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Anette Hübinger
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Frage von Philipp K. •

Frage an Anette Hübinger von Philipp K. bezüglich Staat und Verwaltung

Sehr geehrte Frau Hübinger,

Ihnen wie allen anderen saarländischen Abgeordneten möchte ich gern einige Fragen zum vieldiskutierten Thema "Länderfusion" stellen:

1. Welche Argumente sprechen Ihrer Meinung nach für oder gegen eine Fusion des Saarlandes mit Rheinland-Pfalz oder der Auflösung innerhalb einer anderen Struktur? Welche Schlussfolgerung ziehen Sie aus den Argumenten?

2. Wo sehen Sie Unterschiede und Gemeinsamkeiten der saarländischen Situation mit den Fällen der Stadtstaaten, insbesondere der Idee einer Fusion von Berlin und Brandenburg?

3. Wie stehen Sie zu Vorschlägen, die Gliederung der Bundesrepublik allgemein durch eine Änderung des Grundgesetzes zu erleichtern, indem beispielsweise die Verpflichtung von Volkabstimmungen im Falle einer Fusion wegfallen sollte?

4. Wie muss nach Ihren Vorstellungen der Länderfinanzausgleich in der anstehenden Föderalismusreform gestaltet werden?

5. Welche Chancen und Risiken sehen Sie generell für das Saarland in der zweiten Föderalismusreform? Welche Verhandlungsposition sollten die saarländischen Vertreter einnehmen?

Vielen Dank für Ihre Stellungnahme und freundliche Grüße,
Philipp Krämer (Berlin und Homburg/Saar)

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Krämer,

durch unseren identischen Standpunkt in der Frage einer möglichen Länderfusion zwischen dem Saarland und Rheinland-Pfalz haben wir uns – Herr Scharf und ich – für eine gemeinsame Antwort auf Ihre Fragen entschieden.

1. Wir Saarländer – wie auch sehr viele andere Bürger in verschiedensten Bundesländern – sind sehr eigen bzw. sehr stolz, wenn es um unser Bundesland geht. Speziell die Thematik „Länderfusion“ ist deshalb immer ein sehr schwieriges Thema. Um es gleich vorwegzunehmen, wir sind beide gegen eine Fusion mit Rheinland-Pfalz. Erklärbar ist unsere ablehnende Haltung – wie auch von den meisten Saarländern – durch viele Aspekte, die wir Ihnen gern im Folgenden erläutern. Die vorausgehende Geschichte des Saarlandes war immer geprägt durch verschiedene Zugehörigkeiten. Dies hat die Identifizierung der Bevölkerung mit ihrem Land sehr gestärkt und wir sind deshalb sehr stolz auf unser „kleines“ Bundesland. Wie der überwältigenden Zahl der Bürgerinnen und Bürger geht es dabei auch uns beiden. Diese ausgeprägte Identifikation ist für uns der Hauptgrund, der gegen eine Fusion spricht. Wir sind froh über die Beständigkeit der letzten 50 Jahre, die Feierlichkeiten zu „50 Jahre Saarland“ spiegeln das auch wieder.

Auch wenn zurzeit eine positive wirtschaftliche Entwicklung im Saarland attestiert werden kann, stehen wir noch vor großen finanziellen und strukturellen Herausforderungen. Die Lage in Rheinland-Pfalz ist übrigens vergleichbar: Beide Länder sind hoch verschuldet. Durch eine Fusion würde aus unserer Sicht nichts gewonnen. Auch kennen wir die politikwissenschaftlichen Argumente, dass durch eine Länderfusion Personal eingespart werden kann. Doch ist dieser Effekt aus unserer Sicht zu relativieren. Ein Ministerpräsident und ein paar Landtagsabgeordnete würden wegfallen, aber der größte Personalblock eines Bundeslandes, die Verwaltung, muss die Bevölkerung auch weiter betreuen. Was dabei eingespart werden könnte, müsste sich durch längere Wege der Bevölkerung und der Wirtschaft hin zur Verwaltung erkauft werden. Das führt zu Unzufriedenheit. Auch brauchen wir uns im Hinblick auf unsere Verwaltungskosten nicht vor anderen Bundesländern verstecken, da liegen wir bei den Pro-Kopf-Kosten unter dem Bundesdurchschnitt. Es ist also auch als kleines Bundesland möglich, effiziente bzw. bezahlbare Verwaltungsleistungen bereitzustellen. Auch wäre der Verlust an Einflussnahme auf die Politik des Bundes seitens des Saarlandes im Interesse aller Saarländerinnen und Saarländer sehr groß. Als eigenständiges Bundesland hat das Saarland durch seine Stimmen in Bundesrat Gewicht. Bei einer Fusion mit Rheinland-Pfalz ginge dieses verloren.

2. Die Gemeinsamkeiten zu anderen Bundesländern bzw. Stadtstaaten sind nicht von der Hand zu weisen. Fusionsdebatten gibt es beispielsweise im mitteldeutschen Raum (Sachsen, Thüringen, Sachsen-Anhalt) und natürlich in Berlin und Brandenburg. Die Vorbehalte sind in den Diskussion auch vergleichbar. An erster Stelle steht die Identifikation mit dem Land bzw. der Stadt. Ministerpräsident Böhmer äußerte sich am 26. Mai diesen Jahres folgendermaßen in der Welt: „Die Thüringer wollen sicher nicht Sachsen und die Sachsen ebenso sicher nicht Thüringer werden.“ Einer unserer Mitarbeiter in Berlin ist Thüringer und würde diesen Satz sofort unterschreiben. Sie sehen, die Gemütslage der Bevölkerung ist von absoluter Bedeutung und das gerade im Hinblick auf die Tatsache, dass eine Länderfusion von der Bevölkerung selbst entschieden werden muss. Neben diesem Aspekt sind alle Debatten von möglichen Einsparmöglichkeiten geprägt. Die Situation der Länder ist auch zum größten Teil vergleichbar, da meist beide Länder finanzielle Schwierigkeiten in die Fusion einbringen würden. Auch sind Fusionen für mögliche Synergiepotentiale wie im Bereich der Wirtschaftsförderung nicht zwingend notwendig. Berlin und Brandenburg arbeiten beispielsweise in dieser Thematik zusammen. Kooperationen zwischen Bundesländern in verschiedensten Bereichen so wie sie z.B. schon zwischen Rheinland-Pfalz und dem Saarland bestehen, sind vielleicht der bessere Weg.

3.
Wir möchten auch nicht an der Festlegung des Grundgesetzes rütteln, dass bei einem Neuzuschnitt der Länder die Bevölkerung darüber abstimmen muss. Es wird in der Öffentlichkeit so oft nach mehr Mitsprache für die Bevölkerung verlangt, da wäre es in diesem Fall völlig verkehrt zu sagen, dass Länderfusionen mit diesen Regeln nicht umsetzbar sind und wir das ändern müssen. Mögliche Änderungen würden dem Gedanken der direkten Demokratie völlig zuwiderlaufen: Das kann nicht unser Zeil sein!

4. Experten rechnen für die Verhandlungen zur Föderalismusreform II mit knapp drei Jahren. An dieser Zeitspanne wird deutlich, dass noch viele Ideen in der Öffentlichkeit kursieren werden, bevor greifbare Ergebnisse verkündet werden können. Unserer Meinung nach und auch aus Sicht der CDU, sind folgende drei Punkte von entscheidender Relevanz:

* Frühwarnsystem für Haushaltsnotlagen
* Einführung einer Verschuldungsregel
* Änderungen am Länderfinanzausgleich hinsichtlich:
- grundsätzliche Beibehaltung
- mehr Sparanreize
- mehr Steuerautonomie.

5. Für das Saarland – wie für alle anderen Länder – ergeben sich aus den Verhandlungen zur nächsten Stufe der Föderalismusreform grundsätzlich Chancen. Dies betrifft sowohl Geber- als auch Nehmerländer. An dem Prinzip, dass wir durch den Finanzausgleich für einen Ausgleich zwischen „starken“ und „schwächeren“ Ländern sorgen, wird durch eine gewisse Dosis mehr Gestaltungsspielraum, den wir vertreten, nicht gerüttelt. Im jetzigen System wird allerdings Erfolg zu wenig belohnt. Wir haben durch die angestrebte Föderalismusreform II die Chance, neue Akzente zu setzen - dies muss genutzt werden! Jedoch ist dabei darauf zu achten, dass gleiche Ausgangspositionen zwischen den Bundesländern geschaffen werden, damit es nicht aufgrund unverschuldeter Finanznotlagen, wie es im Saarland der Fall ist, von vorneherein zu Verwerfungen kommt, die den Wettbewerb zwischen den Ländern verzerren. Den saarländischen Vertretern – wie den anderen Verhandlungsteilnehmern auch – wünschen wir den nötigen Mut, um neue Wege zu gehen. Dazu gehört auch, nicht nur sein eigenes Bundesland im Blick zu haben, sondern ein ganzes System verändern zu wollen.

Ihre
Anette Hübinger