Frage an Anna Gallina von Manfred L. bezüglich Verbraucherschutz
Wie wollen Sie auf den Dieselskandal reagieren
Sehr geehrter Herr L.,
die Bundesregierung setzt mit ihrer Politik des Wegschauens und der Kungelei die Zukunft des Automobilstandorts Deutschlands fahrlässig aufs Spiel: Den Abgasskandal versucht sie seit zwei Jahren auszusitzen. Während ein Land nach dem anderen – wie zuletzt Großbritannien – den Ausstieg aus dem fossilen Verbrennungsmotor einleitet, ignoriert die Große Koalition die Debatte um die Zukunft der abgasfreien Mobilität. Sie versucht mit aller Kraft einen Schutzzaun um eine absehbar veraltete Technologie zu ziehen. Die nun öffentlich gemachten Vorwürfe über Kartellabsprachen und die Selbstanzeigen von Daimler und Volkswagen setzen den Abgasskandal in einer völlig neuen Dimension fort.
Für saubere Luft sorgen – Vertrauen zurückgewinnen!
Viele Städte sind extrem durch giftige Stickoxide belastet. Für all jene Menschen, die an viel befahrenen Straßen wohnen und die Abgase schmutziger Diesel- Pkw einatmen, hat die Große Koalition bisher nichts getan und sie stattdessen sehenden Auges großen Gesundheitsrisiken ausgesetzt. Ebenso im Stich gelassen wurden die Besitzer*innen von Dieselautos, die im Vertrauen auf die Aussagen der Autoindustrie vermeintlich umweltfreundlichere Diesel fahren wollten. Nun drohen Wertminderungen und Fahrverbote.
Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt hat bisher nichts zu Aufklärung eines der größten Industrieskandale der Bundesrepublik beigetragen. Er ist nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Problems. Da Dobrindt der weiteren Aufklärung im Weg steht, gehört die Verantwortung für die Gespräche am 2. August zur Nachrüstung der Fahrzeuge ins Kanzleramt.
Es ist ein Konstruktionsfehler des „Nationalen Forums Diesel“, dass die Verbraucherschutz-und Umweltorganisationen nicht beteiligt werden. Künftig gehören diese neben Bundes- und Landesregierungen sowie den Vertretern der Automobilwirtschaft an einen Runden Tisch.
Um wieder Vertrauen herzustellen, sind die Hersteller aufgefordert, ein nachprüfbares Angebot auf den Tisch zu legen. Es muss schnell und wirksam für saubere Luft sorgen und auch die Gerichte überzeugen.
Bundesregierung und Hersteller müssen erklären, wie und mit welcher Wirkung Umstellungen bei der Motorsteuerung („Software-Update“) den Stickoxidausstoß auf der Straße tatsächlich hinreichend vermindern und wo Hardware-Nachrüstungen notwendig sind. Die Gesundheit der Menschen und der Schutz der Verbraucher müssen oberste Priorität haben. Folgende Sofortmaßnahmen sind daher unerlässlich:
1. Der Gesamtausstoß von Stickoxiden muss über die gesamte Flotte der Euro-5 und Euro-6-Diesel kurzfristig sehr deutlich und mindestens um 50 Prozent gesenkt werden. Ziel ist, dass an allen Mess-Stellen die Immissionsgrenzwerte zeitnah unterschritten werden und sich die Werte auf einem niedrigen Niveau einpendeln. Wird nur ein Teil der Flotte nachgerüstet, muss die Reduzierung bei diesen Fahrzeugen weit ambitionierter ausfallen. Auch ausländische Hersteller sind miteinzubeziehen.
2. Der Rückruf zur Nachrüstung muss verbindlich sein. Kosten der Nachrüstung sind vollständig von den Herstellern zu tragen. Die Fahrzeuge müssen voll funktionstüchtig bleiben und für Folgeschäden müssen die Hersteller garantieren. Wenn die Leistung des Fahrzeugs abnimmt oder Verbräuche zunehmen, müssen sich die Hersteller zu angemessenen Entschädigungsleistungen verpflichten.
3. Die Nachrüstung muss flächendeckend geschehen, es gilt aber gerade in Ballungszentren Schwerpunkte zu setzen. Hier drohen am ehesten Fahrverbote, hier müssen sich die Hersteller besonders anstrengen und ggf. zusätzliche Ressourcen zur Verfügung stellen. Um die Nachrüstung in Deutschland möglichst zeitnah umzusetzen, ist die Mithilfe der freien Werkstätten unerlässlich.
4. Fahrverbote drohen, weil die Bundesregierung vollkommen versäumt hat, ihre Verantwortung für saubere Luft wahrzunehmen. Statt selbst zu handeln, wurde die Aufgabe an die Gerichte durchgereicht. Die Städte brauchen daher endlich ein wirksames und bundesweit einheitliches Instrument, um den Straßenverkehr zum Schutze der Gesundheit von Bürger*innen zu regulieren. Die Bundesregierung muss daher schnell für eine Neufassung der Bundesimmissionsschutzverordnung sorgen und die Einführung der Blauen Plakette ermöglichen.
Es geht um alles – Zukunft gestalten!
Die Automobilwirtschaft steht vor dem größten Veränderungsprozess ihrer 125-jährigen Geschichte. Deutsche Hersteller dürfen den Anschluss nicht verlieren. Mit ihrem Zögern und Zaudern schaden CDU/CSU und SPD Ansehen und Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Automobilwirtschaft. Der Versuch, die Hersteller vom äußeren Innovationsdruck oder gar dem Einhalten gesetzlicher Vorschriften abzuschirmen, ist zum Scheitern verurteilt.
Jetzt geht es darum die Weichen für die Zukunft zu stellen. Wir brauchen einen Masterplan, eine nationale Mission E, um Erdöl im Straßenverkehr überflüssig zu machen und emissionsfrei zu werden. Dazu gehört:
1. Klare Rahmenbedingungen schaffen: Wir wollen das Ziel setzen, ab 2030 nur noch abgasfreie Autos neu zuzulassen. Dafür sind jetzt die steuerlichen, fiskalischen und infrastrukturellen Voraussetzungen zu schaffen.
2. Umstellung leicht gemacht: Für ältere Dieselfahrzeuge der Euro 5-Norm (älter als Baujahr 2009) wollen wir eine zeitlich befristete Umstellungsprämie einzuführen, die beim Kauf eines emissionsfreien Autos in Anspruch genommen werden kann. In die Kfz-Steuer integrieren wir ein Bonus-Malus-System, bei dem abgasfreie Autos eine Steuergutschrift erhalten, die den Kostennachteil gegenüber einem vergleichbaren Auto mit Verbrennungsmotor aufwiegt.
3. Fehlanreize abstellen: Die aktuelle Kraftstoffbesteuerung der Bundesregierung ist verantwortungslos. Deutschland muss sich auf europäischer Ebene für eine Kraftstoffbesteuerung einsetzen, die nicht mehr pro Liter besteuert, sondern nach dem CO2- Gehalt. Eine schlecht gemachte Kaufprämie für emissionsfreie Fahrzeuge kann nicht funktionieren, wenn gleichzeitig mehr als 7 Mrd. Euro pro Jahr für die Subvention von Dieselfahrzeugen draufgehen. Die Dieselsubventionen gehören schrittweise abgebaut. Das gesparte Geld wollen wir in moderne Mobilität investieren.
4. Infrastruktur bauen: Um schneller eine flächendeckende Ladeinfrastruktur für E- Mobilität aufzubauen, muss das Bundesprogramm für die Errichtung von Ladeinfrastruktur ausgeweitet werden. Es müssen klare Regelungen für diskriminierungsfreies und anbieterübergreifendes Laden an allen öffentlichen Ladesäulen eingeführt werden. Weiterhin bedarf es rascher Änderungen im Wohneigentums- und Mietrecht, um die Einrichtung von Ladepunkten zu erleichtern.
5. Vorbild öffentliche Hand: Es bedarf einer Beschaffungsoffensive für öffentliche Fuhrparks, emissionsarme Busse und Taxis. Es muss darum gehen, Städte insgesamt zu entlasten. Dazu wollen wir Grüne Car-Sharing auf der Basis von Elektroautos fördern. In einem Zukunftsprogramm Nahverkehr wollen wir die Bundesmittel auf eine Milliarde Euro jährlich erhöhen. Das ermöglicht größere Investitionen in den Ausbau des Nahverkehrsangebots. Es ist überfällig, mehr Bundesmittel für den Ausbau eines sicheren Radverkehrs bereitzustellen.
6. Batterien als Herzstück: Gemeinsam mit der Automobil- und Zulieferindustrie wollen wir einen „Zukunftsplan Batteriezellentechnologie“ verabreden, um diese für die automobile Wertschöpfung zentrale Kompetenz am Industriestandort Deutschland aufzubauen und langfristig zu sichern.
7. Vorteil Qualifikation: Zusammen mit den Sozialpartnern in der Automobilwirtschaft wollen wir einen Pakt „Fit für die E-Zukunft“ vereinbaren, um die Beschäftigten in der Automobilindustrie beim Wandel hin zu einer emissionsfreien, vernetzen und digitalen Mobilität mitzunehmen.
Es geht um nicht weniger, als eine Kernindustrie unseres Landes mit über 800.000 Arbeitsplätzen fit zu machen für den Markt von morgen. Mit der Mission E sorgen wir dafür, dass Deutschland zum Schaufenster der besten Umwelt- und Effizienztechnologien und das abgasfreie Auto zum Exportschlager wird.
Schöne Grüße
Anna Gallina