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Annalena Baerbock
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Frage von Heike R. •

Frage an Annalena Baerbock von Heike R. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Baerbock,
viele Syrer fliehen und beantragen bei uns Asyl, weil sie nicht für Syrien in Assads Armee kämpfen wollen.
Ich habe eine ethische Frage an Sie. Falls Deutschland mal in einen NATO Bündnisfall eintreten muss, weil ein Partner (Türkei?) einen ungerechten Angriffskrieg führt, sollte ich dann für mein Land mit der Waffe kämpfen, auch ich den Krieg nicht als gerecht empfinde?
Wir leben im 21.Jhr., in einer geschichtlich stark vorbelasteten Demokratie.
Ich hoffe nie in eine solch beschriebene Situation kommen zu müssen. Aber wäre es ethisch vertretbar, wenn ich nicht für eine ungerechte Sache kämpfe? Weshalb kann man betraft werden, wenn man sich in einem derartigen Fall verweigert?
Meine Frage an Sie ist eine ganz prinzipielle Frage ! Wo stehen die Grünen politisch, wenn Ethik mit unethischer Realität kollidiert?

Mit freundlichem Gruß
H. R.

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrte Frau Rogall,

vielen Dank für Ihre Frage. Um sich ihr inhaltlich zu nähern, ist es sinnvoll, den sogenannten NATO-Bündnisfall genauer zu betrachten. Er ist in Art. 5 des NATO-Vertrags geregelt. Dieser lautet:

„Die Parteien vereinbaren, dass ein bewaffneter Angriff gegen eine oder mehrere von ihnen in Europa oder Nordamerika als ein Angriff gegen sie alle angesehen werden wird; sie vereinbaren daher, dass im Falle eines solchen bewaffneten Angriffs jede von ihnen in Ausübung des in Artikel 51 der Satzung der Vereinten Nationen anerkannten Rechts der individuellen oder kollektiven Selbstverteidigung der Partei oder den Parteien, die angegriffen werden, Beistand leistet, indem jede von ihnen unverzüglich für sich und im Zusammenwirken mit den anderen Parteien die Maßnahmen, einschließlich der Anwendung von Waffengewalt, trifft, die sie für erforderlich erachtet, um die Sicherheit des nordatlantischen Gebiets wiederherzustellen und zu erhalten.“

Wichtig ist die Unterscheidung von Angriffs- und (Selbst-)Verteidigungshandlungen. Angriffshandlungen und -kriege, d.h. die Androhung oder Anwendung von Gewalt, denen kein Angriff vorausgeht, stellen einen Verstoß gegen das Gewaltverbot aus Art. 2 Ziff. 4 der Charta der Vereinten Nationen und damit gegen internationales Recht dar. Demgegenüber spricht man von (Selbst-)Verteidigungshandlungen, wenn ein „Angriff“ vorausgeht. (Selbst-)Verteidigungshandlungen gelten als völkerrechtskonform.

Laut der Interpretation des Wissenschaftlichen Diensts des Bundestages ist Art. 5 des NATO-Vertrags klar: Voraussetzung für den NATO-Bündnisfall ist demnach ein „Angriff“ auf einen Bündnispartner. Der Wissenschaftliche Dienst unterstreicht weiterhin, der Vertragstext mache deutlich, eine automatische militärische Beistandspflicht sei nicht vorgesehen und jeder NATO-Partner entscheide frei über seine Beistandshandlung. Darüber hinaus müsse der NATO-Bündnisfall von allen NATO-Mitgliedern im Konsens beschlossen werden.

In der Konsequenz bedeutet dies, dass ein völkerrechtswidriger Angriffskrieg nicht die Voraussetzung für den NATO-Bündnisfall bilden kann (I), ohne die Zustimmung Deutschlands der NATO-Bündnisfall nicht ausgerufen werden kann (II) und Deutschland nicht gezwungen werden kann, militärisch Beistand zu leisten (III).

Wir hoffen, wir haben Ihre Frage mit dieser Ausführung beantworten können. Uns ist wichtig zu betonen, dass wir Grüne für Frieden, Abrüstung, kooperative Sicherheit und eine Kultur der militärischen Zurückhaltung stehen. Wir wollen eine wertegeleitete Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik aus einem Guss, die in Institutionen wie den Vereinten Nationen, der Europäischen Union, der OSZE, aber auch der NATO verankert ist.

Mit freundlichen Grüßen
Team Annalena Baerbock

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