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Anna Christmann
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Reinhard G. •

Frage an Anna Christmann von Reinhard G. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie

Sehr geehrte Frau Anna Christmann,

ich habe gehört, dass man heute bereits Nano-Roboter in der Größe eines Bakteriums herstellen kann. Verbraucher kommen immer mehr in direkten Kontakt mit Nanopartikeln. Diese können in den Körper gelangen und ihn schädigen. Hier gibt es viele warnende Stimmen, zum Beispiel die des BUND. (Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland)

https://www.bund.net/fileadmin/user_upload_bund/publikationen/chemie/nanotechnologie_alltag_broschuere.pdf

https://www.bund.net/fileadmin/user_upload_bund/publikationen/chemie/nanotechnologie_aus_dem_labor_auf_den_teller.pdf

In Laborversuchen verursachten Nanopartikel Schädigungen am Erbgut, Organschäden und Entzündungen.
bund.net/themen/chemie/nanotechnologie/gesundheit

Werden (oder – Wann werden) alle Produkte mit Nanotechnologie genau gekennzeichnet?

Wie kann eigentlich kontrolliert werden, welche Nanopartikel sich in einem Produkt befinden? Finden solche Kontrollen statt?

Wie wird die Herstellung und weitere Verarbeitung von Nanopartikeln überwacht? (Auch unter den Gesichtspunkt des Arbeitsschutzes?)

Wie wird der internationale Handel mit Nano-Partikeln überwacht?

Sehen sie eine Gefahr, dass Nanopartikel, die in die Umwelt gelangen, nicht nur (beim Herstellungsprozess) die Belegschaft oder den End-Verbraucher schädigen können?

Sollten die meisten Produkte nicht viel besser Nanopartikel-frei sein?

Mit freundlichen Grüßen

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Großmann,

vielen Dank für Ihre Fragen zur vorsorgeorientierten Regulierung von Nanotechnologie in Deutschland. Dieses Thema hat den Bundestag und die grüne Bundestagsfraktion in der vorletzten Wahlperiode (2009-2013) besonders beschäftigt und wurde seitdem nicht mehr debattiert. Ich beziehe mich in meiner Antwort deshalb vorrangig auf den damals von der grünen Fraktion eingebrachten Antrag. Dieser fasst die grüne Position zum Thema Nanotechnologie übersichtlich zusammen. Sie können den Antrag unter diesem Link auch direkt aufrufen: https://dserver.bundestag.de/btd/17/095/1709569.pdf

Wir haben uns damals unter anderem an dem beachtenswerten Sondergutachten des Sachverständigenbeirats für Umweltfragen orientiert, das Sie hier finden: https://www.umweltrat.de/SharedDocs/Downloads/DE/02_Sondergutachten/2008_2012/2011_09_SG_Vorsorgestrategien_fuer_Nanomaterialien.html

Für eine Übersicht zum aktuellen Stand der politischen Umsetzung einer vorsorgeorientierten Regulierung von Nanotechnologie auf EU-Ebene kann ich Ihnen die Zusammenstellung der EFSA (Europäische Lebensmittelsicherheitsbehörde) sowie die Seite der Europäischen Beobachtungsstelle für Nanotechnologie bei der ECHA (Europäische Chemikalienagentur) empfehlen, die Sie hier aufrufen können:

https://www.efsa.europa.eu/de/topics/topic/nanotechnology

https://euon.echa.europa.eu/de/home bzw. https://euon.echa.europa.eu/de/food

Nun zu Ihren konkreten Fragen:

Werden (oder – Wann werden) alle Produkte mit Nanotechnologie genau gekennzeichnet?

Eine allgemeine Kennzeichnungspflicht für Produkte, die Nanopartikel enthalten, ist im hier maßgeblichen EU-Recht bisher nicht vorgesehen. Wir haben bereits 2012 gefordert, „nanospezifische Prüf- und Zulassungsverfahren zu entwickeln und verpflichtend durchzuführen, bevor ein Produkt auf den Markt kommt, um die Sicherheit der verwendeten Materialien in Bezug auf Gesundheit und Umwelt zu gewährleisten“. Darüber hinaus haben wir die zeitnahe Einführung einer Zulassungs- und Kennzeichnungspflicht für Nano-Lebensmittel, eine Meldepflicht für sämtliche Nanoprodukte, ein öffentlich zugängliches Register dieser Produkte, sowie eine verständliche und verbraucherorientierte Produktkennzeichnung für verbrauchernahe und umweltoffene Nanoprodukte gefordert.

Mit „umweltoffen“ ist gemeint, dass diese Produkte tatsächlich Nanopartikel freisetzen. Solange Nanopartikel fest gebunden sind, beispielsweise um eine Oberfläche kratzfest oder schmutzabweisend auszurüsten oder die Stabilität von Beton zu verbessern, werden sie von Expert:innen als weitgehend unproblematisch beurteilt.

Nano-Materialien in Lebensmitteln (Lebensmittelinformationsverordnung, seit 2014), Kosmetika und Bioziden sind nach EU-Recht inzwischen kennzeichnungspflichtig. Allerdings bezieht sich die Kennzeichnungspflicht nur auf technisch hergestellte Nanomaterialien. Nicht kennzeichnungspflichtig sind natürliche, zufällige oder verfahrensbedingte Nanomaterialien. Außerdem greift die bestehende Kennzeichnungspflicht nicht für Lebensmittelverpackungen, wo Nanopartikel bisher vor allem eingesetzt werden. Für weitere Produktgruppen wurden zumindest Registrierungs- und Prüfvorschriften eingeführt. Einige EU-Mitgliedsstaaten haben nationale Register und Datenanforderungen etabliert. Deutschland gehört bisher nicht dazu. (Quelle: Europäische Beobachtungsstelle für Nanotechnologie)

Wie kann eigentlich kontrolliert werden, welche Nanopartikel sich in einem Produkt befinden? Finden solche Kontrollen statt?

Meldepflichten und Register sind die Grundlagen eines wirksamen Kontrollsystems. Der Vollzug muss/müsste im Rahmen der produktgruppenspezifischen Kontrollen erfolgen. Bei Lebensmitteln wären in Deutschland die Überwachungsbehörden der Bundesländer zuständig. Derzeit werden allerdings offenbar keine kennzeichnungspflichtigen Nano-Zutaten in Lebensmitteln eingesetzt. Eine weitere Herausforderung ist die Definition von (gezielt hergestellten) Nanomaterialien.

Wie wird die Herstellung und weitere Verarbeitung von Nanopartikeln überwacht? (Auch unter den Gesichtspunkt des Arbeitsschutzes?)

Die Hersteller von Nanopartikeln müssen die Arbeits- und sonstigen Schutzvorschriften einhalten und – wo diese (noch) fehlen – eigenverantwortlich mit Hilfe bereits entwickelter Kriterien zur Risikoabschätzung (Vor-)Sorge für die Sicherheit ihrer Mitarbeiter:innen und den Schutz von Umwelt und Verbraucher:innen tragen. In unserem Antrag halten wir fest: „Unternehmen, die sich nicht beteiligen oder andere Prinzipien des verantwortungsvollen Umgangs mit Nanomaterialien vernachlässigen, sollten durch angepasste Haftungsregelungen im Sinne der Gefährdungshaftung zur Verantwortung gezogen werden können, wie vom SRU empfohlen.“

Wie wird der internationale Handel mit Nano-Partikeln überwacht?

Zu dieser Frage kann ich Ihnen keine Auskunft geben. Grundsätzlich müssen importierte Stoffe bzw. Produkte den nationalen und EU-Regularien entsprechen.

Sehen sie eine Gefahr, dass Nanopartikel, die in die Umwelt gelangen, nicht nur (beim Herstellungsprozess) die Belegschaft oder den End-Verbraucher schädigen können?

Wenn ich Sie richtig verstehe, bezieht sich diese Frage auf die unabsichtliche Freisetzung von Nanopartikeln im Rahmen der Herstellung. Ich möchte Sie hierzu auf meine Antwort zu Frage 3 verweisen.

Sollten Sie mit Ihrer Frage mögliche negative Auswirkungen von Nanopartikeln auf die Umwelt meinen, so kann ich nur antworten, dass sich diese nicht grundsätzlich ausschließen lassen, wo es sich um bisher nicht bekannte Stoffe mit teilweise neuartigen Eigenschaften handelt. Auch deshalb stehen wir seit 2012 für die oben genannten Melde-, Prüf-, Zulassungs- und Kennzeichnungspflichten ein, die immerhin zum Teil in den letzten Jahren eingeführt wurden.

Ob mit einem natürlichen Abbau der Nanopartikel in der Umwelt zu rechnen ist, muss für jeden Stoff bzw. jede Stoffgruppe einzeln überprüft werden. 2012 haben wir beispielsweise den Verkauf von antibakteriell ausgerüsteten Textilien, die beim Waschen Nanosilber-Partikel abgeben, abgelehnt, weil keine entsprechenden Studien vorlagen. Inzwischen wurde gezeigt, dass Nanosilberpartikel die biologische Aktivität der Bakterien in einer Kläranlage nicht beeinträchtigen, sondern im Klärschlamm gebunden werden. Welche Auswirkungen allerdings das Ausbringen dieses Klärschlamms auf die biologische Aktivität in Böden hat, ist offenbar wiederum noch eine offene Frage. Die so ausgerüsteten Textilien unterliegen inzwischen der Biozid-Verordnung und sind kennzeichnungspflichtig.

Sollten die meisten Produkte nicht viel besser Nanopartikel-frei sein?

Ich bitte Sie um Verständnis, dass sich diese Frage kaum allgemein beantworten lässt. Die mehrfach angesprochene Regulierung sowie erhebliche Anstrengungen, bereits im Vorfeld, im Bereich von Forschung und Produktentwicklung verantwortlich zu handeln, sollen dazu dienen, potentiell problematische, risikobehaftete Anwendungen rechtzeitig zu erkennen und Mensch und Umwelt dadurch zu schützen ohne möglicherweise vorteilhafte Innovationen unmöglich zu machen.

Mit freundlichen Grüßen,

Anna Christmann

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