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Annalena Baerbock
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Frage von Melanie B. •

Frage an Annalena Baerbock von Melanie B. bezüglich Energie

Wie werden Sie am 3.7. im Bundestag stimmen, wenn das neue Kohleausstiegsgesetz verabschiedet werden soll? Die Mitglieder der Kohlekommission kritisieren, dass es hinter dem ausgehandelten Mindestkompromiss zurückbleibt. Die nun vorgesehenen Fördermengen liegen deutlich höher als im Entwurf vereinbart.
Zudem zementiert es Kohleverstromung für 18 weitere Jahre, obgleich sie schon jetzt nur durch Subventionen von Steuerzahlenden wirtschaftlich ist. Durch öffentlich-rechtliche Verträge mit RWE und LEAG würde ein früherer Ausstieg (und er wird kommen) die Steuerzahlenden > 4 Milliarden Eur kosten, Geld welches wir dringend für den sozialverträglichen ökologischen Wandel brauchen werden, insbesondere weil wir schon jetzt die Mittel künftiger Generationen für Konjunkturhilfen ausgeben.
Bitte denken Sie an Ihre Kinder und die Bundesländer an den Küsten, welche lt. wissenschaftlicher Studien stark vom Meeresspiegelanstieg betroffen ist, wenn wir nicht berherzt umsteuern. Oder an die Dürre in Ihrem Bundesland.
Wenn Sie für diese Vorlage stimmen, wird Sie das die Wählerstimmen einer ganzen Generation kosten und an Ihnen haften wie Hartz-IV an der SPD. Es gibt inzwischen Alternativen (Klimaliste, Radikal Klima) und immer noch die Linke.

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrte Frau Dr. Bergmann,

vielen Dank für Ihre E-Mail. Dass in Deutschland der Kohleausstieg kommt, ist ein Erfolg zahlreicher Gruppen, Initiativen, Aktivist*innen und Betroffener, die sich über Jahrzehnte unermüdlich dafür eingesetzt haben, dass Deutschland die Kohleverstromung beendet. Allerdings verfehlt die Bundesregierung mit ihrem Gesetz die Umsetzung des Kompromisses der sog. Kohlekommission, deren Empfehlungen als Grundlage für den Kohleausstieg galten.

Wir als grüne Bundestagsfraktion fordern bereits seit langem einen Kohleausstieg. Aus unserer Sicht müssen die Stilllegungen v.a. der klimaschädlichen Braunkohlekraftwerke früher und kontinuierlich erfolgen und nicht – wie im Gesetz der Bundesregierung vorgesehen - überwiegend erst Ende der 20er Jahre und 2038. Denn es ist wichtig, dass die CO2-Emissionen frühzeitig und stetig gesenkt werden. Nur so kann Deutschland die Klimaziele erreichen und die sozial-ökologische Transformation unserer Wirtschaft weiter vorantreiben. Dafür muss allerdings der Ausbau von erneuerbaren Energien endlich angekurbelt werden, was die Bundesregierung bisher versäumt hat. Die Ausbauziele sowie jährliche Ausbaumengen müssen dringend erhöht werden, um der Erneuerbaren-Branche Planungs- und Investitionssicherheit zu schaffen.

Am Gesetzentwurf haben wir mehrere grundsätzliche Kritikpunkte: Mögliche Entschädigungszahlungen an Kraftwerksbetreiber, sofern es sie überhaupt geben soll, müssen transparent und regelbasiert geregelt werden, anstatt durch einen Vertrag. Die Große Koalition will einen goldenen Handschlag mit den Kohlebetreibern, obwohl allen Energiewirtschaflern klar ist, dass die Kohleverstromung künftig weder rentabel noch zur Deckung des Energiebedarfs notwendig sein wird. Die Devise bei den Verhandlungen schien zu sein: Noch mehr Kohle für die Kohlelobby. Zulasten der Steuerzahler und des Klimas.

Bis heute schuldet die Bundesregierung der Bevölkerung objektive Kriterien zur Begründung der Entschädigungssummen in Höhe von 4,35 Mrd. € für die Braunkohle. Es fehlt an Transparenz und Nachvollziehbarkeit. Bis heute ist nicht offen gelegt, welche wirtschaftlichen und rechtlichen Kriterien den horrenden Summen zugrunde liegen. Wir haben große Zweifel daran, dass die Summen gerechtfertigt sind.

Ohne Einsicht in diese Dokumente ist es unmöglich, eine fachlich fundierte Bewertung der Kompensationszahlungen vorzunehmen. Wir Abgeordnete konnten uns keine faktenbasierte Meinung darüber bilden, worüber wir abstimmen.

Auch ist weiter unklar, ob die Ausgleichszahlungen im Einklang mit dem EU-Beihilferecht stehen. Zudem machen sich künftige Bundesregierungen durch den Vertrag erpressbar. So könnte ein klimapolitisch notwendiger Kohleausstieg weit vor 2038 zu einem horrenden Schadensersatz zugunsten der Betreiber führen.

Wir lehnen deshalb den Vertrag ab. Er beschränkt Eingriffe künftiger Regierungen in den Stilllegungspfad und erschwert damit Klimaschutz in der Zukunft erheblich. Eine Anpassung an höhere nationale, europäische oder internationale Klimaziele muss möglich bleiben. Stattdessen brauchen wir Ordnungsrecht.

Die Bundesregierung will im vorliegenden Gesetzentwurf außerdem die energiewirtschaftliche Notwendigkeit des Tagebaus Garzweiler II im Rahmen des Kohleausstiegs feststellen. Dies wäre ein absolutes Novum und wurde von der Kohlekommission auch nicht vorgeschlagen. Mit dieser Feststellung legt die Bundesregierung rechtlich fest, dass die noch verbleibenden Dörfer und Höfe im Bereich des Tagebaus Garzweiler II durch den Tagebaubetreiber abgebaggert werden können. Dies lehnen wir ab, denn es ist unnötig, dass Menschen zum Ende der Kohleverstromung in Deutschland noch ihre Heimat verlieren. Außerdem muss der Erhalt des Hambacher Waldes rechtlich verbindlich abgesichert werden.

Warum wir das Kohleausstiegsgesetz in dieser Form ablehnen, können Sie in meiner Rede nachhören:
https://dbtg.tv/fvid/7456044

Die Gesamte Debatte können Sie hier nachverfolgen:
https://dbtg.tv/fvid/7456034

Die Klimakrise ist eine der größten Herausforderungen unserer Gesellschaft. Als grüne Bundestagsfraktion setzen wir uns daher weiterhin für den frühestmöglichen Kohleausstieg in Deutschland ein, um einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Dabei freuen wir uns über die Tatsache, dass die Mehrheit der Bürger*innen in Deutschland den Ausbau der erneuerbaren Energien unterstützt. Zusammen mit diesen Menschen wollen wir die Energiewende vorantreiben.

Mit freundlichen Grüßen
Ihre Annalena Baerbock

 

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