Frage an Anna Deparnay-Grunenberg von Karl-Heinz T. bezüglich Wirtschaft
Hallo Frau Deparnay-Grunenberg,
in letzter Zeit wird immer mehr über die Gemeinwohl-Bilanz geredet, können Sie den Hintergrund dazu erklären und die Vorteile so einer Gemeinwohlbilanz erläutern. Was habe ich als Unternehmer für Vorteile wenn ich sie erstelle und wo bekomme ich dazu Unterstützung? Der übliche Steuerberater ist da ja wohl nicht der richtige Ansprechpartner.
Danke schon mal im voraus für Ihre Antwort
Mit freundlichen Grüssen
Karkl-Heinz T.
Ich wünsche mir zwar große Veränderungen, doch eine Umsetzung in kleinen
Schritten ist im Bereich der Wirtschaft angesagt.. Tatsächlich sehe ich
meine Pläne zur Erreichung einer ethischeren und ökologischeren
Wirtschaft nicht als Revolution sondern als Evolution, als
Weiterentwicklung. Das kapitalistische Wirtschaftssystem, wie wir es
kennen, hat bereits unzählige Veränderungen und Anpassungen durchlaufen.
„In Deutschland, haben wir dem Wort ‚Marktwirtschaft' ein wichtiges
Adjektiv hinzugefügt: sozial. Ich denke es ist an der Zeit, dass wir
dieses ernst nehmen und weitere hinzufügen: 'ethisch und ökologisch'".
Konkret möchte ich in der EU eine Ökonomie des Gemeinwohls aufblühen
sehen. Dem Klimawandel, dem Artenschwund und der großen sozialen Schere,
die zum Auseinanderdriften der Gesellschaft führt, können wir nur
entgegenwirken, wenn wir gesellschaftlich eine neue Erfolgsmessung -
neben der Finanzbilanz- durchsetzen und konkrete, transformative Anreize
für die Marktteilnehmende schaffen.
Als studierte Forst- und Umweltwissenschaftlerin und als Spezialistin
für Transformationsprozesse und Bildung für nachhaltige Entwicklung als
Selbstständige unterstütze ich Menschen aus eingefahrenen Mustern
auszubrechen, frisch zu denken und Neues zu gestalten. Diese Fähigkeiten
möchte ich im Europa-Parlament einbringen. Die Gemeinwohl-Bilanz ist ein
solcher Hebel , um die Wirtschaft wieder vom Kopf auf die Füße zu
stellen.
Die Gemeinwohlbilanzierung von Unternehmen bewertet also Erfolg und
Förderfähigkeit von Unternehmen neu entlang der Frage "was bewirke ich
als Unternehmen (oder als Institution in der Welt?)" Er wird in den
Bereichen "Menschenwürde", "Soziale Gerechtigkeit und Solidarität",
"ökologischer Fußabdruck" und "Demokratie und Mitbestimmung" in Form
einer Matrix das Produkt oder die Dienstleistung eines Unternehmens
bewertet und dies in Bezug auf allen Berührungsgruppen
(Mitarbieter*innen, Lieferant*innen, Geldgeber, Gesellschaftliches
Umfeld) partizipativ ermittelt.
In der Reform des „Non-Financial-Reporting" der EU sehe ich die
Gelegenheit diesen elementaren shift in der Erfolgsmessung in Richtung
Gemeinwohl zu vollziehen. Hierfür ist auch eine Vergleichbarkeit der
verschiedenen Maßstäbe zur Nachhaltigkeitsbewertung (wie CSR, B Corp,
DNK, GWÖ-Bilanz) in Richtung eines „Ethic Score" anzustreben.
„Mit den richtigen Anreizen können Unternehmen zu realen Treibern der
Nachhaltigkeit und des Gemeinwohls werden". Ein erster Schritt auf
diesem Weg ist auch solche ethischen Bilanzen von Unternehmen zu
fördern, so fördert beispielsweise die Stuttgarter Wirtschaftsförderung
auch private Unternehmen, wenn sie eine GWÖ-Bilanz machen möchten.
Nachdem das Unternehmen sich über die Auswirkungen auf Umwelt und
Gesellschaft bewusst wird und darüber, dass soziale und ökologische
Kosten auch als tatsächliche Kosten zu betrachten sind, kann es konkrete
weitere Handlungsschritte definieren.
Vorteile für da Unternehmen:
* Das Unternehmen wird sich über die Auswirkungen auf Umwelt und
Gesellschaft bewusst wird und darüber, dass soziale und ökologische
Kosten auch als tatsächliche Kosten zu betrachten sind. Dann kann es
konkrete weitere Handlungsschritte definieren.
* Dazu wirkt der partizipative Prozess der GWÖ-Bilanzierung im
Unternehmen wie eine kollektive Suche nach „Sinn" und fördert in hohem
Maßen somit die Motivation, die Bindung und die Innovationskraft der
Mitarbeitenden.
* Mitarbeitergewinnung sowie -Haltung wird stark gesteigert
* Das Unternehmen kann sich in einem Umfeld mit einem ethischen
Anspruch behaupten.
* Bald könnte es sein dass die öffentliche Hand solche ethische
Bilanzierung verlangt bevor sie Aufträge vergibt. Das wäre eigentlich
konsequent und wäre schließlich der Antrieb des neuen Sytems, da
GWÖ-Bilanzierte Unternehmen finanziell davon profitieren.
Die Einpreisung von ökologischen und sozialen Kosten muss vorangetrieben
werden, genauso wie ein transparentes und leicht verständliches
Labellingsystem (wie z.B. die GWÖ-Ampel und die GWÖ-Bilanz als QR-Code
auf jedem Produkt), damit Konsumenten leichter entscheiden können,
welche Firmen, Entscheidungen in den Lieferketten und Produkte sie mit
ihrem Kauf unterstützen möchten. Ich möchte Verbraucherinnen und
Verbraucher empowern anstatt zu bevormunden. Aktuell ist es zu
schwierig selbst ökologische, soziale und ethische Kriterien anzuwenden,
da die Informationsgrundlage beim Kauf einfach zu gering ist.
Ich glaube fest an ein Europa, das mehr kann. Ein Europa, in dem fairer
gewirtschaftet wird. Ein Europa, das von der grünen Transformation
beflügelt wird. Ein Europa, das eine bessere Lebensqualität für heutige
und künftige Generationen ermöglicht.