Frage an Annalena Baerbock von Kurt Z. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrte Frau Baerbock,
ca. 6,5 Millionen Direktversicherte oder Betriebsrentner in der BRD fühlen sich „erst angelockt und dann abgezockt“ wenn der bereits vor 2004 geschlossene Vertrag zur vermeintlich privaten Altersvorsorge ausgezahlt wird.
Denn dann müssen ca. 20% der selbst angesparten Auszahlungssumme an die GKV abgeführt werden.
Auch ich gehöre zu den Betroffenen und habe an Sie als gewählten Vertreter im Deutschen Bundestag Fragen.
Wie wollen Sie bzw. Ihre Partei diese Ungerechtigkeit in der privaten Altersvorsorge, in Form der doppelten Beiträge zur Kranken-und Pflegeversicherung beseitigen?
Wie erklären Sie bzw. ihre Partei den Betroffenen und gleichzeitigen Wählern den Eingriff in bestehende Verträge?
Der uralte Grundsatz (pacta sund servanda) also das Prinzip der Vertragstreue im Recht ist einfach ausgehebelt worden.
Derzeit verfügen die GKV über ein finanzielles Polster von ca. 30Mrd. €.
Die im Koalitionsvertrag vereinbarte Ausgleichszahlung durch den Bund an die GKV für die ALG II-Empfänger findet bisher nicht statt
Wann wird die „Abzocke“ der Direktversicherten und Betriebsrentner endlich gestoppt und ein Lastenausgleich der betroffenen Bürger, einschließlich derer die bereits zahlen oder schon gezahlt haben, vorgenommen?
Auf eine Antwort wartend, verbleibe ich mit freundlichen Grüßen
K. Z.
Ummendorf Sachsen-Anhalt
Sehr geehrter Herr Zielinski,
vielen Dank für Ihre Nachricht und bitte entschuldigen Sie die späte Antwort.
Leistungen der betrieblichen Altersversorgung unterliegen seit langem der Beitragspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung. Seit dem GKV-Modernisierungsgesetz von 2004 ist allerdings nicht mehr nur der halbe, sondern der volle Beitragssatz zu zahlen. Außerdem ist seitdem jede als Versorgungsbezug zu wertende Kapitalleistung beitragspflichtig, insofern sie auf vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses gezahlten Beiträgen beruht. Zahlen ArbeitnehmerInnen in der Anwartschaftsphase die Beiträge für ihre Direktversicherung als betriebliche Altersversorgung selbst, handelt es sich häufig um Zahlungen aus dem Nettoeinkommen. Diese Personengruppe hat ihre Betriebsrente also selbst aus bereits verbeitragtem Einkommen finanziert. Auch in der Auszahlungsphase (Rentenphase) unterliegt die Betriebsrente der Beitragspflicht. Dieser Zusammenhang wird, fachlich allerdings fragwürdig, häufig als „Doppelverbeitragung“ bezeichnet.
Die bestehende Regelung ist laut einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts rechtmäßig. Viele Versicherte, die ihren Vertrag vor Einführung der kritisierten Regelung abgeschlossen haben, empfinden die bestehende Rechtslage allerdings verständlicherweise als ungerecht.
Wir haben die Einführung eines Freibetrages durch die Bundesregierung unterstützt. Aus unserer Sicht ist ein Freibetrag die fairste Lösung, so werden die Menschen zumindest ein bisschen entlastet und die Sozialkassen nicht übermäßig belastet. Uns ist bewusst, dass diese Lösung immer noch für diejenigen ungerecht ist, die vor 2004 einen entsprechenden Vertrag abgeschlossen und diesen aus ihrem Nettoeinkommen finanziert haben. Das Problem ist, dass die Verträge, in die vor 2004 aus dem Nettolohn eingezahlt wurde, nicht von denjenigen Verträgen getrennt werden können, in die Beiträge aus dem Bruttolohn eingezahlt wurden, da die Versicherungen über keine geeignete Datengrundlage verfügen. Deshalb haben auch wir uns im Vorfeld des Gesetzesentwurfs für eine Freibetragslösung eingesetzt, wie sie die Bundesregierung jetzt in Gesetzesform gießen wird.
Anders als die Bundesregierung, sind wir indes der Auffassung, dass ein solcher Freibetrag steuerfinanziert sein muss und nicht aus den Beitragskassen finanziert werden darf. Die Finanzierung aus den Beitragsgeldern stellt eine Belastung derjenigen Beitragszahler dar, die selber gar keine Betriebsrente haben und somit durch ihre Beiträge die Freibeträge der Betriebsrentner mitfinanzieren.
Uns ist bewusst, dass diese „kleine Lösung“ insbesondere diejenigen, die vor 2004 eine Direktversicherung „aus eigener Tasche“ finanziert haben, eine nicht vollständig befriedigende Lösung darstellen mag. Gleiches gilt für Menschen, die sich mit dem Eintritt in den Ruhestand ihre Betriebsrente auf einen Schlag auszahlen lassen. Aber wir mussten in puncto finanzieller Machbarkeit, sozialpolitischer Zielgenauigkeit und technischer Durchführbarkeit eine Abwägung vornehmen und haben uns daher für den Freibetrags-Kompromiss entschieden.
Mit freundlichen Grüßen
Team Annalena Baerbock