Frage an Annalena Baerbock von Brianna G. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Liebe Frau Baerbock, im Zuge der Europawahl 2019, die ja schon von vielen zur "Klimawahl" erklärt wurde, würde mich sehr interessieren inwiefern die Grünen die Klimakrise durch die Politik stoppen wollen. Ich sehe die Grünen als durchaus starke Partei, die die Möglichkeit hätte noch etwas zu bewegen, was von ehemaligen "Volksparteien" wie CDU/CSU oder SPD in Anbetracht der Politik der letzten Legislaturperioden eher nicht zu erwarten ist. Was können Sie als Partei nun also konkret besser machen, wenn es um den Bereich Klima geht. Halten Sie beispielsweise einen Kohleausstieg bis 2022 für möglich? Vielen Dank für Ihre Zeit
Liebe Frau G.,
vielen Dank für Ihre Email und den Hinweis auf dieses wichtige Thema. Sie haben völlig recht: Diese Europawahl am Sonntag ist auch eine "Klimawahl". Die Klimakrise ist eine der größten Herausforderungen unserer Generation. Versagen wir bei der Eindämmung der Krise, haben wir als politische Generation versagt. Mit Klimaschutz schützen wir nicht nur (und noch nicht einmal in erster Linie) Arten und Natur. Wir schützen unsere Lebensgrundlagen, aber auch die liberale Demokratie, ein Gemeinwesen, das in der Lage ist, wertebasierte Politik zu machen. Und wir schützen die ökonomische Basis, auf der wir unsere Politik aufbauen. Wir leben bereits in einer Welt, die sich um ein Grad erwärmt hat. Diese Veränderung birgt schon heute erhebliche Risiken für unser Zusammenleben und unsere Freiheit. Eine Erderhitzung, die nicht unter 1,5 Grad liegt, wird unkontrollierbare Folgen haben. Und sie trifft zuerst jene, die die Klimakrise nicht verursacht haben und sich am wenigsten vor den Auswirkungen schützen können: Menschen, besonders Frauen, in den Ländern des globalen Südens. Deshalb streiten wir – an der Seite einer globalen Bewegung – für Klimagerechtigkeit. Viele werden ihr Zuhause verlassen müssen und sich als Klimaflüchtlinge auf den Weg machen.
Wir wollen eine zu 100 Prozent erneuerbare und energieeffiziente Europäische Union als Treiber für die internationale Energiewende. Dafür muss das europäische Klimaschutzziel, das sich keineswegs auf dem Pfad der Pariser Klimaziele bewegt,
ambitionierter und verbindlich werden. Die CO₂-Emissionen müssen zudem bis 2030 um mindestens 55 Prozent gegenüber 1990 gesenkt werden. Die Verbrennung von Kohle ist die klimaschädlichste Form der Stromerzeugung. Darüber hinaus schafft Kohleverbrennung gesundheitliche Probleme. Dabei gibt es längst Alternativen: erneuerbare Energien sind sauberer, sicherer, effizienter und mittlerweile auch billiger. Länder wie Frankreich, Dänemark, Schweden, Österreich, die Niederlande oder Italien haben sich der globalen Allianz für den Kohleausstieg (Powering Past Coal Alliance) angeschlossen, die sich für einen Kohleausstieg bis spätestens 2030 ausspricht. Diesen Vorreitern muss sich die Europäische Union inklusive Deutschland anschließen, statt an der klimaschädlichen Kohle festzuhalten.
Der Export von dreckigem deutschem Kohlestrom untergräbt in Europa den Ausbau der Erneuerbaren. Kohlekraft schadet nicht nur dem Klima, sondern setzt auch hochgiftige Schadstoffe frei. Die hohen Folgekosten der Verbrennung von Kohle in Europa dürfen nicht weiter zulasten der Allgemeinheit gehen, die die Kosten und Risiken dafür trägt. Die Stromversorgung wird im Zuge der Abschaltung der unflexiblen, ineffizienten Kohle- und Atomkraftwerke durch den Zubau erneuerbarer Energien sowie hocheffizienter Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen sichergestellt, die zunehmend nur noch mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Ob CO₂, Quecksilber, Feinstaub oder Stickoxide: Überall sind Kohlekraftwerke als Hauptverursacher dabei. Deshalb müssen wir jetzt beginnen, Kohlekraftwerke abzuschalten. Daran muss sich Politik messen lassen. Wir brauchen nicht nur in Deutschland, sondern auch in Europa einen vollständigen Kohleausstieg.
Um das Ziel von 100 Prozent erneuerbarer Energie in Europa für 2050 zu erreichen, muss die Förderung von Photovoltaik, Windenergie, Biomasse und anderen regenerativen Stromquellen auch auf europäischer Ebene noch stärker vorangetrieben werden.
Damit die Energiewende europaweit gelingt, braucht es eine Erneuerbare-Energien-Union.
Sie finden das Wahlprogramm der Grünen zur Europawahl unter https://cms.gruene.de/uploads/documents/B90GRUENE_Europawahlprogramm_2019_barrierefrei.pdf Dort finden Sie weitere und detaillierte Informationen zu unseren Zielen im Klimabereich sowie den anderen Bereichen.
Mit freundlichen Grüßen
Annalena Baerbock