Frage an Annalena Baerbock von Rafael S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Baerbock
Ihr Entwurf ist bis auf den Namen mit dem der Spahngruppe identisch.
Das Einzige das verhindert, dass eine Person gegen Ihren Willen zum Spender gemacht wird (werden kann), ist, dass ausschließliche Voraussetzung für die Organ-/Gewebeentnahme eine gerichtsfest (beweisbar) verfasste, rein persönliche Erklärung ist, sinngemäß "Ja ich will".
War ihre bisherige Planung nicht so, dass Spendewillige sich in eine noch aufzubauende Datenbank (Register) eintragen (lassen) konnten und ausschließlich dort Eingetragene zum Spender werden konnten, eine Befragung von Aussenstehenden (Angehörige)zum mutmaßlichen Willen (§ 4 TPG)findet nicht statt?
Jetzt muss man sich dort auch eintragen, wenn man nicht zum Spender werden will (Widerspruch), wie bei der Spahngruppe. Ist man dort nicht als Nichtspender eingetragen ist, werden Aussenstehende zum mutmaßlichen Spendewillen befragt (§ 4 TPG).
Genau so wie bei der Spahngruppe, auch hier werden vor einer Entnahme noch Aussenstehende befragt -und- sie entscheiden.
Der Auswahlprozess ist absolut identisch.
Ist dies soweit richtig?
Trägt man sich als Nichtspender mit Spendern in eine gemeinsame Datenbank ein, bestehen viele Möglichkeiten, dass eine Erklärung bei einer Abfrage ins Gegenteil verkehrt (vertauscht) wird, durch falsch Ablesen des Eintrags wegen einer optischen Täuschung, Augenblickversagens, Unkonzentriertheit, fehlerhaftem Datenbankupdate etc. etc..
Werden Aussenstehende (Angehörige) befragt, die nicht einmal verwandt sein müssen (§ 4 TPG), "stimmen diese in aller Regel zu", wegen einem Schockzustand, Gleichgültigkeit etc. https://www.sueddeutsche.de/gesundheit/aussenansicht-rettet-die-organspende-1.3827763 .
Erklärungen in Papierform im Geldbeutel etc. können leicht verloren gehen oder werden nicht erkannt oder..?
§ 4 TPG und gemeinsame Datenbank Spender/Nichtspender ist ein "Trojansches Pferd" zur Umgehung des Nichtspenderwillens.
Garantieren Sie Nichtspendern Freiheit von Zwangsspende?
Sehr geehrter Herr S.,
unser Entwurf zur wiederkehrenden Befragung bei Ausweisbeantragung und Online-Verfahren ist keinesfalls identisch mit dem Gesetzentwurf der Widerspruchsregelung. Unseren Entwurf finden Sie u.a. unter https://www.annalena-baerbock.de/wp-content/uploads/2019/05/2019-05-06_entwurf-eines-gesetzes-zur-starkung-der-entscheidungsbereitschaft-bei-der-organspende.pdf
Wir setzen uns gemeinsam für ein transparentes Organspende-System ein, in dem die Selbstbestimmung des Einzelnen geachtet wird und in dem Manipulationen und finanzielle Anreize keinen Platz haben. Klar ist, dass wir bei der Organspende Verbesserungen brauchen - zu viele Menschen warten händeringend auf ein Organ. Und wenn wir wissen, dass laut Umfragen 84 Prozent der Menschen spenden wollen, dann müssen wir eine Lösung finden, wie wir sie direkt darauf ansprechen und die Zahl der Spender*innen erhöhen können - und gleichzeitig das Selbstbestimmungsrecht jedes Einzelnen über seine Organe wahren.
Wir wollen die Organspende nach dem Tod - im Gegensatz zur Widerspruchsregelung - als eine bewusste und freiwillige Entscheidung beibehalten. Statt Stillschweigen als eine Freigabe der eigenen Organe zu bewerten, wie es der Vorschlag der Widerspruchslösung vorsieht, ist es zielführender, eine stets widerrufbare Entscheidung klar zu registrieren, verbindliche Information und bessere Aufklärung zu gewährleisten und die regelmäßige Auseinandersetzung mit der Thematik zu fördern.
Eine Regelung, der man erst aktiv widersprechen muss, halten wir auch für kontraproduktiv mit Blick auf die tatsächliche große Spendenbereitschaft der Bürgerinnen und Bürger. Es heißt ja nicht umsonst "Spende". Es geht um eine bewusste, freiwillige und willentliche Entscheidung und nicht um einen impliziten Zwang.
Mit der kürzlich vom Bundestag beschlossenen Stärkung der Transplantationsbeauftragten in den Krankenhäusern und weiteren Strukturverbesserungen, denen alle Fraktionen im Bundestag (außer der AfD) zugestimmt haben, wurde die Grundlage für die Erhöhung der Organspenderate gelegt. Den Ausweisstellen könnte nach unserer Ansicht eine zentrale Bedeutung zukommen. Sie werden dazu verpflichtet, die Bürger*innen bei der Beantragung von Papieren mit allen Infos der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) zu versorgen und für weitergehende Infos an die jeweiligen Hausärzt*innen zu verweisen. Die Ausweisstellen selbst sollen keine Beratung vornehmen. Bei Ausweisabholung sollen sie die Person aber zur Eintragung in das Organspenderegister auffordern. Das sollte vor Ort und auch später jederzeit online - etwa über ein PIN/TAN-Verfahren von zuhause aus möglich sein. Mit dem Online-Verfahren ist auch gesichert, dass man jederzeit eine Änderung der Entscheidung schnell, unbürokratisch und sicher treffen kann. Das Register ermöglicht es Krankenhäusern, bei Todesfällen die Daten schnell und rechtssicher abzurufen.
Wir wollen außerdem den Bereich Organspende innerhalb der medizinischen Aus- und Weiterbildung stärken, um die Sensibilität des ärztlichen Nachwuchses für dieses Thema zu verbessern und ggf. Vorurteile abzubauen.
Ein solches Verfahren ist grundgesetzschonender, wahrt die höchstpersönliche Entscheidung jedes Einzelnen und trägt dennoch zu einer höheren Spendenbereitschaft bei. Organspenden können Leben retten. Die Widerspruchsregelung ist bei dieser höchstpersönlichen Entscheidung der falsche Weg.
Mit freundlichen Grüßen
Annalena Baerbock