Frage an Angelika Brunkhorst von Rainer N. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrte Frau Brunkhorst,
die "Hannoversche Allgemeinen Zeitung" vom Montag beruft sich auf ein Konzept der Partei für "ein einfaches, transparentes und leistungsgerechtes Gesundheitswesen", das am Montag vom FDP-Präsidium beschlossen und anschließend als Antrag im Bundestag eingebracht werden solle. Die FDP sieht dem Bericht zufolge auch in Teilen der Union die Bereitschaft zu einem grundsätzlichen Kurswechsel in der Gesundheitspolitik. "Ich sehe einige Partner in der Union. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Union weiter den Weg in eine zentralistische Einheitskasse gehen will", wird der gesundheitspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Daniel Bahr zitiert.
Soviel zum Anlass meiner Fragen!
Wie halten Sie von der derzeitigen gesetzlichen Krankenversicherung?
Sind Sie für die geforderte Abschaffung?
Würden die "Gering- oder Garnichtsverdiener" nicht nur noch eine Minimalversorgung mit Minimalbeitrag erhalten, die "Besserverdienenden" die besten Leistungen?
Sehr geehrter Herr Niehaus,
vielen Dank für Ihr Schreiben vom 10. Februar 2009.
Was uns veranlasst hat, den von Ihnen zitierten Antrag im Deutschen Bundestag einzubringen, ist die tiefe Sorge um unser Gesundheitswesen. Seit Jahren erleben wir, dass bei der Vielzahl hochkomplizierter Regelungen niemand mehr richtig durchblickt. Selbst die verantwortlichen Politiker sind kaum noch in der Lage, die Konsequenzen ihres Handels in allen Einzelheiten vorherzusehen. Die Patienten erleben, dass sie bei dem einen Apothekenbesuch einmal das eine und das nächste Mal ein anderes Medikament erhalten. Benötigen sie Hilfsmittel, können sie nicht mehr zu demjenigen gehen, der sie bisher damit versorgt hat, sondern nur noch zu Lieferanten, die ihre Krankenkasse ausgewählt hat. In den Krankenhäusern vergeht teilweise viel Zeit bis die benötigte Hilfe kommt.
Gleichzeitig ist der Beitragssatz stetig gestiegen, zuletzt zu Beginn des Jahres auf das Rekordniveau von 15,5 Prozent. Das hat für viele Bürger zu einer zum Teil erheblichen Mehrbelastung geführt, ohne dass sich dadurch die Gesundheitsversorgung verbessert hätte. Vielmehr hat sich das deutsche Gesundheitssystem mit den letzten Reformen mehr und mehr in die Richtung eines staatlich gesteuerten, zentralistischen Einheitssystem verschoben. Die schwarz/rote Koalition schiebt die Verantwortung von sich, dabei hat sie den gesetzlichen Rahmen gesetzt, der genau zu dem jetzt beobachtbaren Folgen geführt hat.
Erschwerend kommen die zukünftigen Probleme hinzu. Sie ergeben sich aus der steigenden Zahl älterer Menschen mit hohem Bedarf an Gesundheitsleistungen und, im Verhältnis zu den aktiv Beschäftigten, relativ geringen Krankenversicherungsbeiträgen bei gleichzeitiger Abnahme der Zahl jüngerer Menschen. Die Antwort der Ministerin, dass es allein darauf ankomme, dass Menschen für Menschen einstehen sollen, greift deshalb zu kurz. Ihre Verteufelung der Bildung von Kapital führt dazu, dass wir in einigen Jahren mit einer Kombination aus sehr hohen Beitragssätzen und massiver Rationierung leben müssen, wenn nicht umgehend konsequent Vorsorge getroffen wird. Der Vorwurf, dass die Kapitalkrise zeigen würde, dass dies der falsche Weg ist, ist völlig verfehlt. Es ist immer noch besser, nur ein Teil der erwarteten Rendite realisieren zu können, als keine Rücklagen zu haben.
Gegen diese Entwicklung möchte die FDP-Bundestagsfraktion mit dem Antrag (siehe Anlage; Drs. 16/11879), den wir in der letzten Woche beschlossen haben, ein Gegenentwurf setzen, der auf den Fundamenten Verständlichkeit, Versorgungssicherheit, Transparenz, Vielfalt, Wahlfreiheit der Tarife, der Therapeuten und Therapie, Wettbewerb, Nachhaltigkeit, Eigenverantwortung und Leistungsgerechtigkeit beruht. Um das erreichen zu können, müssen sich auch die heutigen Krankenversicherer ändern. Keinesfalls jedoch will die FDP, wie das teilweise behauptet worden ist, die Krankenversicherung abschaffen.
Die FDP hält es für eine elementare Voraussetzung für eine zivilisierte und humane Gesellschaft, dass sich jeder Bürger darauf verlassen kann, im Krankheitsfall versorgt zu sein. Wer sich aus eigener Kraft keinen Versicherungsschutz leisten kann, hat Anspruch auf die Hilfe der Gesellschaft. Ihm muss mit staatlichen Zuschüssen gezielt geholfen werden. In der beitragsfinanzierten GKV ist das nur mit großen Streuverlusten und Ungerechtigkeiten möglich.
Wir wollen zudem, dass so schnell wie möglich Reserven für die Zeit angelegt werden, wenn es nur relativ wenige junge Menschen und viele alte Menschen gibt, damit auch dann noch eine gute Gesundheitsversorgung ohne Rationierung möglich ist und der Krankenversicherungsschutz bezahlbar bleibt. Bei der heutigen Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung ist das nicht gewährleistet.
Schluss sein muss auch endlich mit der Gängelung der Patienten und ihrer Ärzte. Ärztliche Heilkunst beschränkt sich doch nicht darauf, eine von Funktionären zugelassene Methode X oder Y anzuwenden. Entscheidend ist vielmehr das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient. Die Freiberuflichkeit ist ein wesentliches Element für eine gute Gesundheitsversorgung. Jemand der sich nur an Anweisungen von oben hält, kann nie und nimmer so gut heilen wie ein einfühlsamer, motivierter Therapeut, der zusammen mit dem Patienten bespricht, welche Therapie am besten geeignet ist, ihm zu helfen. Die freie Arztwahl muss eine Selbstverständlichkeit sein. Genauso wichtig ist es, dass die Versicherten Auswahlmöglichkeiten zwischen verschiedenen Versicherungstarifen haben, die auf ihre individuellen Bedürfnisse zugeschnitten sind.
Kostenerstattung bedeutet übrigens nicht, wie das fälschlicherweise behauptet worden ist, dass Patienten beim Arzt ohne Vorlage ihrer Kreditkarte keine Behandlung mehr erhalten. Bereits heute ist das auch in der privaten Krankenversicherung nicht der Fall. Kostenerstattung bedeutet vielmehr die erforderliche Transparenz, sodass Patienten von ihrem Arzt eine Rechnung über die erbrachten Leistungen erhalten und sie diese Rechnung bei ihrem Krankenversicherer einreichen. Bei teuren Krankenhausbehandlungen ist es in der privaten Krankenversicherung bereits heute üblich, die Rechnung nach Kostenzusage direkt zu übernehmen, wenn der Versicherte das wünscht. Wir versprechen uns davon, dass der Arzt die Rechnung sorgfältig erstellt und der Patient, im Wissen darum, wie teuer Gesundheitsleistungen sind, nur wirklich medizinisch Notwendiges in Anspruch nimmt.
Sowohl auf Seiten der Versicherer als auch auf Seiten der Leistungserbringer muss fairer Wettbewerb durch konsistente wettbewerbs- und kartellrechtliche Regelungen ermöglicht werden. Die überbordende Regulierung im Gesundheitswesen ist auf das notwendige Mindestmaß zurück zu drängen. Wir müssen ein Klima des Vertrauens schaffen, statt die Kontrollen immer weiter auszubauen. Die Aufgabe des Staates ist es, die Rahmenbedingungen für die Gesundheitsversorgung zu setzen, nicht jedoch jedes Detail bis ins Kleinste zu regeln.
Ich denke, dass diese Erläuterungen deutlich machen, warum die FDP ein Umsteuern für erforderlich hält, das über eine reine Kostendämpfung hinausgeht.
Mit freundlichen Grüßen
Angelika Brunkhorst, MdB