Frage an Anja Hajduk von Annette-C. D. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Guten Tag, Frau Hajduk,
vor Wahl des Bundestags möchte ich mir ein besseres Bild von den künftigen Volksvertretern machen.
Unsere Politik begeht sehr viele Rechtsbrüche. Sie bleiben ungeahndet, weil wir Bürger nicht die Möglichkeit haben zu klagen und SIE – als unsere Vertreter – bisher unsere Rechte nicht wahrnehmen.
Insbesondere meine ich den Bruch des Maastrichter Abkommens, nach dem kein Staat dem anderen aus einer finanziellen Notlage helfen darf. Der Euro war ja aus gutem Grund so und nicht anders konzipiert worden. Er war auch nur deshalb zeitweise so stark, weil diese Regel großes Vertrauen schaffte. Die Regel suggerierte, dass sich jeder Teilnehmer des Währungsverbunds selbst anstrengen muss, um im Euro bestehen zu können. Dieses Bekenntnis zur Selbstdisziplin schuf Vertrauen.
Mit dem Bail-Out (Griechenland) war dieses Vertrauen weg. Seitdem konnte es auch nicht wieder hergestellt werden. Sämtliche Rettungsmaßnahmen liefen ins Leere und machten die Lage in den Schuldenländern und in unserem Land nur noch schlimmer.
Danach nahm man es auch mit anderen Regeln nicht mehr so genau.
Unsere Währung verkommt, unsere finanzielle Lage verschlechtert sich.
Unsere Volksvertreter scheint es nicht zu interessieren.
Wie also werden SIE sich in der nächsten Legislaturperiode verhalten?
Werden auch SIE dazu beitragen, dass weiter Recht und Verträge gebrochen werden? Oder werden SIE Ihre Stimme bei einem weiteren Hilfspaket (egal für wen) verweigern mit dem Hinweis auf geltendes Recht und darauf, dass diese Hilfspakete ohnehin lediglich den Banken und ihren Anlegern zu weiteren lukrativen Gewinnen verhelfen, die ohne unsere Krise gar nicht möglich wären? So, wie es schon jetzt einige wenige Abgeordnete tun?
Für MICH ist die Beantwortung der Euro-Frage wahlentscheidend und deshalb bitte ich Sie um eine ehrliche Antwort.
An dieser Antwort werde ich Sie und Ihre Arbeit dann in den nächsten 4 Jahren messen.
Vielen Dank!
Mit freundlichen Grüßen
Annette-C. Delinicolas
Sehr geehrte Frau Delinicolas,
nach Art. 122 Abs.2 des AEU-Vertrages ist es den EU Mitgliedstaaten, die aufgrund außergewöhnlicher Ereignisse, die sich der staatlichen Kontrolle entziehen, bzw. Staaten, die von gravierenden Schwierigkeiten ernstlich bedroht sind, rechtmäßig gestattet, unter bestimmten Auflagen die finanzielle Unterstützung der Europäischen Union in Anspruch zu nehmen. Dieser Fall ist in den fünf Ländern der Euro-Zone, die finanzielle Leistung über die Rettungsschirme ESFF und ESM beziehen, eingetreten. Der Vertrag von Maastricht wurde daher durch die einzelnen Rettungsschirme nicht gebrochen.
Auf europäischer Ebene setzen wir uns durch die Aussprache pro Europäische Bürgerinitiativen und Volksentscheide für ein demokratischeres Europa ein, welches sich den Bürgerinnen und Bürgern transparent und verständlich öffnet. Unser Ziel ist es, den Europäerinnen und Europäern zu zeigen, dass Europa eine Gemeinschaft der Bürgerinnen und Bürger ist. Jede Meinung zählt und birgt das Potential die Zukunft der Europäischen Union mitzugestalten.
Die Gewährung von Kredithilfen in Spanien, Griechenland, Portugal, Irland und Zypern wurde in allen Fällen innerparteilich umfangreich diskutiert. Das Ergebnis langer Gespräche fand sich in der Erkenntnis, dass sich mit dem Ausbleiben finanzieller Hilfsmittel die sozialen und wirtschaftlichen Folgen der Finanzkrise in den genannten Staaten weitaus gravierender gestalten würden, als mit der Unterstützung der EU-Mitgliedstaaten. Aus diesem Grund stimmten wir bislang immer für die Gewährung finanzieller Unterstützung der Krisenländer. Die Grundprinzipien der europäischen Solidarität müssen besonders in Zeiten der Krise der Grundgedanke gemeinsamer Politik sein.
Nichtsdestotrotz sprechen wir uns von den GRÜNEN nicht prinzipiell für die Zahlung von Hilfsmitteln aus, sondern diskutieren sie stets vor dem Hintergrund ihrer wirtschaftlichen und politischen, vor allen Dingen aber vor ihrer sozialen Notwendigkeit. Nur ein Teil der bislang gezahlten Gelder ist in die Rettung der krisenbetroffenen Banken geflossen. Viele Transfermittel kommen der direkten finanziellen Entlastung der Zivilbevölkerung zu Gute. Wir von den GRÜNEN votierten für den EU-Sonderfonds, dessen Hilfsmittel für die Unterstützung der zahlreichen Jugendlichen in den Südeuropäischen Mitgliedstaaten eingesetzt wird. Die Jugendarbeitslosigkeit in Spanien und Griechenland hat mit bis zu 50 % Rekordhöhen erreicht. Sparmaßnahmen dürfen nicht auf den Rücken der Ärmsten getragen werden. Durch gezielte finanzielle Unterstützung der Krisenländer konnte die sozialgesellschaftliche Situation erheblich verbessert werden. Dafür stehen wir auch in Zukunft.
Ich hoffe, ich konnte Ihre Frage ausreichend beantworten.
Mit freundlichen Grüßen
Anja Hajduk