Frage an Anja Weisgerber von Anne-Catherine K. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrte Frau Dr. Weisgerber,
In letzter Zeit wird in Deutschland oft über den Mindestlohn in der Postbranche diskutiert, wie stehen sie zu diesem Thema? Vergleiche mit dem Ausland zeigen doch, dass der Mindestlohn erfolgversprechend ist, warum gibt es in Deutschland damit so viele Probleme (z.B. Entlassungen, Gerichtsurteil des Bundesverfassungsgerichtes Berlin...)? In wie weit sind uns die anderen Länder mit Mindestlohn in Europa vorraus?
Vielen Dank für die Beantwortung,
mfg Anne-Catherine Kaiser
Sehr geehrte Frau Kaiser,
vielen Dank für Ihre Anfrage, die ich sehr gerne hiermit beantworte.
Die Öffnung des Postmarktes stellt uns in der EU vor besondere Herausforderungen. Ich begrüße diese Öffnung des Marktes, jedoch habe ich stets darauf hingewiesen, dass wir soziale Mindeststandards beachten müssen, damit kein Lohndumping nach unten eintritt und sich die Beschäftigungsbedingungen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Postsektor nicht massiv verschlechtern.
Daher habe ich mich im Sozialausschuss erfolgreich dafür eingesetzt, dass die Mitgliedstaaten die Verpflichtung haben, dass bei den ehemaligen Monopolisten und auch den Wettbewerbern angemessene und vernünftige Arbeitsbedingungen gelten. Es stehen den Mitgliedstaaten danach mehrere Möglichkeiten zur Verfügung, diese zu gewährleisten. Zum einen durch die Option des Tarifvertrages, zum anderen durch die Einführung von Mindestlöhnen - was ich für Deutschland ablehne - oder durch die Verknüpfung von angemessenen Arbeitsbedingungen mit der Vergabe von Lizenzen.
Der Einführung eines Mindestlohnes in Deutschland stehe ich allerdings kritisch gegenüber. Ich befürchte ansonsten die Verlagerung von Arbeitsplätzen in das osteuropäische EU-Ausland und die Verdrängung des Niedriglohnsektors. Weiterhin gibt es in Deutschland bereits ein Mindesteinkommen. Denn wenn der Lohn eines deutschen Arbeitnehmers unterhalb des Mindesteinkommens liegt, so wird dieser vom Staat bezuschusst.
Andere Länder der EU haben Mindestlöhne eingeführt. Diese Modelle sind als Referenz für Deutschland jedoch nicht geeignet. Sie sehen in der Regel umfassende Ausnahmeregelungen vor. In Irland gibt es beispielsweise den Mindestlohn, jedoch ist der Satz bei Berufseinsteigern erheblich reduziert. Auch ist in Ländern mit Mindestlöhnen wie z.B. Großbritannien das Niveau der Sozialhilfe sehr gering, während es in Deutschland bereits Existenzsicherung auf einem höheren Level gibt. Wir können daher Erfahrungen der anderen Mitgliedstaaten mit dem Mindestlohn nicht unmittelbar auf Deutschland übertragen.
Viele Grüße,
Ihre Anja Weisgerber