Frage an Anja Kofbinger von Henning B. bezüglich Soziale Sicherung
Ihre Partei setzt sich doch dafür ein, dass die vielen Berliner Altbauten gedämmt und mit Fernwärme aus Kraft-Wärme-Kopplung versorgt werden sollen. Leider aber sorgt diese im Kern vielleicht gute Idee in unserem Reuter-Kiez dafür, dass viele Menschen Angst um ihre Wohnungen haben müssen, da den Baumaßnahmen wie bei uns im Haus in der Weichselstr. Mietsteigerungen von rund 50 % gegenüber stehen. Finden Sie das gerechtfertigt, das wir als Familie, die hier seit über zehn Jahren im Kierz lebt, aus Gründen des Umweltschutzes vertrieben werden soll? Der neue Vermieter macht keinen Hehl daraus, dass die meisten Mieter in unserem Haus ihm nicht solvent genug sind und lieber heute als morgen ausziehen sollten. Was könnten Sie dagegen tun?
Lieber Herr Brüns,
natürlich soll niemand aus welchen Gründen auch immer aus seinem Kiez vertrieben werden, auch nicht aus Umweltschutzgründen. Da ich selber Bewohnerin des Reuterkiezes bin (Weserstraße/ fast Ecke Weichsel) kann ich Ihnen das wohl glaubhaft versichern. Aber wir wollen den Klimaschutz im Gebäudebestand als soziale Aufgabe anpacken.
Die Energiepreise steigen und verursachen über die Wärmeversorgung die Erhöhung der Mietpreise. So haben sich die Heizkosten vor der Wirtschaftskrise in 8 Jahren nahezu verdoppelt. Den zu erwartenden weiteren drastischen Energiepreisanstieg der nächsten Jahre wollen wir durch Investitionen in Wärmedämmung, energieeffiziente Anlagen und erneuerbare Energien entschärfen. Die Kosten dafür müssen gerecht verteilt werden auf VermieterInnen, MieterInnen und Staat.
Wichtig ist uns hierbei insbesondere, die Belastung für finanziell schwächere MieterInnen abzufedern.
Wir wollen die energetische Sanierung der Berliner Wohnungen klimaverträglich, sozial gerecht und technologieoffen auf den Weg bringen. Das von BUND, IHK und Berliner Mieterverein vorgeschlagene Stufenmodell werden wir dafür weiterentwickeln und umsetzen.
Mit einer neuen Agentur für Klimaschutz wollen wir Vermieter bei Sanierungsvorhaben beraten und dafür werben, dass die Berlinerinnen und Berliner Fördermittel der KfW und der EU stärker nutzen.
Um einer Verdrängung von Hartz-IV-Haushalten entgegen zu wirken, müssen energetische Standards von Wohnungen bei der Angemessenheitsprüfung der Kosten der Unterkunft berücksichtigt werden. Wir wollen deshalb mit der Novellierung der AV Wohnen einen Klimabonus einführen.
Mit einem Bürgschaftsmodell wollen wir zusätzliche zinsverbilligte Kreditangebote für die energetische Sanierung mobilisieren und gleichzeitig die Bedingungen für faire Contracting-Modelle in Berlin verbessern, um so die umlagefähigen Modernisierungskosten weiter zu reduzieren.
Wir wollen die MieterInnen vor unnötigen Luxusmodernisierungen schützen. Die 11%ige Modernisierungsumlage wollen wir deshalb deutlich absenken und auf Maßnahmen für Energieeinsparung, Klimaschutz und Barrierefreiheit beschränken. Wir setzen uns für eine entsprechende Änderung des Mietrechts ein.
Mit all diesen flankierenden Maßnahmen, lieber Herr Brüns, wollen wir dafür sorgen, dass auch Familien wie die Ihre und meine anderen NachbarInnen im Kiez Energie und Geld sparen und gleichzeitig keine unsozialen Mietsteigerungen hinnehmen oder gar umziehen müssen.
Herzliche Grüße
Anja Kofbinger