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Frage von Renate J. •

Frage an Angelika Beer von Renate J. bezüglich Raumordnung, Bau- und Wohnungswesen

Sehr geehrter Frau Beer,
mit großem Interesse habe ich die Broschüre "Rechtsextremisten in Norddeutschland" gelesen. Viele Erkenntnisse decken sich mit meinen Beobachtungen, die ich im Zuge einer städtebaulichen Sanierungsmaßnahme im Rahmen des Programms "Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf- die soziale Stadt" im norddeutschen Raum machen konnte. Die Programmziele, mit unterschiedlichen Projekten und Maßnahmen die Kompetenzen der Bewohner von benachteiligten Stadtteilen zu stärken, werden nicht selten von Trittbrettfahrern aus dem rechten Spektrum genutzt. Das Einbringen von Bürgern mit rechter Gesinnung begünstigt die Entstehung und Festigung rechter Strukturen vor Ort durch den Erwerb sozialer und formaler Kompetenzen sowie Schaffung räumlicher Voraussetzungen, die zu Intensivierung und Professionalisierung der politischen Arbeit dieser Randgruppen führen. In einer Umgebung, in der viele soziale Konflikte täglich für den notwendigen Sprengstoff sorgen ist es nicht schwer, die "Mitte der Gesellschaft" mit billigen Parolen zu erreichen und auf die eigene Seite zu ziehen. Meine Erfahrung zeigt, dass hier die "Schweigende Mehrheit" die Position der Mitwirkenden mit rechter Gesinnung stärkt, in dem rechtsradikale Aussagen und Verhalten ignoriert, heruntergespielt, überhört oder verharmlost werden. Die Bereitschaft, mit diesen Menschen dennoch zusammen zu arbeiten, sie als s.g. "Aktive Akteure" im Stadtteil zu akzeptieren, in Vereinen zu integrieren und sogar für Vorstände zu wählen, ist erstaunlich groß und wird sowohl von Mitbürgern wie von kommunalen Mitarbeitern getragen. Wer darauf hinweist bzw. die Zusammenarbeit verweigert, wird diffamiert, isoliert, bedroht und auf vielfältige Art und Weise bekämpft, ebenfalls von beiden Seiten. Gern würde ich wissen, ob dieses Problem bereits erkannt wurde und wie man dieser Entwicklung begegnen will.
Viele Grüße
Renate Jaczminski

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Sehr geehrte Frau Jaczminski,

vielen Dank für Ihre Frage und das damit verbundene Interesse an meiner Arbeit.
Die Entwicklungen in vielen gut-bürgerlichen Ortschaften sich dem rechten Spektrum anzunähern haben wir in der Arbeit gegen Rechtsextremismus bereits erkannt. Es entstehen immer wieder Grauzonen, in denen die Mitte der Gesellschaft dabei versagt, sich klar von Rechtsextremismus zu distanzieren und Zivilcourage zu zeigen.
Neben dem von Ihnen geschilderten Problem des Herunterspielens rechter Parolen, versuchen Rechtsextremisten besonders auf kommunaler Ebene mit der „Wortergreifungsstrategie“ ihrer rechten Gesinnung Gehör zu verschaffen und sie in die Mitte der Gesellschaft zu tragen.
Die von Ihnen genannten Reaktionen auf die Distanzierung gegenüber Rechtsextremisten führt oft dazu, dass der Mut zu Zivilcourage und das Erheben der Stimme gegen Rechts verloren geht.
Um dem entgegenzuwirken veranstalte ich regelmäßig Schulungen zum Umgang mit Rechtsextremisten.
Ein wichtiger Partner sind hier die Mobilen Beratungsstellen gegen Rechtsextremismus, die in einigen Bundesländern sehr erfolgreich arbeiten. Sie haben Handreichungen erarbeitet, die umfangreich auf den Umgang mit Rechtsextremisten auf Veranstaltungen eingehen und Handlungsräumer eröffnen.

Zu den Materialien der Mobilen Beratung Berlin gelangen sie hier:
http://www.mbr-berlin.de/Materialien

Die Auseinandersetzung mit dem Thema Rassismus und Rechtsextremismus setzt voraus, dass es als Problem wahrgenommen wird. Viele Menschen wollen das Problem der Fremdenfeindlichkeit nicht wahrhaben. Besonders im Westen Deutschlands wird versucht, das Problem kleinzureden und auf den Osten verwiesen. Die Realität sieht aber anders aus: rechtsextremen Gewaltentaten sind in Westdeutschland ebenso an der Tagesordnung wie in Ostdeutschland.
Darum habe ich im Frühjahr 2008 die Aktion Noteingang in Norddeutschland wiederbelebt: Ein knallroter Aufkleber an Hauseingängen von Läden, Vereinsheimen und Wohnhäusern bietet in vier Sprachen Schutz vor rechtsextremen, rassistischen Übergriffen.
Seine Wirkung ist vielfältig: Er ist ein klares Bekenntnis gegen Rechtsextremismus und Rassismus. So können die Rechten nicht mehr auf eine Unterstützung der schweigenden Mehrheit hoffen. Vielmehr wird ihnen klar Ablehnung signalisiert – je mehr desto besser.
Außerdem wird durch die Aufkleber das Sicherheitsgefühl für potentielle Opfer erhöht. Die zeigt nicht nur im Ernstfall Wirkung, sondern auch präventiv. Je vielfältiger die Besucher eines Viertels desto weniger Angsträume entstehen.

Zur Aktion Noteingang gelangen Sie hier: http://www.noteingang-norddeutschland.de

Mit freundlichen Grüßen,

Angelika Beer