Was wollen Sie tun, damit Bremen wieder sozial wird?
Guten Tag Frau Stahmann, an kaum einem anderen Ort als einem Hauptbahnhof sieht man, ob ein Staat als Sozialstaat funktioniert oder versagt. In einem funktionierenden Sozialstaat würde es zwar leider auch um Almosen bettelnde Menschen, Drogenabhängige, Kriminelle geben , aber als Minderheit, da kein Sozialsystem perfekt ist. Niemand möchte so enden! Ich sehe aber als gebürtiger Bremer, dass es (nicht nur in Bremen) mehr werden (hauptsächlich Männer!!). In den siebziger und achtziger Jahren war das Problem kaum spürbar. Es war im Allgemeinen sozialer. Nun tut mir das asoziale Verhalten vieler Pendler am Bahnhof, aber auch die widerwärtigen Kommentare im Social-Netwerk immer mehr weh. Ich habe weiterhin beruflich und täglich keine Angst,den Bahnhof zu frequentierten. Es macht mir eher die den Bahnhof bezogene Hetzpropaganda Angst. Wer Menschen aggressiv ausgrenzt, muß sich leider nicht wundern, dass diese Aggressivität zurück kommt. Was wollen Sie tun, damit Bremen wieder sozial wird?
Danke für Ihre Frage, mit der Sie mich – und die gesamte Politik – vor eine der schwierigsten Herausforderungen stellen. Sie fragen ja letztlich, wie ich auf das Klima in der Stadt einwirken will und damit auf jede und jeden einzelnen. Ich sage ganz offen: Das kann ich alleine weder als Politikerin noch in meiner Rolle als Sozialsenatorin. Daran muss die gesamte Gesellschaft arbeiten. Denn nicht jeder Mensch ist offen für die Nöte anderer. Es gibt Menschen wie Sie, die anderen mit Respekt und Achtung gegenübertreten, es gibt aber auch Menschen, die sich abgrenzen und – gewollt oder ungewollt – andere diskriminieren und herabwürdigen, oft aus Angst oder Unwissenheit.
Wichtig ist aber zunächst, dass wir als Staat diesen Menschen mit Respekt – und das bedeutet vor allem: mit Hilfsangeboten – gegenübertreten. Wichtige Bausteine dafür haben wir, das sind die sozialen Angebote in unserer Stadt, sowohl im Bereich der Obdachlosen- als auch in der Drogenhilfe. Mit diesen Instrumenten stellen wir sicher, dass obdachlose und drogensüchtige Menschen Zugang zu medizinischer Versorgung, psychologischer Betreuung, Arbeits- und Wohnangeboten haben, damit die negativen Kreisläufe durchbrochen werden. Wir berichten über unsere Arbeit auch regelmäßig in den politischen Gremien, und die Berichte finden ihren Niederschlag in der Presse. In dieser beständigen Arbeit hoffe ich, dass wir auch positiv auf das Klima in der Stadt einwirken.
Wichtig ist mir, dass Obdachlose und drogensüchtige Menschen mit ihren Anliegen gehört werden, ihre Stimmen und Bedürfnisse müssen in politischen Entscheidungsprozessen stärker berücksichtigt werden. Ich spreche oft mit den Obdachlosen am Bahnhof und in der Innenstadt, ich kenne einige ihrer Lebensgeschichten und setze mich politisch und in öffentlichen Debatten dafür ein, dass ihre Rechte und Interessen gewahrt werden, ohne, dass die Rechte anderer verletzt werden. Zum Beispiel unterstütze ich die Suppenengel bei ihrer Arbeit und habe unter anderem sichergestellt, dass sie weiterhin am Bahnhof und in dessen Umfeld ihre Mahlzeiten ausgeben können.
Das alles ändert nichts daran, dass wir als Gesellschaft gemeinsam daran arbeiten müssen, eine offene und inklusive Stadtgesellschaft zu schaffen, in der jeder Mensch einen Platz hat und niemand ausgegrenzt wird. Auch wenn ich 12 Jahre lang als Sozialsenatorin für Verständnis geworben und Menschen in schwierigen Lebenslage unterstützt habe – das soziale Klima der Stadt einzuwirken ist und bleibt eine Gemeinschaftsaufgabe, die Engagement und Zusammenarbeit auf allen Ebenen der Gesellschaft erfordert, von der Politik bis hin zu den einzelnen Bürgerinnen und Bürgern.