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Frage von Dieter Georg J. •

Frage an Angelika Brunkhorst von Dieter Georg J. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrte Frau Brunkhorst,

Sie haben als niedersächsische Bundestagsabgeordnete am 29.06.2012 für den ESM gestimmt.

a) Hatten Sie vor Ihrer Abstimmung Zugang zum genauen Wortlaut des Gesetzesentwurfs des ESM?

b) Wenn ja, bei wem haben Sie vor Ihrer Abstimmung kompetenten juristischen Rat zur Erläuterung und zu den Auswirkungen des ESM eingeholt?

c) Glauben Sie, dass der ESM in seiner jetzigen Fassung mit der deutschen Verfassung, dem Grundgesetz und dem Urteil des BVerfG vom 07.11.2011 zum ESFS zu vereinbaren ist?

d) Teilen Sie die Ansicht: "Wenn der Euro fällt, fällt auch Europa"?

d) Bitte begründen Sie kurz, weshalb Sie für den ESM gestimmt haben.

e) Bitte beziffern Sie kurz die z.Zt. bestehenden Verbindlichkeiten Deutschlands bzw. der deutschen Steuerzahler gegenüber Institutionen und anderen Ländern inkl. Bürgschaften und ESM.

f) Wie begründen Sie den Widerspruch der Aussage vieler Ihrer Kolleginnen und Kollegen "Der Euro hat Deutschland nur Vorteile gebracht" zu dem Faktum, dass die Pro-Kopf-Verschuldung in Deutschland seit Bestehen des Euros von 15.000 Euro auf über 25.000 Euro (= plus 67 Prozent) gestiegen ist?

g) Was bedeutet der Begriff "Harmonisierter Preisindex" für Sie - besonders im Zusammenhang mit den durch Medien und Bundesregierung "offiziell" verkündeten Inflationsraten?

h) Ist Ihnen bekannt, dass die Renten in Deutschland in den letzten 10 Jahren durchschnittlich nur um 1,04 Prozent jährlich gestiegen sind u. damit nur die Hälfte der "offiziellen" Inflation ausglichen?

g) Wie bzw. mit welchen Mitteln wollen Sie u. Ihre Partei den Rentnern (nicht Pensionären...) ein würdevolles Leben über dem Existenzminimum bzw. der Armutsgrenze realistisch u. dauerhaft gewährleisten?

Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie ALLE meine Fragen gewissenhaft, aufrichtig und klar (bitte ohne politische Sprechblasen) beantworteten.

Beste Grüße aus dem Weserbergland
Dieter G. Jürgens

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Jürgens,

vielen Dank für Ihre Fragen, die ich Ihnen gerne beantworte.

a) Hatten Sie vor Ihrer Abstimmung Zugang zum genauen Wortlaut des Gesetzesentwurfs des ESM?

Selbstverständlich lag mir der Gesetzesentwurf vor. Erste Fassungen übrigens schon seit Mitte 2011. Der konkrete Gesetzentwurf zur Ratifizierung ist bereits Ende März 2012 in erster Lesung im Bundestag behandelt worden.

b) Wenn ja, bei wem haben Sie vor Ihrer Abstimmung kompetenten juristischen Rat zur Erläuterung und zu den Auswirkungen des ESM eingeholt?

Mir standen bei all meinen Fragen fachkundige Juristen der Fraktion, der Bundesregierung und juristischer Rat außerhalb des Parlaments zur Seite.

c) Glauben Sie, dass der ESM in seiner jetzigen Fassung mit der deutschen Verfassung, dem Grundgesetz und dem Urteil des BVerfG vom 07.11.2011 zum ESFS zu vereinbaren ist?

Ja, ich bin davon überzeugt, dass der ESM in seiner jetzigen Form mit dem Grundgesetz und unserer Verfassung vereinbar ist. Ansonsten hätte ich nicht dafür gestimmt.

d) Teilen Sie die Ansicht: "Wenn der Euro fällt, fällt auch Europa"?

Nein, das denke ich nicht! Europa ist mehr als nur eine Fiskalunion.

d) Bitte begründen Sie kurz, weshalb Sie für den ESM gestimmt haben.

Der ESM ist ein Nothilfeinstrument, welches durch seine am konkreten Einzelfall angepassten Eingriffsmöglichkeiten sowie eine hohe Marktakzeptanz maßgeblich zur Stabilisierung der Eurozone beitragen wird. Fiskal-Vertrag und ESM bilden zwei Seiten einer Medaille ab. Beide Verträge zusammen sollen sowohl kurzfristig, als auch langfristig zu finanzpolitischer Stabilität in der Eurozone führen. Der ESM dient dabei zur kurzfristigen Stabilisierung von in Not geratenen Staaten zur Bewahrung der Stabilität in der Eurozone insgesamt und der Fiskal-Vertrag soll gewährleisten, dass es in Zukunft nur noch tragfähige Staatshaushalte in der Eurozone und damit letztlich keine Notfälle für den ESM mehr geben wird.

e) Bitte beziffern Sie kurz die z.Zt. bestehenden Verbindlichkeiten Deutschlands bzw. der deutschen Steuerzahler gegenüber Institutionen und anderen Ländern inkl. Bürgschaften und ESM.

Deutschland bürgt mit insgesamt 310,3 Mrd. in den bestehenden Rettungsschirmen. Das ist viel Geld und der politische Abwägungsprozess war nicht einfach. Doch letztlich lebt Deutschland vom Export. Dieser geht etwa zur Hälfte in EU-Länder. Ein Viertel der deutschen Beschäftigten arbeitet im exportabhängigen Bereich. Wenn wir hinnehmen, dass andere EU-Partner - trotz eigener Schuld - Pleite gehen, hat das massive negative Auswirkungen auf die gesamte Eurozone und auch auf Deutschland. Die Exporte würden einbrechen und wir würden die Krise stärker zu spüren bekommen, als uns allen lieb ist.

f) Wie begründen Sie den Widerspruch der Aussage vieler Ihrer Kolleginnen und Kollegen "Der Euro hat Deutschland nur Vorteile gebracht" zu dem Faktum, dass die Pro-Kopf-Verschuldung in Deutschland seit Bestehen des Euros von 15.000 Euro auf über 25.000 Euro (= plus 67 Prozent) gestiegen ist?

Ich teile die Position, dass uns der Euro im privaten wie auch im wirtschaftlichen Leben viele Vorteile gebracht hat. Allerdings gilt, auch in Deutschland, dass die öffentlichen Haushalte größere Sparmaßnahmen ergreifen müssen. Die christlich-liberale Koalition hat deshalb gleich zu Beginn ihrer Regierungszeit ein in unserer Geschichte bisher beispielloses Sparpaket im Umfang von 80 Mrd. Euro aufgelegt.

g) Was bedeutet der Begriff "Harmonisierter Preisindex" für Sie - besonders im Zusammenhang mit den durch Medien und Bundesregierung "offiziell" verkündeten Inflationsraten?

Der harmonisierte Verbraucherpreisindex (HVPI) ist ein in der EU erhobener Verbraucherpreisindex. Er wird zur Inflationsmessung herangezogen, spiegelt die Konsumausgaben in den einzelnen Staaten wider und wird einheitlichen Regeln berechnet. Die jährliche wechselnde Gewichtung kann man durchaus kritisch betrachten.

h) Ist Ihnen bekannt, dass die Renten in Deutschland in den letzten 10 Jahren durchschnittlich nur um 1,04 Prozent jährlich gestiegen sind u. damit nur die Hälfte der "offiziellen" Inflation ausglichen?

siehe Antwort g)

g) Wie bzw. mit welchen Mitteln wollen Sie u. Ihre Partei den Rentnern (nicht Pensionären...) ein würdevolles Leben über dem Existenzminimum bzw. der Armutsgrenze realistisch u. dauerhaft gewährleisten?

Sie zielen wohl eher auf die Frage, warum wir Banken und Staaten mit Milliarden stützen, jedoch Rentenerhöhungen und die finanzielle Altersabsicherung nicht im größeren Umfang durchführen können.

Wir nehmen dieses Bürgschaftsrisiko auf uns, um Europa und auch Deutschland von einem weit größeren Schaden zu schützen. Wenn wir die Staatenverschuldung und die Krise in Europa aus dem Ruder laufen lassen, dann wird sie auch uns am Ende schmerzlich treffen. Dann ist auch bei uns das wirtschaftliche Wachstum in Gefahr.

Mit freundlichen Grüßen

Angelika Brunkhorst