Frage an Annalena Baerbock von Bernd G. bezüglich Verkehr
Hallo,
ich hätte mal einen Vorschlag zur gerechteren Verteilung der Netzgebühren die im Strompreis enthalten sind. Kann man diese nicht nach dem Anteil der Eigenversorgung der Bundesländer mit erneuerbaren Energien verteilen? Nach dem Motto: Die die Ihren Strom selbst erzeugen brauchen keine teuren Verteilnetze. Damit würden z.B. Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Niedersachsen entlastet weil hier genügend Energie erzeugt wird.
Bayern z.B. verhindert mit der Gesetzgebung auf Landesebene den Ausbau der Windenergie und macht damit die teuren Stromtrassen notwendig.
Auch der Ausbau der Offshore Windparks, die nur von den Energiekonzernen betrieben werden und über die Offshore Umlage noch von den Stromkunden subventioniert wird ist hier der falsche Weg.
Mit freundlichen Grüßen
B. G.
Sehr geehrter Herr G.,
vielen Dank für Ihren Vorschlag zur gerechten Umsetzung der Energiewende. In der Tat arbeiten wir am Thema Netzentgelte. Dabei gehen unsere Gedanken teilweise in Ihre Richtung. Genau wie Sie sind wir Bündnisgrünen überzeugt, dass die Netzentgelte deutlich gerechter und auch den physischen Bedingungen angemessener sein sollten. Wir denken aber nicht, dass der Anteil an Eigenversorgung der richtige Indikator wäre.
Kein deutsches Bundesland kann sich selbst versorgen. Von Eigenversorgung kann immer nur auf bilanzieller Ebene gesprochen werden, d.h. welcher Anteil des Jahres-/Monats-/Wochenverbrauches konnte mengenmäßig durch die Produktion im eigenen Bundesland gedeckt werden.
Tatsächlich aber sind Produktion und Nachfrage häufig zeitlich verschoben – das Produktionsmaximum von Solaranlagen ist z.B. mittags erreicht, während die Nachfrage von Haushalten tendenziell morgens und abends steigt. Für den Ausgleich dieser Überangebote bzw. der Nachfragespitzen ist die Einbindung in ein bundesweites und europäisches Stromnetz notwendig und sinnvoll. Es kann auch gar nicht das Ziel sein, dass sich jedes Bundesland selbst versorgt. Zum Beispiel Hamburg hat dazu keine Chance. Gleichzeitig ist Stromverbrauch in Hamburg leichter ins Stromnetz zu integrieren als zum Beispiel von ländlicheren Regionen in Süddeutschland. Entsprechend sollte die durch (Übertragungs)Netze ermöglichte Einbindung von allen finanziert werden.
Davon abgesehen setzen wir uns allerdings durchaus dafür ein, eine ausgewogene Beteiligung aller Bürger*innen an den Kosten und Nutzen der Energiewende und der Versorgung mit erneuerbarer Energie zu erreichen. Das Verhältnis der Kostenbelastung zwischen den Produktionsregionen im Nordosten Deutschlands und den Verbraucherregionen im Süden muss neu abgewogen werden. Die Angleichung der Übertragungsnetzentgelte kann nur ein erster Schritt sein. Viel weiter klaffen die Verteilnetzentgelte auseinander – um bis zu 300 Prozent. Einwohner*innen der windreichen Regionen dürfen nicht stärker belastet werden, als Bürger*innen, die weit entfernt von Windenergieanlagen wohnen und gleichwohl von der erneuerbaren Energielieferung profitieren. Im Rahmen unserer parlamentarischen Arbeit setzen wir uns darum für eine Verbesserung der Netzentgelte ein: Im Mai 2018 stellten wir eine entsprechende Anfrage (Drucksache 19/2157 - http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/19/021/1902157.pdf), im Oktober 2018 veranstalteten wir ein öffentliches Fachgespräch zum Thema Netzengpässe („Fachgespräch Strommarkt in Zeiten von Netzengpässen“) und im November setzten wir uns mit Möglichkeiten zeitvariabler Netzentgelte auseinander („Helfen zeitlich variable Strompreiskomponente?“). Nach dem Schritt, ungerechte Spreizungen bei den Netzentgelten aufzuheben, gilt es auch künftig richtige Preissignale zu senden.
Wir Bündnisgrünen können uns vorstellen, dass das Konzept der bedingten und unbedingten Netzanschlussleistung von BET auch überregional ein erster Ansatz sein könnte. Grundlegende Ansätze wie Knotenpreise sind noch in einem sehr frühen Diskussionsstadium in Deutschland.
Mit freundlichen Grüßen
Team Annalena Baerbock