Frage an Annalena Baerbock von Margitta L. bezüglich Soziale Sicherung
Liebe Annalena,
zunächst einmal ein ganz großes DANKE für deinen Einsatz für die Menschlichkeit! Seit die Grünen mehr und mehr mitmischen, habe ich (und sicher viele andere auch) endlich wieder das Gefühl, dass liebevolle Menschen sich um uns kümmern und nicht wirtschaftsorientierte Marionetten.
Das ist nicht selbstverständlich und darum ein großes DANKE!
Nun aber zu meiner Frage: wäre es möglich, dass für ALG 2-Bezieher die Stromkosten übernommen werden? Denn ich kenne viele, die wie ich, Monat für Monat kämpfen und uns den Strompreis vom Essen absparen. Anders geht es leider bei den meisten nicht. Dann isst man eben einen Monat trocken Reis oder Nudeln und dafür wird der Strom nicht abgestellt.
Das ist doch kein Zustand! Können Sie da mit den Grünen nicht mal etwas ändern, bitte?
Ich glaube, wenn der Regelsatz einfach mal vernünftig, und nicht nur um 8€, angehoben werden würde, dann wären viele Menschen erleichtert und hätten nicht so eine Existenzangst.
8€ sind sicher lieb gemeint und ich will nicht undankbar klingen. Aber 8€ machen kaum einen Unterschied.
50€ wären hilfreich. Das ist der durchschnittliche Strompreis, denke ich. Und damit könntet ihr uns helfen.
Ich hoffe, dass diese Bitte nicht zu aufdringlich ist.
Ich wünsche allen von den Grünen frohe Festtage und einen guten Rutsch ins Jahr 2020♥
Margitta
Liebe Frau L.,
vielen Dank für Ihre Nachricht. Sie haben absolut Recht. Seit Jahren bewegt sich die Anzahl der Stromsperren auf einem konstant hohen Niveau. Im Jahr 2018 waren es rund 300.000. Die individuellen Folgen sind eklatant. Ohne Strom kann man keine warme Mahlzeit zubereiten, keine Lebensmittel im Kühlschrank lagern, keine Hausaufgaben machen. Ohne Strom ist keine soziale Teilhabe möglich. Der zuletzt leichte Rückgang der Stromsperren ist jedoch keine Beruhigung, denn auch im letzten Jahr wurde wieder weit mehr als einer halben Million Menschen der Strom abgedreht. Ein Armutszeugnis für Deutschland. Während die Bundesregierung die hohe Anzahl von Stromsperren seit Jahren ignoriert, gehen Kommunen und Verbraucherzentralen vor Ort voran und versuchen, im Rahmen der Möglichkeiten Stromsperren zu bekämpfen. Es ist an der Zeit, dass die Bundesregierung endlich aus ihrem Dornröschenschlaf erwacht und zu handeln beginnt.
Von Energiearmut sind besonders stark diejenigen betroffen, die ohnehin schon über ein zu niedriges oder aber gar keinen eigenes Einkommen verfügen. Anstatt diese Menschen zu stigmatisieren, sollten wir eher über Lösungsansätze nachdenken, die zu einer Verbesserung dieser Situation beitragen. Deshalb haben wir im Bundestag einen Antrag zur Verhinderung von Stromsperren vorgelegt: http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/19/099/1909958.pdf
Etwa die Hälfte der Stromsperren entfallen auf Menschen in der Grundsicherung. Die Regelsätze sind eh schon so sehr auf Kante genäht, dass Menschen in der Grundsicherung kaum ihre täglichen Bedarfe decken können. Geht eine Waschmaschine kaputt oder droht eine Nachzahlung, geraten Menschen oft in eine Verschuldungsspirale. Seit der Einführung von Hartz IV sind die Stromkosten stärker gestiegen als der Stromkostenanteil im Regelsatz. Wir fordern, den Regelsatz zu erhöhen sowie die Kosten für Strom aus dem Regelsatz auszulagern und jährlich dem tatsächlichen Strompreis anzupassen. So wird sichergestellt, dass die Stromkosten in Haushalten im Grundsicherungsbezug sicher gedeckt sind, auch wenn sich die Strompreise schnell verändern. Zudem müssen Sanktionen auf die Kosten für Unterkunft und Heizung abgeschafft werden.
Stromsperren können verhindert werden, zum Beispiel durch eine direkte Zahlung der Stromkosten an die Stromerzeuger, sobald es Zahlungsausstände gibt. Außerdem müssen die Hürden für eine Sperre angehoben und die Kosten für Mahnung und Entsperrung gedeckelt werden, sonst droht schnell eine Verschuldungsspirale.
Zudem ist es unerklärlich, wie die Kosten für eine einzelne Stromsperre zwischen 2 und 199 Euro schwanken können. Die hohen und extrem unterschiedlichen Kosten für die Mahnung, Stromsperre und Versorgungswiederherstellung müssen begrenzt bzw. vereinheitlicht werden. Denn durch die entstehenden Folgenkosten steigt die Gefahr, erneut von einer Stromsperre belegt zu werden oder in weitere Verschuldungsspiralen zu geraten.
Einige Länder, wie z.B. Frankreich, zeigen bereits wie effektiv gegen das Problem der Energiearmut vorgegangen werden kann. So werden in Frankreich keine Stromsperren in den Wintermonaten vorgenommen. Auch hierzulande gibt es auf kommunaler Ebene Kooperationen zwischen Betroffenen, Energieversorgern und den Jobcentern, um solche Fälle zu vermeiden. Wir wollen, dass solche Kooperationen im gesamten Bundesgebiet stattfinden und die Betroffenen die notwendige Unterstützung erhalten.
Der beste Schutz gegen hohe Energiekosten ist ein geringer Verbrauch. Doch gerade Erwerbslose müssen viel Zeit zu Hause verbringen und haben deswegen auch höhere Energiekosten. Zudem ist für Menschen mit niedrigem Einkommen die Anschaffung energiesparender Geräte aus finanziellen Gründen häufig nicht möglich. Ärmere Haushalte müssen beim Energiesparen stärker unterstützt und die Anschaffung energiesparender Geräte ermöglicht werden.
Die Bundesregierung redet das Problem der Energiearmut in Deutschland klein. Sie weigert sich sogar, den Vorschlag der EU umzusetzen und Energiearmut jährlich zu messen. Deswegen fordern wir einen nationalen Aktionsplan zur Bekämpfung von Energiearmut.
Mit freundlichen Grüßen
Team Annalena Baerbock