Frage an Anja Hajduk von Sven P. bezüglich Bundestag
Sehr geehrte Frau Hajduk,
Ich musste fast 60 Jahre alt werden, um jetzt Ihnen, der von mir gewählten Mandatsträgerin zu schreiben.
Die Entscheidungen zur Bewältigung der Corona Lage der Bundesregierung sind für mich sehr zweifelhaft, die Professionalität bei der Entscheidungsfindung unzureichend, basieren sie doch im Wesentlichen zum Beispiel auf folgenden Punkten:
- wissenschaftlich bezweifelte Spezifität und Zuverlässigkeit des PCR Tests (Unterscheidung zwischen pos. getesteten und infizierten Menschen und Menschen mit Symptomen)
- ungeklärter Nutzen der Masken
- Ignorierung der Kollateral-Schäden (-Toten) aufgrund der Maßnahmen
- ungeklärte Verhältnismäßigkeit
- …
Was mich aber in letzter Zeit wirklich besorgt, ist das aus meiner Sicht zunehmend undemokratische Vorgehen unserer Regierung. Diese Sicht teilen, wie Sie wissen, viele andere Menschen, Politiker sowie hochrangige Verfassungsrechtler.
Bitte teilen Sie mir Ihre Meinung dazu mit, dass die Regierung die jüngsten Beschlüsse mit sehr weitreichenden Auswirkungen für uns alle zusammen mit den Ministerpräsidenten ohne parlamentarische Beteiligung auf dem Rücken des Infektionsschutzgesetzes durch Verordnungen anstatt Gesetzen durchsetzt.
Wie gehen Sie als die mich vertretende Bundestagsabgeordnete damit um?
Ich freue mich auf Ihre Antwort.
Beste Grüße, bleiben Sie gesund, mutig und demokratisch
Sehr geehrter Herr W.,
vielen Dank für Ihre Frage. Der Gesetzentwurf der Fraktionen von Union und SPD (Drucksache 19/23944) enthält aus unserer Sicht einige sinnvolle kurzfristige Maßnahmen wie etwa zur digitalen Vernetzung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes sowie zum Ausbau der Testkapazitäten. Der Entwurf der beiden Koalitionsfraktionen versagt aber dabei, ein wesentliches Ziel zu erreichen: die bereits bestehenden, durch die Länder erlassenen, Einschränkungen auf eine hinreichende gesetzliche Grundlage (in §28a neu des Infektionsschutzgesetzes) zu stellen und die Rechte des Parlamentes zu sichern. Der Entwurf schafft nämlich gerade keine präzise gesetzliche Grundlage für das Vorgehen der Länder. Er entspricht so weder dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebot noch sichert er den Parlamentsvorbehalt. Unsere Kritik wurde so auch in der Anhörung im Gesundheitsausschuss des Bundestages von etlichen juristischen Expertinnen und Experten geteilt.
Die Koalitionsfraktionen ignorieren zudem mit diesem Gesetzentwurf die deutliche Kritik an der bisher mangelnden Einbindung des Deutschen Bundestages und den viel zu weitgehenden Verordnungsermächtigungen der Bundesregierung. So haben wir frühzeitig gefordert, dass der Bundestag die Aufhebung einzelner Verordnungen verlangen kann. Wir sind der Meinung, dass diese Pandemie mit möglichst geringen sozialen, gesundheitlichen, ökonomischen und gesellschaftlichen Schäden bekämpft werden kann und muss. Dies darf nicht zur Unterminierung rechtsstaatlicher Grundsätze führen.
Wir sind der Auffassung, dass das Infektionsschutzgesetz mit den Erfahrungen dieser Pandemie aus verschiedenen Perspektiven gründlich modernisiert werden muss. Dazu gehören einerseits rechtsstaatliche Aspekte, aber auch die Frage nach einer stärkeren Verantwortung des Bundes und eine stärkere Einbeziehung wissenschaftlicher Politikberatung und wissenschaftlicher Erkenntnisse in die Entscheidungsfindung des Bundesregierung und des Bundestages. Hierzu schlagen wir schon seit einiger Zeit einen interdisziplinär besetzten wissenschaftlichen „Pandemierat“ vor. Ihm sollen Expertinnen und Experten unterschiedlicher Fachrichtungen angehören, insbesondere aus Medizin, Gesundheitswissenschaft, Wirtschaftswissenschaften, Sozialwissenschaften, Rechtswissenschaft. Ziel ist es, die gesundheitlichen, sozialen und auch die ökonomischen Folgen der Pandemie und ihrer Bekämpfung soweit wie möglich zu reduzieren. In unseren Anträgen haben wir das näher skizziert. „Rechtsstaat und Demokratie in der Corona-Pandemie“: http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/19/239/1923980.pdf sowie „Pandemierat jetzt gründen – Mit breiterer wissenschaftlicher Perspektive besser durch die Corona-Krise“: http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/19/205/1920565.pdf.
Mit freundlichen Grüßen
Anja Hajduk