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Annalena Baerbock
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Katrin F. •

Frage an Annalena Baerbock von Katrin F. bezüglich Bildung und Erziehung

Wie rechtfertigen Sie die Tatsache, dass ich täglich zur Arbeit kann, mein Arbeitgeber mich nicht zum Homeoffice auffordert,
unser Büro in voller Präsenz besetzt ist, wir am Platz keine Masken tragen und uns nicht testen lassen müssen, während meinem Kind ständig die Schule geschlossen wird, er durchgehend Maske trägt, er sich zweimal wöchentlich testen muss, die Klasse nur halb unterrichtet wird und dennoch die Öffnung an eine Inzidenz genknüpft ist? Wie kann es sein, dass andere europäische Länder (wie leben direkt an der Schweizer Grenze) trotz B.1.1.7 die Kinder nicht ihren Bildungschancen berauben? Kein anderes
Land sperrt seine Kinder so lange und konsequent Zuhause ein wie wir und das wird uns dann als staatliche Fürsorge verkauft. Wann können unsere Kinder wieder damit rechnen ihr Recht auf Bildung und Teilhabe zurück zu bekommen? Warum müssen diese kleinen Schultern eine Last tragen, die man Erwachsenen nicht zumutet? Warum werden die Warnungen von Experten (andere als Herr Lauterbach) ignoriert? Warum wird uns immer mehr suggeriert, dass die Kinder einen Großteil zum Pandemiegeschehen beitragen wo sie doch nur das Pandemiegeschehen im Allgemeinen widerspiegeln? Warum wurden Lehrer und Erzieher in BW prioritär geimpft? Warum werden unsere Kinder aktuell so offensichtlich diskrimiert? Viele Fragen! Wie kann man eine Partei wählen, die sich nicht schlagkräftig für Kinderrechte einsetzt?

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrte Frau F.,

vielen Dank für Ihre Nachricht. Die pandemische Lage bleibt besorgniserregend. Es war ein Fehler, die Coronamaßnahmen Anfang März ohne die nötigen Schutzvoraussetzungen zu lockern. Die dritte Welle ist nicht gebrochen, die Intensivstationen sind am Limit, viel zu viele Menschen werden krank und sterben. Die aktuelle epidemische Lage erfordert seit Wochen unverzügliches und umfassendes Handeln. Eine absehbare Entwicklung, die weiteres Leid erzeugt und für unsere Krankenhäuser und gesamte Gesellschaft zur immer größeren Belastung wird. Wir müssen dafür sorgen, dass sich deutlich weniger Menschen an dem gefährlichen Virus und seinen Mutationen anstecken. Es wäre absolut falsch, sich jetzt monatelang noch durchzuwursteln. Die Folge wären sehr konkret: hunderttausende unnötige Krankheiten, viele mit Spätfolgen, tausende vermeidbare Tote.

Die Bundesregierung hat die vergangenen Wochen erst ungenutzt verstreichen lassen und dann mit zu wenig Ambition versucht, die Löcher mit einem Notbehelf zu flicken. Dabei ist es der Bundesregierung auch im 13. Monat der Pandemie nicht gelungen ein schlüssiges und ausgewogenes Gesamtkonzept vorzulegen, mit dem wir das Pandemiegeschehen effektiv in den Griff bekommen. Es ist richtig, dass nun endlich zumindest eine bundeseinheitliche Notbremse beschlossen wird. Um eine weitere Eskalation der Lage zu verhindern, haben wir uns in zahlreichen Gespräche mit der Großen Koalition für dringende Nachbesserungen an diesem Paket eingesetzt und konnten Verbesserungen erzielen: schärfere Regelungen fürs Homeoffice, stärkere Schutzvorschriften für die Schulen, andererseits Regelungen, die die Notbremse lebenspraktischer und damit umsetzbarer machen.

Dennoch reicht diese Notbremse nicht aus. Zu spät handeln wir bereits seit Wochen, jetzt dürfen wir nicht auch noch weiterhin zu wenig tun. Eine zu einseitige Politik, die vor allem Restriktionen für Bildung und Privatleben vorsieht, ist weder konsequent genug, um uns vor der Epidemie zu schützen, noch verhältnismäßig. Angesichts der angespannten Pandemielage stehen wir einer schnellen Umsetzung jedoch nicht im Weg und enthalten uns deshalb bei der Abstimmung zum Gesetzesentwurf.

Es war richtig und wurde von uns seit langem gefordert, die Debatte und den Beschluss von Maßnahmen und Beschränkungen zur Eindämmung der Corona-Epidemie in den Deutschen Bundestag zu holen. Dieser schwache Start aber verdient kein Lob. Durch ihre Weigerung, die Arbeitswelt wirklich verbindlich in die Pflicht zu nehmen, setzen Union und SPD die Wirksamkeit dieser Bremse aufs Spiel. Es ist absolut unverständlich, dass wir keine verbindliche Testpflicht in der Wirtschaft bekommen, mit der Infektionen am Arbeitsplatz wirksam eingedämmt werden können. Der Arbeitsschutz für die Beschäftigten ist nicht gegeben, weil ohne Pflicht auch nicht getestete, womöglich erkrankte Personen nicht von der Arbeitsstelle fern gehalten werden können. Anders als in den Schulen zum Beispiel. Es ist, als würde man beim Treppenbau aufs Geländer verzichten, in der Annahme, die Leute würden schon nicht so nah an den Rand gehen. Ausgangssperren können aufgrund ihrer freiheitsbeschränkenden Wirkung nur Teil eines schlüssigen Gesamtkonzepts und ultima ratio sein. Durch ihr Zögern in der Arbeitswelt verursacht die Bundesregierung stattdessen eine erhebliche Rechtsunsicherheit hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit von Ausgangsbeschränkungen. Es fehlt auch an gesetzlichen Ausnahmen für Menschen, die bereits geimpft sind. Die Rücknahme von Beschränkungen für Geimpfte darf nicht im Ermessen der Bundesregierung liegen, sondern bedarf einer zwingenden gesetzlichen Grundlage.

Verbesserungen, die wir Grüne erreichen konnten:
- Mehr Sicherheit in Schulen: Der besonderen Infektiösität der B117 Variante wird stärker Rechnung getragen als vorher und die Sicherheit in Schulen erhöht: Dort sind nun inzidenzunabhängig zwei wöchentliche Tests von Schüler:innen und Lehrkräften als Voraussetzung für den Präsenzunterricht vorgeschrieben. Bereits ab einer 100er-Inzidenz ist nur noch Wechselunterricht zulässig. Präsenzunterricht ist nun bereits ab einer Inzidenz von 165 untersagt.
- Besserer Schutz von Beschäftigten: Die Regelungen zur Homeoffice-Angebotspflicht wurden verschärft. Das Arbeiten von Zuhause darf vom Arbeitgeber nur noch verweigert werden, wenn zwingende betriebliche Gründe dagegen stehen. Das ist eine hohe Hürde.
- Ausgewogenere und trotzdem wirksame Regeln bei Freizeitaktivitäten und Familien mit Kindern, indem die unterschiedlichen Infektionsrisiken in Innen- und Außenbereichen besser unterschieden werden: Die Außenbereiche von Zoos und botanischen Gärten können nun unter strengen Schutz- und Hygienevorschriften geöffnet und Sport für Kinder bis 14 Jahren ist auch in 5er Gruppen im Freien möglich.
- Die Transparenz bei den Corona-Regeln wurde verbessert: Die Geltungsdauer der Maßnahmen muss nun unverzüglich ortsüblich bekanntgegeben werden.

Für uns ist klar, dass nicht Schulen und Kitas geschlossen werden dürfen, während sich Arbeitgeber gegen das Home Office oder Testungen stemmen und andere Orte geöffnet werden. Bildungseinrichtungen müssen bei politischen Entscheidungen Priorität genießen. Denn Schulschließungen führten und führen bei vielen Kinder und Jugendliche zu großen gesundheitlichen und psychischen Belastungen sowie weiteren Lernlücken.

Und zum Schluss: Wir fordern seit Juni 2020 einen wissenschaftlichen Pandemierat, der Bundestag und Bundesregierung interdisziplinär beraten und eine längerfristige Strategie entwickeln soll.
https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/205/1920565.pdf

Mit besten Grüßen
Team Annalena Baerbock

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