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Annalena Baerbock
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Frage von Sven B. •

Frage an Annalena Baerbock von Sven B. bezüglich Umwelt

Sehr geehrte Frau Baerbock,

Sie wollen die Regenerativen Energien ausbauen.
Ist es es nicht so, das wir ohne Kohl- und Atomstrom eine Energielücke haben?

Wie können die Energieriesen immer noch den Ausbau der Netze verhindern?
Wie kann man die Energiekonzerne dazu bringen, auszubauen?

Mit freundlichen Grüßen

Sven Bohl

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Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Bohl,
vielen Dank für Ihre Fragen, die ich gerne beantworte.

Ja, wir Grünen wollen die Erfolgsgeschichte Erneuerbaren Energien weiter vorantreiben. Unser Ziel ist der vollständige Umstieg auf Strom aus Wind, Sonne, Wasserkraft, Biomasse und Erdwärme, möglichst bereits bis 2030. Denn damit mindern wir die Abhängigkeit von importierten Brennstoffen, senken die CO2-Emission drastisch und sorgen für technische Innovationen und Investitionen in eine zukunftsfähige Energieversorgung, die Hunderttausende neuer Arbeitsplätze schafft. Unser Ziel 2030 zeigt bereits, dass wir Grünen keineswegs sagen, dass wir von heute auf morgen umsteigen, sondern auch wir setzen selbstverständlich auf einen schrittweisen Umstieg.
Die vergangenen Jahre haben uns aber gezeigt, dass diese Schritte in Sieben-Meilen-Stiefeln zurückgelegt werden können, wenn der politische Wille stimmt. In Deutschland hat sich dank des unter rot-grün eingeführten Erneuerbaren-Energien-Gesetzes seit 1999 der Erneuerbaren-Anteil an der Stromversorgung auf rund 16 Prozent vervierfacht. Das ursprüngliche Ziel - 12,5 Prozent bis 2010 - ist also bereits heute weit übertroffen, obwohl es damals von vielen sogenannten Energieexperten für unrealistisch gehalten wurde. Bis 2020 können über 40 Prozent der Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen stammen. Und wenn die Rahmenbedingungen stimmen, werden es bis 2030 80-100% sein.

Dies gelingt aber nur, wenn wir unser Augenmerk voll und ganz auf den Ausbau der Erneuerbaren legen und nicht wie von schwarz-gelb geplant, weiterhin auf Atom- und Kohle setzen. Denn bei hohen Anteilen von Wind- oder Solarstrom müssten die Kolosse immer wieder heruntergefahren werden, sobald ihr Strom nicht gebraucht wird. Und dafür sind weder Atomkraftwerke noch Kohlekraftwerke geeignet. Dass Kohle- und Atomkraftwerke nicht zu einer auf erneuerbare Energien ausgelegten Energieversorgung passen, haben auch die Energiekonzerne inzwischen gemerkt und kämpfen deswegen mit harten Bandagen um ihre Marktanteile. E.ON fordert zum Beispiel in England, wo der Konzern neue Atomkraftwerke bauen will, den Windstromanteil auf höchsten 30 Prozent zu begrenzen, um ausreichend Netzkapazitäten für seinen Atomstrom zu erhalten. Auch für Deutschland ist diese Forderung zu erwarten. Damit wäre der Boom der Erneuerbaren Energien beendet, das Klima und Zehntausende Arbeitsplätze blieben auf der Strecke und Deutschland würde technologisch abgehängt.
Die von Ihnen angesprochene Stromlücke aufgrund des Ausbaus der Erneuerbaren Energien droht dabei nicht. Schließlich sollen, wie gesagt, nicht von heut auf morgen alle Atom- und Kohlewerke von Netz gehen, sondern dies soll schrittweise erfolgen - wie für die Atomkraftwerke bereits mit dem Atomausstieg festgelegt wurde. Durch den Boom der Erneuerbaren Energien wurden in den letzten Jahren immer wieder neue Rekorde beim Stromexport erzielt. Und das, obwohl zeitweise sechs Atomkraftwerke wegen Störfällen oder Wartungsarbeiten still standen. Unabhängige Studien des Umweltbundesamtes und des Öko-Instituts belegen, dass trotz Atomausstiegs und ohne Zubau weiterer Kohlekraftwerke jederzeit ausreichen Strom zur Verfügung stehen wird. Zu diesem Ergebnis kommt interessanterweise auch der im August 2008 vom traditionell atomfreundlichen Bundeswirtschaftministerium veröffentlichte Monitoringbericht der Bundesregierung.

Zu Ihrer Frage bezüglich der Netze: Bis heute sind die Netze auf relativ wenige, große Grundlastkraftwerke auf Kohle- und Atombasis ausgerichtet, die rund um die Uhr Strom erzeugen. Künftig wird Strom zunehmend erneuerbar und damit dezentral und zum erheblichen Teil in Abhängigkeit vom Wettergeschehen erzeugt werden. Die zeitliche und räumliche Variabilität der Stromerzeugung muss durch leistungsfähige Stromnetze, Stromspeicher und flexible Kraftwerke, die bei Bedarf rasch zu- oder abgeschaltet werden können, aufgefangen werden.
Mit den großen Energiekonzernen ist dieser Umbau, wie von Ihnen bereits angesprochen, nicht zu machen. Wir wollen deshalb die Stromübertragungsnetze in eine unabhängige Netzgesellschaft, mehrheitlich in öffentlicher Hand, überführen und über einen "Masterplan Netzintegration ein "intelligentes" Stromnetz mit optimalen Anschlussbedingungen für erneuerbare Energien schaffen. Dazu gehört auch ein "Europäischer Verbund" über den es möglich ist, Wasserkraft aus den Alpen und Skandinavien, Windstrom von Atlantik und Nordseeküsten sowie Solarstrom aus dem Mittelmeerraum, perspektivisch auch aus Nordafrika, rasch und verlustarm grenzüberschreitend zu transportieren.

Ich hoffe, damit Ihre Fragen beantwortet zu haben, ansonsten melden Sie sich noch einmal.

Mit freundlichen Grüßen
Annalena Baerbock

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