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Angelika Brunkhorst
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Frage von Jan-Peter H. •

Frage an Angelika Brunkhorst von Jan-Peter H. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrte

Ich bin seit 20 Jahren selbständiger Unternehmer in der IT- und Druckbranche und bin ein Anhänger von Marktwirtschaft, Wettbewerb und schlanken Staat.

Ausgehend vom (Super?)-GAU in Fukushima habe ich mich sachkundig gemacht, wie die Haftungsregelungen für Kernkraftwerke in Deutschland aussehen.

Die derzeitige Regelung macht mich fassungslos. Eine angemessene Risikoprämie sollte meiner Meinung nach mind. 10 Cent pro KW/H betragen, damit im Eintreten des Versicherungsfalls zumindest wesentliche Teilschäden abgedeckt sind.
Weiterhin halte ich es für zwingend notwendig, dass jeder (auch ausländischer!) Lieferant von Kernenergie in Deutschland für den gelieferten Strom in oben genannter Höhe einer Zwangshaftpflicht pro gelieferter KW/H unterworfen wird.

Nur wenn die Risiken der Atomkraft in den Strompreis eingepreist werden, bestehen überhaupt die Voraussetzung für einen fairen Wettbewerb im Strom-Markt.

An Sie als Abgeordneter im Ausschuss Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit habe ich folgende Fragen:

1) Stimmen Sie der 1992er Prognos Studie "Abschätzung der Schäden durch einen sogenannten "Super-GAU" zu, dass die Kosten für Deutschland in einer Größenordnung von ca. 5 Billionen EURO liegen würden ?

2) Welchen Anteil könnte ungefähr davon die Deutsche Kernreaktor Versicherungsgemeinschaft tragen, wenn die Risikoprämie auf einen Betrag von 10 Cent pro KW/H Strom aus Kernkraftwerken angehoben würde ?

3) Welche Möglichkeiten sehen Sie, dass inländische als auch ausländische Lieferanten für nach Deutschland gelieferten Strom aus Kernenergie, die gleiche Risikoprämie pro KW/H an die Deutsche Kernreaktor Versicherungsgemeinschaft zahlen müssen ?

4) Wie sieht ihrer persönlichen Meinung nach eine angemessene Beteiligung der Kernkraftwerksbetreiber an den Risiken der Technologie aus ?

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Homann,

vielen Dank für Ihre Anfrage zur Frage der Haftungsregelungen für Kernkraftwerke (KKW), die Sie mir über abgeordnetenwatch geschickt haben.

Die von Ihnen erwähnte knapp 20 Jahre alte Prognos-Studie ist mir ein Begriff. Wenn ich mich recht erinnere, wurde die Studie sehr kritisch diskutiert und zwar sowohl wegen ihrer inhaltlichen Annahmen als auch wegen ihrer Methodik. Als Grundlage für die aktuelle Diskussion ist sie m. E. nicht geeignet.

Die geltenden deutschen Haftungsregelungen für KKW sind sehr streng: Nach deutschem Recht haftet der Inhaber einer kerntechnischen Anlage summenmäßig unbegrenzt grundsätzlich für alle Schäden, die auf einem von einer Kernanlage ausgehenden nuklearen Ereignis beruhen. Die Haftung ist als verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung ausgestaltet, d.h. die Betreiber haften unabhängig davon, ob sie ein Verschulden trifft. Die Haftung erstreckt sich insbesondere auch auf Fälle höherer Gewalt, wie beispielsweise eine schwere Naturkatastrophe. Der Inhaber haftet mit seinem gesamten Vermögen (vgl. §§ 25 ff. AtG).

Zur Erfüllung etwaiger Schadensersatzverpflichtungen haben die Betreiber in Deutschland in Höhe eines Betrags von 2,5 Milliarden Euro Deckungsvorsorge zu treffen (vgl. §§ 13 bis 15 AtG und § 9 der Verordnung über die Deckungsvorsorge nach dem Atomgesetz). Die Deckungsvorsorge kann durch Haftpflichtversicherung oder durch eine sonstige finanzielle Sicherheit erbracht werden.

Von den 2,5 Mrd. Euro sind rd. 256 Mio. Euro über eine Haftpflichtversicherung bei den allgemeinen Versicherungsgesellschaften gedeckt. Über die verbleibenden 2,244 Mrd. Euro haben die jeweiligen Muttergesellschaften der Kraftwerksbetreiber eine Solidarvereinbarung geschlossen: Über gegenseitige Garantiezusagen wird sichergestellt, dass die Betreiber der KKW ggf. finanziell so leistungsfähig ausgestattet sind, dass der Betrag iHv. 2,244 Mrd. Euro für jedes Schadensereignis in voller Höhe zur Verfügung stünde.

Der Nachweis über kurzfristig verfügbare, liquide Mittel der Solidarpartner für die Deckungsvorsorge (d.h. der Nachweis der Leistungsfähigkeit im Schadensfall) wird jährlich durch Wirtschaftsprüfer kontrolliert und durch Testat eines Wirtschaftsprüfers nachgewiesen. Informationen dazu können Sie beispielsweise den Jahresabschlüssen derjenigen Energieversorgungsunternehmen entnehmen, die KKW betreiben.

Die den KKW-Betreibern entstehenden Kosten für die Deckungsvorsorge und damit auch für die (Rest-) Risiken sind selbstverständlich in den Strompreis eingepreist.

Die damalige rot-grüne Bundesregierung hatte, vertreten durch den Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, im Jahr 2001 bestätigt, dass die KKW-Betreiber den Nachweis der erforderlichen Deckungsvorsorge nach den genannten Vorschriften des Atomgesetzes erbringen können. Dieser Einschätzung schließe ich mich an.

Aufgrund des sehr hohen Sicherheitsniveaus deutscher KKW halte ich die Regelungen über die Haftung für angemessen. Genehmigungsvoraussetzung für jedes einzelne deutsche KKW war der Nachweis der nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforderlichen Schadensvorsorge (§ 7 AtG). Die Einhaltung eines hohen Schutzniveaus deutscher KKW wurde schon bisher und wird auch weiterhin im Rahmen von Änderungs-Genehmigungen, periodischen Sicherheitsüberprüfungen (§ 19a AtG) und der laufenden Überwachung durch die zuständigen Atomaufsichtsbehörden (§ 19 AtG) kontrolliert.

Nach geltendem Recht muss diejenige Vorsorge getroffen werden, die nach den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen für erforderlich gehalten wird. Ein verbleibendes Restrisiko muss nach dem Stand von Wissenschaft und Technik „praktisch ausgeschlossen“ sein. Dieser Maßstab gilt im Atomrecht und soll nach Auffassung der FDP-Bundestagsfraktion auch weiterhin gelten.

Mit der 12. Atomgesetznovelle, die parallel zur befristeten Verlängerung der Restlaufzeiten beschlossen wurde, hat die christlich-liberale Koalition zudem mit § 7d Atomgesetz zusätzlich zu den bestehenden Verpflichtungen eine Sorgepflicht zur weiteren Vorsorge gegen Risiken eingeführt. Diese wird zu einer Erhöhung der Sicherheitsreserven führen.

Das hohe Sicherheitsniveau deutscher Kernkraftwerke haben selbst die Kernenergiekritiker Gerhard Schröder und Jürgen Trittin bestätigt. Wörtlich heißt es unter Ziffer III.1. des sog. Atomkonsenses „dass die kerntechnischen Anlagen auf einem international gesehen hohen Sicherheitsniveau betrieben werden.“

Wie Sie sicherlich den Medien entnommen haben, erfolgt nach den Ereignissen in Japan nun eine Risikoanalyse aller deutschen KKW, d.h. die Sicherheit aller Kernkraftwerke in Deutschland wird unabhängig von den regelmäßig stattfindenden Kontrollen gesondert überprüft. Dabei geht es nicht darum, ob die deutschen KKW die schon bislang hohen Sicherheitsanforderungen erfüllen. Das ist selbstverständlich und wurde auch bislang schon von den zuständigen Atomaufsichtsbehörden überwacht (s.o.). Es geht darum, ob die die dem kerntechnischen Regelwerk zugrundeliegenden Sicherheits-Annahmen aufgrund der Ereignisse in Japan angepasst werden müssen.

Sollte die Risikoanalyse ergeben, dass die Sicherheitsanforderungen verschärft werden müssen, um einen sicheren Betrieb der KKW zu gewährleisten, dann wird dies geschehen. Sollten deutsche KKW diese Sicherheitsanforderungen nicht erfüllen, dann müssen sie entweder nachgerüstet werden, oder sie werden abgeschaltet.

Parallel wird auch auf europäischer Ebene über einen EU-weiten Ansatz über die nukleare Sicherheit diskutiert, d.h. z. B. auch über gemeinsame europäische Sicherheitsanforderungen für Kernkraftwerke.

Das Atomgesetz und die Verordnung über die Deckungsvorsorge nach dem Atomgesetz finden Sie über folgende Links:
http://bundesrecht.juris.de/bundesrecht/atg/gesamt.pdf
http://bundesrecht.juris.de/bundesrecht/atdeckv_1977/gesamt.pdf

Mit freundlichen Grüßen

Angelika Brunkhorst, MdB