Frage an Annalena Baerbock von Simon K. bezüglich Europapolitik und Europäische Union
Sehr geehrte Frau Baerbock,
angesichts der dramatischen Umstände in Brasilien, sehe ich Handlungsbedarf. Ein Despot, der Brandrodung des Beantmungsgerätes der Welt (Amazonas) zulässt und durch Kürzung von Geldern fördert, muss die EU handeln. Was kann getan werden? Gerade durch das Mercosur-Abkommen kann die EU Druck aufbauen. Angesichts der Lage empfinde ich nur noch Weltschmerz.
Ist eine Blauhelm Mission notwendig?
Sehr geehrter Herr Klanke,
vielen Dank für Ihre Nachricht. Wir sind der Auffassung, dass eine verantwortungsvolle und langfristig tragfähige Handelspolitik wirtschaftliche Interessen, Klima- und Umweltschutz, nachhaltige Entwicklung sowie den Schutz der Menschenrechte in Einklang bringen muss. Es braucht einen Handel, der auf faire Spielregeln setzt und sich im Sinne der UN-Nachhaltigkeitsagenda und des Pariser Klimaabkommens in den Dienst des Gemeinwohls stellt. Hohe Standards müssen zum Ziel und nicht zur Zielscheibe von Handelsabkommen werden.
Diesem Anspruch wird die deutsche Bundesregierung seit vielen Jahren nicht gerecht. Besonders deutlich wird dies im Falle des EU-Mercosur-Assoziierungsabkommens, das einseitig auf wirtschaftliche Interessen ausgerichtet ist und nicht ausreichend Sorge für den Schutz von Umwelt, Klima und Menschenrechten trägt. Der politische Abschluss des Abkommens in der aktuellen Form und in einer Zeit, in der in Brasilien unter Präsident Jair Bolsonaro Umweltschutz und Menschenrechte immer stärker erodieren, war aus unserer Sicht ein schwerer Fehler.
Die Grüne Fraktion hat aus diesem Grund im Januar dieses Jahres den Antrag „Klima und Menschenrechte schützen – EU-Mercosur-Assoziierungsabkommen stoppen“ (Drucksache 19/16495, https://dipbt.bundestag.de/doc/btd/19/164/1916495.pdf) in den Bundestag eingebracht. Darin haben wir die Bundesregierung aufgefordert, sich im Rat der EU für einen Stopp der Ratifizierung des jetzigen EU-Mercosur-Abkommens und für Nachverhandlungen auf Grundlage eines neuen Mandats einzusetzen. Ein solches neues Mandat muss aus Sicht der Grünen Bundestagsfraktion für alle handelsrelevanten Kapitel Regeln für den Schutz und Erhalt von Umwelt, Biodiversität und Klima vorsehen. Auch ein sanktionierbares Nachhaltigkeitskapitel, Vereinbarungen zum Erhalt des Amazonas-Regenwaldes in seiner jetzigen Größe und ein wirksamer Beschwerdemechanismus für Menschenrechtsverletzungen dürfen nicht fehlen. Der Pariser Klimavertrag muss als wesentlicher Bestandteil verankert werden, so dass ein Austritt aus dem Vertrag oder dessen Nicht-Einhaltung dazu führt, dass der Handelsvertrag gekündigt bzw. ausgesetzt werden kann.
Auch fordern wir von der Bundesregierung, dass sie sich auf EU-Ebene für einen effektiven Importstopp für Agrarprodukte einsetzt, die im Zusammenhang mit der Zerstörung von Waldflächen und anderen ökologisch bedeutsamen Gebieten sowie Menschenrechtsverletzungen und Landraub stehen. Die Grüne Fraktion setzt sich zudem sowohl im Bundestag als auch im Europaparlament für einen nationalen und europäischen gesetzlichen Rahmen ein, der sicherstellt, dass unsere Lieferketten frei sind von Menschenrechtsverletzungen, Entwaldung und grenzenlosem Flächenverbrauch sowie anderen Umweltverbrechen.
Besonderen Schutz bedürfen die indigenen Völker in den Gebieten des Mercosur. Ein Mechanismus für zivilgesellschaftliche Beschwerden sowie Möglichkeiten für Ausgleichsmaßnahmen bei Menschenrechtsverletzungen würde ihre Stellung gegenüber staatlichen und privatwirtschaftlichen Akteuren verbessern. Im Rahmen der Konvention über die Rechte der indigenen Völker muss ihre Position aber auch grundsätzlich gestärkt werden.
Gleichzeitig müssen wir auch in Deutschland unsere Hausaufgaben machen. Nur wenn wir selbst unsere Verpflichtungen nach dem Pariser Klimaabkommen einhalten, können wir unseren Forderungen, den Amazonas-Regenwald im Interesse des Klimas zu schützen, die notwendige Glaubwürdigkeit verleihen. Dazu gehört auch, die Inanspruchnahme von landwirtschaftlichen Flächen im globalen Süden durch die EU-Mitgliedstaaten zu reduzieren, zum Beispiel durch den Anbau von alternativen Futterpflanzen in der EU und verringerte Futtermittelimporte.
Mit freundlichen Grüßen
Team Annalena Baerbock