Frage an Annalena Baerbock von Gerd K. bezüglich Umwelt
Hallo Frau Baerbock,
ich habe eine Frage zur Energiepolitik der Grünen. Und zwar stellen Sie die Energiesituation in Ihrer Studie
https://www.gruene-bundestag.de/uploads/tx_ttproducts/datasheet/18-28-Die_neue_Stromwelt-ONLINE.pdf
so dar, dass insgesamt eine 100 prozentige Versorgung Deutschlands aus erneuerbaren Energie erfolgen kann. Sie gehen dann von einem Verbrauch in dem Modell von 601 TWh aus. Das ist aber viel zu niedrig, nach meiner Ansicht.
Wie ich dem Umweltbundesamt "Energieverbrauch nach Energieträgern, Sektoren und Anwendungen entnehmen kann
https://www.umweltbundesamt.de/daten/energie/energieverbrauch-nach-energietraegern-sektoren
hat Deutschland im Jahre 2017 insgesamt einen Verbrauch von circa 2591 TWh gehabt. Gerade im Hinblick auf die notwendige Dekarbonisierung der Energieerzeugung und auch, wenn jetzt beispielsweise nach und nach die Verbrennungsmotoren durch Elektromotoren ausgetauscht werden, wird ein immer größerer Anteil dieser 2591 TWh durch CO₂-freie Alternativen erzeugt werden müssen. Wie stellen Sie sich als Grüne das vor, und welche Veränderungen müssen erfolgen?
Auch wenn es vielleicht das Bekämpfen des Teufels durch den Beelzebub ist, so erscheint mir eine CO₂-neutrale Energieerzeugung als die wichtigste Aufgabe. Ist es angesichts der globalen Klimakatastrophe überhaupt verantwortbar, auf Kernkraft als Energieträger zu verzichten? Auch der IPCC erklärte auf seiner Pressekonferenz vom 13.Mai 2019, dass explizit Kernenergie als Energieträger in Frage käme.
Ich bin eigentlich Kernkraftgegner, aber ist es nicht in der Notlage, in der sich die Menschheit befindet, wichtig, dass alle Möglichkeiten genutzt werden, um CO₂-frei zu werden? Ich weiß, dass es immer ein Ziel der Grünen war, die Kernenergie nicht mehr zu nutzen. Aber muss man seine Haltung nicht vielleicht angesichts der Aufgaben unserer Zeit überdenken? Welche Haltung nehmen da die Grünen ein?
Mit freundlichen Grüßen
G. K.
Sehr geehrter Herr K.,
vielen Dank für Ihre Frage. Es ist in der Tat richtig, dass wir zu viel Energie verbrauchen und in Zukunft viel sparsamer mit Energie umgehen müssen. Deutschland hat sich gegenüber der EU dazu verpflichtet, den Energieverbrauch bis 2030 um 32,5 Prozent zu senken im Vergleich zum Jahr 2008. Darüber hinaus möchte die Bundesregierung den Primärenergieverbrauch bis 2050 um 50 Prozent senken. Leider wird die Bundesregierung ihrem Ziel zurzeit nicht ansatzweise gerecht.
Die 2591 Terawattstunden, auf die Sie sich beziehen, sind der Endenergieverbrauch in Deutschland. Aus unserer Sicht müssten wir diesen Endenergieverbrauch in etwa halbieren, um die Energieversorgung komplett aus Erneuerbaren Energien aus Deutschland decken zu können. Um diese Einsparung zu erreichen, haben wir Grüne für die verschiedenen Sektoren Ideen entwickelt, die auf der einen Seite Energie einsparen und auf der anderen Seite für soziale Gerechtigkeit beim Umbau der Energieversorgung sorgen. So haben wir zum Beispiel für den Wärmesektor das Programm "Faire Wärme" entworfen und sprechen uns darüber hinaus für eine steuerliche Förderung der energetischen Gebäudesanierung aus. Im Verkehr brauchen wir nicht nur die Umstellung auf E-Mobilität, sondern insgesamt eine Verkehrswende mit einen Schwerpunkt auf den ÖPNV.
Darüber hinaus decken wir zurzeit rund zwei Drittel unseres Primärenergieverbrauchs durch Importe. Es gibt keinen Grund, warum wir nicht auch in Zukunft Energie importieren sollten, wenn Sie aus erneuerbaren Quellen stammt. Schon heute werden z.B. in den Vereinigten Arabischen Emiraten Solaranlagen zu Stromgestehungskosten von 0,9 Cent pro Kilowattstunde gebaut. Wird dieser Strom zur Herstellung von synthetischem Wasserstoff oder synthetischem Methan genutzt, spricht nichts gegen den Import.
Für uns ist klar, dass die Nutzung von Atomenergie keine Lösung ist. Weder sind Atomkraftwerke sicher zu betreiben, noch gibt es weltweit ein Konzept zur Entsorgung des Atommülls.
Mit freundlichen Grüßen
Team Annalena Baerbock