Frage an Angelika Gramkow von Verena R. bezüglich Bildung und Erziehung
Sehr geehrte Frau Gramkow,
Sie haben für das neue Schulgesetz gestimmt! Sie haben JA gesagt zu: deutlich größeren Klassen in Schwerin, nicht Längeres gemeinsames Lernen in verlängerter Grundschulzeit sondern Wechsel vieler an die Regionalschulen mit neuen Lehrern und neuen Kindern aus anderen Grundschulen, nach 2 Jahren wieder neu gemischte Klassen mit neuen Lehrern für die verbleibenden Regionalschüler und zusätzlich ein weiterer Schulwechsel für Gymnasiasten! Alle Schulexperten hatten dazu größte Bedenken geäußert. Weshalb wird diese für alle Kinder erschwerte Schullaufbahn in zusätzlich sehr großen Klassen , wieso sollte dies ausgerechnet den zahlreichen Kindern aus sozial schwachen und aus Migrantenfamilien helfen, besser in unsere Gesellschaft integriert zu werden? Gerade diese Schüler brauchen doch besondere Zuwendung, überschaubare Lernbedingungen in kleinen Klassen und dauerhafte und verlässliche Bezugspersonen.
Das neue Schulgesetz verstärkt den Zulauf an die Spezialgymnasien und an die Freien Schulen und es verstärkt damit die soziale Selektion: Wieso soll diese schwierige Schullaufbahn unter schlechteren Rahmenbedingungen als bisher (28 Kinder in der 1. und 5. Klasse! UND eine Förderstunde weniger in der 5.Klasse) ausgerechnet schwächeren Schülern mehr Chancengerechtigkeit und bessere Grundlagen für eine gute Berufsausbildung bringen?
Mit freundlichem Gruß
Verena Riemer
Sehr geehrte Frau Riemer,
ja, Sie haben Recht, ich habe für das neue Schulgesetz gestimmt. Mit seiner Umsetzung und der Entscheidung zum längeren gemeinsamen Lernen ziehen wir Konsequenzen aus den Ergebnissen internationaler Studien wie Pisa und Timms. Diese belegen, dass die frühe Aufteilung der Schülerinnen und Schüler in verschiedene Schularten mit erheblichen Nachteilen für die Kinder verbunden ist. Auch die jüngste OECD-Studie bestätigt dies aufs Neue.
Die Diskussion um die Trennung nach Klasse 6 verkennt, dass wir dies nur als einen Zwischenschritt verstehen. Wie Sie als Mitglied des Landeselternrates sicher wissen, konnte eine Ausweitung bis einschließlich Klasse 8 gegenwärtig nicht erfolgen. Wir liefen Gefahr, dass die Schulabschlüsse von anderen Bundesländern nicht anerkannt werden (geltende Regelung der Kultusminister-Konferenz). Die Linkspartei.PDS wird sich jedoch weiterhin für das längere gemeinsame Lernen bis mindestens einschließlich der 8. Klasse einsetzen. Auch wir sehen die Notwendigkeit, die pädagogischen Rahmenbedingungen für alle Kinder zu verbessern. Dafür wird meine Partei weiterhin kämpfen.
Zugleich stellt die demographische Entwicklung im Land alle Akteure im Bereich Bildung vor große Herausforderungen. Einige Zahlen mögen dies verdeutlichen: Besuchten 1992 noch rund 330 000 Schülerinnen und Schüler die allgemein bildenden Schulen in Mecklenburg-Vorpommern, so haben wir gegenwärtig nur noch 146 000, in der Tendenz haben wir in den kommenden Jahren mit einem weiteren Absinken auf 125 000 zu rechnen. Das Land muss unter diesen Bedingungen weiterhin alles tun, um möglichst wohnortnahe Schulstandorte zu sichern. Durch das neue Schulgesetz können wir auch weiterhin diese wohnortnahe Beschulung gewährleisten.
Sehr geehrte Frau Riemer,
mit dem Beginn des neuen Schuljahres und dem Wechsel der Kinder an die Regionalschule des Landes gab und gibt es noch Holpersteine. Ich bin jedoch sicher, dass diese spätestens mit dem kommenden Schuljahr ausgeräumt sind. Sie halten als Unterstützerin des Volksbegehrens gegen das Schulgesetz den von uns eingeschlagenen Weg für falsch. Das ist legitim, wird aber an meiner grundsätzlichen Einstellung zu bildungspolitischen Entwicklungen für die Kinder und Jugendlichen in unserem Land nichts ändern.