Frage an Annalena Baerbock von Gunter F. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrte Frau Baerbock,
den Medien zufolge herrscht ein Fachkräftemangel. Wenn ich aber jeden Morgen an der Bundesanstalt für Arbeit im Potsdamer Horstweg mit der Tram vorbei fahre kann ich mich des Eindruckes nicht erwehren, dass eher die Arbeitslosenzahlen steigen?
Wenn ich Meldungen wie über das Ende der Solarfabriken in Frankfurt/O., möglichen Entlassungen bei Walter Services oder gar bei Vattenfall im Falle des Endes der Braunkohleförderung lese, wird dieser Eindruck bekräftigt.
Was muss eine zukünftige Bundesregierung tun um diese offenbare Schieflage zu beseitigen?
Mit freundlichen Grüßen
Gunter Flügel
Sehr geehrter Herr Flügel,
vielen Dank für Ihre Frage, die ich gerne beantworte.
Ihre Beobachtung teile ich. Aktuell sind bundesweit knapp drei Millionen Menschen arbeitslos gemeldet, hinzu kommen Arbeitsuchende, die in Maßnahmen geparkt sind, statistische Tricks und die stille Reserve: also diejenigen, die sich nicht zur Arbeitssuche melden, alle die nicht mindestens 15 Stunden pro Woche arbeiten könnten oder krankgeschrieben sind oder jene, die an Maßnahmen der Arbeitsförderung teilnehmen oder über 58 Jahre sind und seit mindestens zwölf Monaten Arbeitslosengeld II beziehen.
Insgesamt fehlen über vier Millionen Stellen. Und dies ist innerhalb Deutschlands sehr unterschiedlich verteilt. Während in Bayern 3,6% offiziell arbeitslos gemeldet sind, liegt die Arbeitslosenzahl in Berlin derzeit bei 11,8%. Wie Sie ja auch schon geschrieben haben, sieht es ähnlich differenziert auch bei uns in Brandenburg aus: In Potsdam-Mittelmark liegt die Arbeitslosenquote bei 6,5% und in Frankfurt (Oder) bei 14,4%.
Gleichzeitig werden auch in Brandenburg Pflegefachkräfte, Ingenieure, Ärzte z.T. auch Handwerker händeringend gesucht. Durch die demografische Entwicklung wird sich die Lage in den kommenden Jahren weiter verschärfen. Vor allem in den sogenannten MINT-Berufen mit Bezug zu Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik fehlt es an qualifizierten Nachwuchs. Die gemeinsame Fachkräftestudie für die Region Berlin-Brandenburg prognostiziert, dass bis 2015 bis zu 270.000 Arbeitsplätze nicht besetzt werden können, bis 2030 sogar bis zu 460.000, weil entweder Arbeitskräfte fehlen oder die entsprechenden Qualifikationen nicht vorhanden sind - sofern keine Gegenmaßnahmen ergriffen werden.
Mehr offene Stellen bedeuten natürlich mehr Chancen für Arbeitslose auf einen neuen Job. Auch zukünftige Schulabgänger können sich bessere Aussichten ausrechnen. Voraussetzung ist aber in jedem Fall, dass die Qualifikation stimmt. Und da liegt in Deutschland aus Sicht von uns GRÜNEN einiges im Argen. So verlässt in Brandenburg jedeR Zehnte die Schule ohne Abschluss und der Schulerfolg vieler Kinder hängt bei uns traurigerweise eng von der sozialen Herkunft ab.
Wenn wir also nicht auf eine Situation hoher Arbeitslosigkeit und gleichzeitigem großen Fachkräftemangel und zugleich auch noch sozialer Spaltung zulaufen wollen, ist es höchste Zeit gegenzusteuern. Wir GRÜNE setzen auf Weiterbildung und Zuzug. Es ist falsch, einheimische Arbeitskräfte gegen solche aus dem Ausland auszuspielen. Wir werden am Ende alle brauchen. Darum wollen wir eine gute Mischung von Maßnahmen, die dafür sorgt, dass
• die Zahl der SchulabbrecherInnen endlich zurückgeht, alle Jugendlichen zu einem
beruflichen Abschluss geführt werden und ein offenes Hochschulsystem ohne soziale Schranken Chancen schafft;
• gute Rahmenbedingungen für Weiterbildung mit Schwerpunkt auf Zukunftsberufe
geschaffen werden, damit Arbeitslose und Beschäftigte nicht von den Entwicklungen der Arbeitswelt abgehängt werden;
• Frauen, Ältere, MigrantInnen und Menschen mit Behinderungen besser als bisher
in den Arbeitsmarkt integriert und nicht weiter außen vor gelassen werden;
• im Ausland erworbene Qualifikationen auch in Deutschland anerkannt werden,
damit die russische Ärztin sich nicht mehr als Putzfrau durchschlagen muss, sondern entsprechend ihrer Fähigkeiten arbeiten kann;
• Fachkräfte aus aller Welt gerne nach Deutschland kommen, hier arbeiten, ihr Know-how einbringen und mit uns leben.
Wichtig ist mir zugleich, dass wir endlich einen gesetzlichen Mindestlohn von mindestens 8,50 Euro einführen, denn was wir brauchen ist vor allem „gute Arbeit“ und einen Lohn, von dem man auch leben kann. Aus meiner Sicht ist es eine Schande, dass in einem so reichen Land wie Deutschland Menschen wie beispielsweise einige Friseure in Barnim 3,05 Euro pro Stunde bekommen.
Ich hoffe, damit Ihre Frage beantwortet zu haben. Falls Sie noch Rückfragen haben, melden Sie sich gerne noch einmal.
Mit freundlichen Grüßen
Annalena Baerbock
Sehr geehrter Herr Flügel,
vielen Dank für Ihre Frage, die ich gerne beantworte.
Ihre Beobachtung teile ich. Aktuell sind bundesweit knapp drei Millionen Menschen arbeitslos gemeldet, hinzu kommen Arbeitsuchende, die in Maßnahmen geparkt sind, statistische Tricks und die stille Reserve: also diejenigen, die sich nicht zur Arbeitssuche melden, alle die nicht mindestens 15 Stunden pro Woche arbeiten könnten oder krankgeschrieben sind oder jene, die an Maßnahmen der Arbeitsförderung teilnehmen oder über 58 Jahre sind und seit mindestens zwölf Monaten Arbeitslosengeld II beziehen.
Insgesamt fehlen über vier Millionen Stellen. Und dies ist innerhalb Deutschlands sehr unterschiedlich verteilt. Während in Bayern 3,6% offiziell arbeitslos gemeldet sind, liegt die bundesweit höchste Arbeitslosenquote derzeit bei 11,8% in Berlin. Wie Sie ja auch schon geschrieben haben, sieht es ähnlich differenziert auch bei uns in Brandenburg aus: In Potsdam-Mittelmark liegt die Arbeitslosenquote bei 6,5% und in Frankfurt (Oder) bei 14,4%.
Gleichzeitig werden auch in Brandenburg Pflegefachkräfte, Ingenieure, Ärzte z.T. auch Handwerker händeringend gesucht. Auch Ausbildungsplätze gibt es bei uns in Brandenburg mehr als Bewerberinnen und Bewerber. Durch die demografische Entwicklung wird sich die Lage in den kommenden Jahren weiter verschärfen. Vor allem in den sogenannten MINT-Berufen mit Bezug zu Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik fehlt es an qualifizierten Nachwuchs. Die gemeinsame Fachkräftestudie für die Region Berlin-Brandenburg prognostiziert, dass bis 2015 bis zu 270.000 Arbeitsplätze nicht besetzt werden können, bis 2030 sogar bis zu 460.000, weil entweder Arbeitskräfte fehlen oder die entsprechenden Qualifikationen nicht vorhanden sind - sofern keine Gegenmaßnahmen ergriffen werden.
Mehr offene Stellen bedeuten natürlich mehr Chancen für Arbeitslose auf einen neuen Job. Auch zukünftige Schulabgänger können sich bessere Aussichten ausrechnen. Voraussetzung ist aber in jedem Fall, dass die Qualifikation stimmt. Und da liegt in Deutschland aus Sicht von uns GRÜNEN einiges im Argen. So verlässt in Brandenburg jedeR Zehnte die Schule ohne Abschluss und der Schulerfolg vieler Kinder hängt bei uns traurigerweise eng von der sozialen Herkunft ab.
Wenn wir also nicht auf eine Situation hoher Arbeitslosigkeit und gleichzeitigem großen Fachkräftemangel und zugleich auch noch sozialer Spaltung zulaufen wollen, ist es höchste Zeit gegenzusteuern.
Wir GRÜNE setzen dabei auf Weiterbildung und Zuzug. Es ist falsch, einheimische Arbeitskräfte gegen solche aus dem Ausland auszuspielen. Wir werden am Ende alle brauchen. Darum wollen wir eine gute Mischung von Maßnahmen, die dafür sorgt, dass
• die Zahl der SchulabbrecherInnen endlich zurückgeht, alle Jugendlichen zu einem
beruflichen Abschluss geführt werden und ein offenes Hochschulsystem ohne soziale Schranken Chancen schafft;
• gute Rahmenbedingungen für Weiterbildung mit Schwerpunkt auf Zukunftsberufe
geschaffen werden, damit Arbeitslose und Beschäftigte nicht von den Entwicklungen der Arbeitswelt abgehängt werden;
• Frauen, Ältere, MigrantInnen und Menschen mit Behinderungen besser als bisher
in den Arbeitsmarkt integriert und nicht weiter außen vor gelassen werden;
• im Ausland erworbene Qualifikationen auch in Deutschland anerkannt werden,
damit die russische Ärztin sich nicht mehr als Putzfrau durchschlagen muss, sondern entsprechend ihrer Fähigkeiten arbeiten kann;
• Fachkräfte aus aller Welt gerne nach Deutschland kommen, hier arbeiten, ihr Know-how einbringen und mit uns leben.
Wichtig ist mir zugleich, dass wir endlich einen gesetzlichen Mindestlohn von mindestens 8,50 Euro einführen, denn was wir brauchen ist vor allem „gute Arbeit“ und einen Lohn, von dem man auch leben kann. Aus meiner Sicht ist es eine Schande, dass in einem so reichen Land wie Deutschland Menschen wie beispielsweise Friseure in Barnim 3,05 Euro pro Stunde bekommen.
Ich hoffe, damit Ihre Frage beantwortet zu haben, ansonsten melden Sie sich gerne noch einmal.
Mit freundlichen Grüßen
Annalena Baerbock