-situation-in-deutschland/61781/vermoegensverteilung.

Im Bereich der Erbschaftsteuer wollen wir aber bestehende unfaire Gestaltungsmöglichkeiten abbauen, um einfache Umgehungen der Steuer, wie bspw. im Rahmen der Verschonungssbedarfsprüfung bei Erbschaften von mehr als 26 Millionen Euro, oder ungerechten Ausnahmen, wie etwa bei der Begünstigung von Wohnimmobilien zu verhindern. Denn gerade bei letzterem Beispiel ist es nicht verständlich, warum die Übertragung von mindestens 300 Wohnungen erbschaftsteuerlich befreit werden kann und die Übertragung von 3 Wohnungen nicht.

Im Sinne der Steuergerechtigkeit setzen wir uns bei der Erbschaftsteuer somit für gezielte Verbesserungen bei der Erbschaftsteuer ein, beabsichtigen jedoch keine grundlegende Reform. Ziel aller Änderungen muss sein, dass Erbschaften und Schenkungen angemessen besteuert werden.

Mit freundlichen Grüßen
Team Annalena Baerbock

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