Frage an Annalena Baerbock von Jürgen W. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Befürworten Sie die Einführung des Bedingungslosen Grundeinkommens?
Warum würden Sie es ablehnen und warum befürworten?
Wie stehen Sie zu den Sanktionen im ALG II?
Ist der Regelsatz im ALG II zu niedrig, oder zu hoch?
Sehr geehrter Herr Weber,
vielen Dank für Ihre Fragen.
Bei uns Grünen ist das bedingungslose Grundeinkommen ein großes Diskussionsthema.
Ich persönlich bin nicht wirklich überzeugt. Ich sehe nicht, was daran fair sein soll, wenn der Milliardär dasselbe dazu bekommt wie die Reinigungskraft, und die Spezialbedarfe von Menschen, wie etwa Schwerstbehinderten, unberücksichtigt bleiben. An der wachsenden sozialen Ungleichheit sowie der sich vertiefenden Kluft zwischen Arm und Reich ändert eine solche Sozialpolitik nach dem Gießkannenprinzip aus meiner Sicht nicht viel. Ich fürchte zudem, dass ein bedingungsloses Grundeinkommen eben die besondere Stärke unseres Sozialstaates, Menschen mit besonderem Bedarf auch individuell zu unterstützen, kaputt macht. Denn die wesentliche Argumentation der Befürworter ist ja, Bürokratie abzubauen, um das Ganze finanzieren zu können. Doch diese angebliche Bürokratie betrifft ja vor allem die Einzelfallförderung von denen, die besondere Unterstützung brauchen. Ähnlich wie einige Sozialforscher befürchte ich zudem, dass unterstützende Maßnahmen wie Eingliederungen in den Arbeitsmarkt darunter leiden werden.
Um soziale Gerechtigkeit wirklich zu befördern, sollten wir aus meiner Sicht stattdessen den Sozialstaat und die sozialen Sicherungssysteme stärken und Hilfebedürftige, und gerade nicht Wohlhabende, besser finanziell unterstützen. Das heißt, wir brauchen faire Löhne sowie eine soziale Mindestsicherung, die, im Unterschied zu Hartz IV, bedarfsgerecht, armutsfest und repressionsfrei ist.
Wir wollen Kinder und Familien mit einer Kindergrundsicherung und einem Familienbudget aus der Armut holen. Die Grundsicherung muss das soziokulturelle Existenzminimum für alle gewährleisten. Das verlangt die Würde des Menschen. Der Regelsatz des Arbeitslosengeldes II muss so berechnet und erhöht werden, dass man menschenwürdig davon leben kann und soziale und kulturelle Teilhabe möglich ist.
Wir Grüne wollen, dass das Grundrecht auf Existenzsicherung einfach und zuverlässig wahrgenommen werden kann. Jobcenter sollen zu Dienstleistern der Arbeitsuchenden werden und kooperativ mit ihnen zusammenarbeiten. Wir wollen die Rechte der Leistungsberechtigten stärken und setzen in der Grundsicherung nicht auf Sanktionen, sondern auf Motivation, Anerkennung und Beratung. Daher wollen wir die Sanktionen abschaffen. Dies gilt insbesondere für die Sonderregeln für unter 25-Jährige und für die Kosten der Unterkunft und Heizung. Gas- und Stromsperren müssen gesetzlich eingeschränkt werden. Diskriminierende Regelungen nur für Grundsicherungsbeziehende wollen wir streichen. Damit liegt der Fokus der Arbeitsvermittlung wieder darauf, Arbeitslose passgenau dabei zu unterstützen, einen neuen Job zu finden, etwa durch Weiterbildung, Sprachförderung, Sozialberatung, Eingliederungs- oder Gründungszuschüsse. Es braucht zudem mehr Möglichkeiten, Konflikte ohne Prozess zu lösen. Dazu wollen wir sicherstellen, dass Eingliederungsvereinbarungen nicht durch einen Verwaltungsakt ersetzt werden.
Ich hoffe, dass ich Ihre Fragen beantworten konnte und freue mich, wenn ich Sie von unseren grünen Positionen überzeugen konnte.
Herzliche Grüße
Annalena Baerbock