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Annalena Baerbock
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Dr. Lienhard W. •

Frage an Annalena Baerbock von Dr. Lienhard W. bezüglich Lobbyismus & Transparenz

Sehr geehrte Frau Baerbock,

auf Spiegel-online lese ich am 15. März 2021:

"Vorhaltungen ..., wonach es in der Union ein strukturelles Problem bei der VERMISCHUNG VON ÖFFENTLICHEN MANDATEN UND PRIVATEN INTERESSEN gebe, empfinde er als »ehrabschneidend«, schimpfte Generalsekretär Paul Ziemiak laut Teilnehmern."

Der Bundestagsabgeordnete Ph. Amthor (CDU) hat für die US-Firma "Augustus Intelligence" als Lobbyist einen Brief an Bundeswirtschaftsminister Altmaier geschrieben. Als Gegenleistung für seine Lobbyarbeit hat die US-Firma ihn mit Aktienoptionen und einem Firmenposten bezahlt.

Bezahlte Lobbyarbeit - und welche FOLGEN hat dieser Mißbrauch seines Mandates für den Bundestagsabgeordneten Ph. Amthor?

Inzwischen ist Herr Amthor Spitzenkandidat der CDU in Mecklenburg-Vorpommern.

Und Armin Laschet kommtiert:

Philip Amthor "ist quasi so etwas wie DER NACHFOLGER VON ANGELA MERKEL AUF PLATZ 1 DER LANDESLISTE, und es ist ein schönes Gefühl, Nachfolger von Angela Merkel zu sein." (Quelle: Stefan Ludmann NDR 1 Radio MV, am 6. März 2021)

Daher meine Frage an Sie:
Hat die CDU/CSU ein strukturelles Problem bei der Vermischung von Abgeordneten Mandaten mit privaten Interessen? Und falls ja, was bedeutet das für eine mögliche Koalition der Grünen mit der Union?

Beste Grüße
Lienhard Wawrzyn

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr W.,

vielen Dank für Ihre Anfrage. Sie haben völlig recht. Das Verhalten von einzelnen Mitgliedern der Union hat dem Vertrauen und dem Ansehen von Politik geschadet.

Der Austausch von Politik und Interessenvertreter*innen ist wichtig für eine funktionierende Demokratie. Eine sachliche Debatte und auch die vielen Stimmen aus der Gesellschaft gehören ebenso dazu. Lobbyistinnen und Lobbyisten bringen wichtige Erfahrungen aus ihrer Praxis in den Prozess der politischen Meinungsbildung ein, gleichwohl hat ihr Einfluss auf politische Entscheidungsprozesse zugenommen.

Wir von Bündnis 90/Die Grünen setzen uns daher gegen den Widerstand der CDU/CSU/SPD-Bundesregierung seit Jahren dafür ein, dass die organisierte Interessensvertretung transparenter und nachvollziehbarer wird und gleiche Ausgangsbedingungen für alle Akteur*innen der Zivilgesellschaft bestehen. Gemeinsam mit der Zivilgesellschaft fordern wir deshalb ein gesetzliches Lobbyregister mit legislativem Fußabdruck. Wir sind der Überzeugung, dass Vertrauen dann entsteht, wenn Entscheidungen transparent und nachvollziehbar sind. Deshalb haben wir bereits zu Beginn der Legislaturperiode unseren Antrag zum Lobbyregister in den Bundestag eingebracht. Alle Interessengruppen sollten – unabhängig von ihrer finanziellen Ausstattung – gleiche Zugänge zu Abgeordneten und zur Regierung haben.

Ein Eintrag im Lobbyregister mit Auskünften über Auftraggeber*innen, Budget, Finanzquellen und Interessensgebieten der Lobbyist*innen muss Voraussetzung dafür sein, dass ein Austausch mit der Politik stattfinden kann. Uns ist wichtig, dass dieses Register für alle Bürger*innen offenliegt und im Netz abzurufen ist. Ohne Eintrag im Lobbyregister soll es keinen Zugang zur Regierung geben und auch keine Teilnahme an Anhörungen im Bundestag. Mit einem Verhaltenskodex für Lobbyist*innen wollen wir sicherstellen, dass Fehlverhalten auch sanktioniert werden kann.

Aus der Großen Koalition kam in dieser Legislaturperiode lange nichts in Sachen Lobbytransparenz, zu uneinig waren Union und SPD. Die Affäre um Philipp Amthor veranlasste die Koalition schließlich, einen leider unzureichenden Gesetzentwurf für ein Lobbyregister vorzulegen. Entsprechend kritisch waren die Stellungnahmen der Sachverständigen: zu viele Ausnahmen, kein legislativer Fußabdruck, zu wenig Transparenz. Die internen Streitigkeiten der Koalition blockierten die weiteren Beratungen.

Die zwischenzeitlichen Nachrichten über eine Einigung stimmen nicht optimistisch: Offenbar wird es keinen legislativen Fußabdruck geben. Dies ist eine große Enttäuschung und ein falsches Signal. Auch große Wirtschaftsverbände kritisieren die Ankündigungen der Koalition zum Lobbyregister als unzureichend. Die Cum-ex-Geschäfte, der Abgasskandal, die PKW-Maut und jetzt die Masken-Affäre zeigen, dass wir mehr, nicht weniger Transparenz brauchen.

Dafür brauchen wir ein gesetzliches Lobbyregister mit klaren Regeln und einen legislativen Fußabdruck. Nur so schaffen wir Vertrauen in politische Entscheidungsfindung und demokratische Institutionen. Unseren Antrag, den wir bereits zu Beginn der Wahlperiode eingebracht haben, finden Sie unter https://dipbt.bundestag.de/doc/btd/19/008/1900836.pdf

Mit freundlichen Grüßen
Team Annalena Baerbock

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