Frage an Annalena Baerbock von Jürgen K. bezüglich Familie
Ich habe Ihrem Interview im Spiegel entnommen, dass Sie sich um zwei Flüchtlingsjungen in Potsdam Kümmern oder sich zumindest um deren Befinden sorgen, da sie unter den derzeitigen Bestimmungen ihre Familien nicht nachholen können. Diese Jungen wurden höchstwahrscheinlich von ihren Eltern/Familien auf den langen mühsamen und gefährlichen Weg nach Europa geschickt mit der Absicht, dass sie nach Ankunft so schnell wie möglich den Nachzug der Familie bewerkstelligen können und zwar ohne sich über die derzeitige Rechtslage zu informieren. Ich verstehe nicht, wie es Eltern fertig bringen, Ihre minderjährigen Kinder auf eine wochenlange, unsichere und lebensgefährliche Reise zu schicken. Würden Sie das mit einem ihrer Kinder machen?
Die Kinder sind hier alleine, ohne Familie, möglicherweise von Heimweh geplagt. Was mag das für Auswirkungen auf die psychische Entwicklung der Jugendlichen haben?
Aber soll die deutsche Bevölkerung jetzt auch noch das verantwortungslose Verhalten der Eltern durch Genehmigung des baldigen Familiennachzugs unterstützen?
Sehr geehrter Herr Klingler,
vielen Dank für Ihre Nachricht. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht – aber ich maße mir nicht an, Situationen zu bewerten, in denen mein Sohn von heute auf morgen fliehen muss, weil er sonst zum Militär eingezogen wird, um für einen Diktator zu kämpfen und zu töten oder schlimmstenfalls selbst getötet zu werden. Ich würde vermutlich auch alles tun, damit er sich in Sicherheit bringen kann. Die Gründe, warum Familien während einer Flucht getrennt werden, sind vielfältig. Manchmal reicht das Geld dann nicht für die gesamte Familie. Und manchmal kann die Familie auch nicht zusammen reisen. Als ich hochschwanger war, konnte ich lange Strecken kaum mehr zu Fuß unterwegs sein. Wenn meine Stadt bombardiert worden wäre, hätte ich vermutlich auch gehofft, dass sich wenigstens ein Teil der Familie in Sicherheit bringen kann.
Zu guter Letzt möchte ich darauf hinweisen, dass das Recht auf Familienleben im Grundgesetz (Artikel 6) und auch in menschenrechtlichen Verträgen verbrieft ist, etwa in der Europäischen Menschenrechtskonvention (Artikel 8) und in der UN-Kinderrechtskonvention (Artikel 16).
Mit freundlichen Grüßen
Annalena Baerbock