Frage an Annalena Baerbock von Beate S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Frau Baerbock,
halten Sie die parlamentarische Demokratie in der derzeitigen Form noch für zukunftsfähig?
Inwieweit wird das Interesse der Bürger*innen noch einbezogen? Wie wird dieses Interesse vor dem Zugriff von Konzern-, Lobbyinteressen (auch politische NGOs, die teilweise von den Konzernen bezahlt werden) geschützt bzw. in Ausgleich gebracht?
Die Bürger*innen scheinen in meinen Augen von Medien, Politik in bemerkenswert vielen Fällen vor allem als lästiges Übel betrachtet zu werden, das sich fügen soll und dem häufig nicht genügenden Durchblick beschieden zu sein scheint, um zu erkennen, was erforderlich ist und was sich gehört. Von einer Souveränität des Volkes scheinen wir weiter entfernt als jemals zuvor.
Da wird in die Souveränität des Landes Thüringen eingegriffen und demokratische Wahlergebnisse rückgängig gemacht. Da überziehen Medien nicht unwesentliche Teile der Bevölkerung fast permanent mit brutalen Schmähungen, z.B. Sexist*innen, Rassist*innen, Antisemit*innen, Verschwörungstheoretiker*innen zu sein, auch wenn diese Leute im Wesentlichen treu Ihre Leistung bringen und durch das durch sie generierte Steueraufkommen diesem Land seinen Handlungsspielraum geben.
Ich will nicht bestreiten, dass die Kritik in manchen Fällen angebracht ist, aber in ihrer Vehemenz und Pauschalisierung, wie diese vollzogen wird (auch von Politiker*innen), ist sie zutiefst schockierend und lässt mich daran zweifeln, dass man die Bevölkerung noch abholen und am demokratischen Prozess beteiligen will, man hat sie wohl aufgegeben und scheint vor allem auf Umerziehung zu setzen und den Menschen nicht zuzutrauen, dass sie ohne Vormundschaft das Richtige tun können. Glauben Sie dass dies funktionieren kann?
Mit freundlichen Grüßen
B. S.
Sehr geehrte Frau Steck,
vielen Dank für Ihre Nachricht. Bei aller Kritik an die Demokratie – halten wir sie für die beste Staatsform.
Demokratie ist weder selbstverständlich noch unveränderlich. Sie muss immer wieder neu erkämpft werden. Sie braucht Bürgerinnen und Bürger, die sich einmischen und engagieren. Sie braucht demokratische Institutionen, die für Beteiligung offen sind. Und sie zeigt sich nicht zuletzt in einem starken Parlament. Demokratie lebt vom Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Menschen, die sie im Parlament und in Institutionen vertreten. Und vom Vertrauen darin, dass Entscheidungsprozesse offen für Argumente, demokratisch und sauber sind.
Lobbyismus gibt es in allen Bereichen. Er bringt wichtige Erfahrungen aus der Praxis in den Prozess der politischen Meinungsbildung ein. Von daher ist der Austausch von Politik und Interessenvertreter*innen wichtig für eine funktionierende Demokratie. Gleichwohl hat der Einfluss von organisierten Lobbyistinnen und Lobbyisten auf politische Entscheidungsprozesse in den letzten Jahren stark zugenommen. Daher muss ihre Tätigkeit im politischen Bereich für die Öffentlichkeit transparent sein. Sie muss nach klar definierten Regeln erfolgen. Allen Interessengruppen sind – unabhängig von der finanziellen Ausstattung – die gleichen Zugangsmöglichkeiten zu Abgeordneten und zur Exekutive einzuräumen. Durch die Herstellung größtmöglicher Transparenz werden unlautere Einflüsse neutralisiert, jeglicher böse Schein wird von vornherein vermieden.
Wir Grünen setzen uns schon seit vielen Jahren für eine stärkere Lobbykontrolle und mehr Transparenz ein. So wollten wir in der vergangenen Legislaturperiode ein verpflichtendes Lobbyregister (für den Bundestag) einführen, welches von der CDU/CSU und SPD abgelehnt worden ist. Ein „legislativer Fußabdruck“ soll sichtbar machen, wer mit welchem Budget in wessen Auftrag und zu welchem Thema Einfluss auf die Politik nimmt. Doch Union und SPD wollen das Problem des versteckten Lobbyismus in Deutschland weiter aussitzen. Seit Jahren ignorieren sie, welche negativen Auswirkungen die fehlende Transparenz auf die Akzeptanz unserer Demokratie hat. Wir brauchen klare und eindeutige Regeln für Interessensvertretung in Deutschland. Viele Vorschläge liegen seit Jahren auf dem Tisch. Insbesondere die Union muss ihren Widerstand endlich aufgeben.
Auf europäischer Ebene ist der beschriebene "legislative Fußabdruck" nach jahrelanger harter Arbeit im Europaparlament eingeführt worden. Von nun an müssen die Europaabgeordneten ihre Treffen mit Lobbyisten öffentlich auflisten.
Bei all den Schwächen der Demokratie ist sie der Garant für ein freies, gerechtes und friedliches Zusammenleben. Es lohnt sich die Demokratie zu schützen, zu stärken und zu verbessern.
Abschließend möchten wir Sie noch auf die Seite der Grünen Partei verweisen, wo Sie ausführliche Informationen und Ideen zum Thema Demokratie finden.
https://www.gruene.de/themen/demokratie
Mit freundlichen Grüßen
Team Annalena Baerbock