Frage an Annalena Baerbock von Jörg L. bezüglich Finanzen
Sehr geehrte Frau Baerbock,
Kann bzw. müsste man nicht endlich auch einen sogenannten "Zinsschnitt" ( Halbierung ) bei den Bankenzinsen - für Griechenland und alle verschuldeten europäischen Länder als Ausgleich dafür einfordern, das man einen Grossteil der Banken mit einem europäischen Bankenrettungsschirm geholfen hat?
Für Ihre Antwort vielen Dank im Voraus.
MfG
JL
Sehr geehrter Herr Lindeholz,
vielen Dank für Ihre Anfrage, die mich über abgeordnetenwatch.de erreicht hat. Wir Grüne sprechen uns für einen konditionierten Schuldenschnitt aus. Wir sind davon überzeugt, dass – wenn die griechische Regierung die notwendigen Reformen angeht – dies auch belohnt werden sollte. Die verschiedensten Sondergipfel in Brüssel haben bis heute leider noch keine greifbaren Ergebnisse gebracht und ich hoffe sehr, dass sowohl die Eurogruppe als auch die griechische Regierung noch weiter aufeinander zugehen werden.
Wir wollen, dass Griechenland in der Eurozone bleibt. Denn dies wäre die politisch und ökonomisch stabilste Lösung, und diese sollten alle Beteiligten anstreben. Die Ansteckungsgefahren eines möglichen Austritts sind nicht einschätzbar und die politischen Kosten nicht vorherzusehen.
In meinen Augen ist die Wut vieler Griechen auf die alten Parteien verständlich. Egal ob Sozialisten oder Konservative: die beiden großen Parteien sind die Hauptverantwortlichen für die andauernde Krise. So ist der Wahlsieg von Syriza auch sehr verständlich, auch wenn ich für ihren Koalitionspartner keinerlei Sympathien übrig habe. Ich bin jedoch davon überzeugt, dass es jeder Regierung freistehen muss, über die Kreditkonditionen neu zu verhandeln, wenngleich ich mir wünsche, dass die neue griechische Regierung zu mehr Kompromissbereitschaft findet und sich den Anliegen der Eurogruppe öffnet. Aber auch die Eurogruppe muss anerkennen, dass die neugewählte Regierung ihrem Programm und ihren Wählerinnen und Wählern verpflichtet ist und einen anderen sozialverträglicheren Reformweg anstrebt.
Ich glaube, dass ein einfacher Schuldenschnitt die Lage kurzfristig nicht verbessern wird, denn die Haushaltslage ist gut, die Zinskosten gering und ein Großteil der Rückzahlungen steht erst in der Zukunft an. Wir fordern daher einen konditionierten Schuldenschnitt, der den Schuldenerlass an weitere Reformen koppelt. So muss zum Beispiel die Steuerverwaltung deutlich verbessert werden, um die Einnahmesituation zu verbessern. Ferner denke ich, dass die Korruptionsbekämpfung gestärkt und Reformen bei der Rechtsstaatlichkeit umgesetzt werden müssen. Ganz oben auf der Tagesordnung müssen Maßnahmen gegen Armut und Arbeitslosigkeit stehen. Hier kann und muss die EU gemeinsam mit der griechischen Regierung Investitionen in die Zukunft fördern. Es ist daher notwendig, dass sich die europäischen Partner mit der neuen griechischen Regierung auch über zusätzliche, von der EU finanzierte Investitionen und eine bessere soziale Absicherung der ärmeren Bevölkerungsschichten verständigen.
Grundsätzlich gilt: Die griechische Regierung hat die Verlängerung des Ende Februar auslaufenden Programms beantragt und eine erste Liste mit Reformmaßnahmen fristgerecht vorlegt. Die Europäische Kommission, die EZB und der IWF haben diese als belastbaren Beginn für einen erfolgreichen Abschluss der ausstehenden Programmüberprüfung bewertet. Griechenland hat sich dazu verpflichtet, alle Zahlungsverpflichtungen, welche die Vorgängerregierung eingegangen war, gegenüber seinen Gläubigern einzuhalten. Es wird in Absprache mit den Institutionen vorgehen und einen Primärüberschuss erzielen, der im jetzigen wirtschaftlichen Umfeld realistisch und angemessen ist. Mit der Verpflichtung Athens, seine Staatsfinanzen nachhaltig zu verbessern, den Finanzsektor zu stabilisieren, die wirtschaftliche Erholung konsequent anzugehen und Maßnahmen gegen die soziale Krise zu ergreifen, sind alle Bedingungen für eine Verlängerung des laufenden Kreditprogramms erfüllt. Mit der Verbesserung der sozialen Lage in Griechenland, aber auch mit den angekündigten Verbesserungen bei der Steuerverwaltung, der Bekämpfung von Korruption und der Verbesserung der Einnahmen durch die Besteuerung großer Vermögen hat sich die neue Regierung Ziele gesetzt, die wir im Verlauf der bisherigen Hilfsprogramme stets reklamiert haben.
Für mich ist klar: all dies muss in Verbindung mit einem klaren Bekenntnis zum Verbleib Griechenlands in der Euro-Zone geschehen. Nur so kann Vertrauen wiederhergestellt, die Rückkehr an die Kapitalmärkte gesichert und die Schuldentragfähigkeit erreicht werden. Eine Schuldenentlastung allein führt aber nicht zu einer Verbesserung der derzeitigen sozialen und wirtschaftlichen Lage. Dies ist aber dringend erforderlich.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen Ihre Frage beantworten und Sie vielleicht sogar von unserer grünen Position überzeugen!
Herzliche Grüße
Ihre Annalena Baerbock