Frage an Anette Hübinger von Steffen P.
Sehr geehrte Frau Hübinger!
Haben Sie sich einmal persöhnlich die Folgen von Fracking in den USA angeschaut? Sind Sie der Meinung, dass diese Folgen, die als nachhaltige (langfristige) Schäden angesehen werden können, die Form von Nachhaltigkeit ist, der sich auch die Bundesregierung international verpflichtet hat? Ist es das, was Sie auch mit reinem Gewissen ihren Enkel und den weiteren Generationen vererben würden?
Auf die wissenschaftliche Debatte will ich Sie nicht hinweisen, ich betrachte es als selbstverständlich, dass Sie die als stimmberechtigter Abgeortnete alle verfolgt haben, oder irre ich mich da? Wird sich Ihr Abstimmungsverhalten daran orientieren, dass sie vom Volk demokrtisch gewählt wurden um mit Sorgfalt Entscheidungen zu treffen, die die Zukunft Ihrer Wähler sichert? ... oder gibt es da noch andere Beweggründe? Zum Schluss würde mich noch interessieren, wie Sie votieren werden bzw. votiert haben, schließlich kommen Sie ja aus einem Bundesland, wo durch den Steinkohlebergbau bereits erhebliche Schäden in der Geologie, dem Gewässersystem und der Siedlungsinfrastruktur samt Immobilien zu verzeichnen sind. Es ist Ihnen sicher bewusst, dass auch Ihre Entscheidung ein Beitrag zur Volks/Bürgernähe ist, die sich in der nächsten Wahl niederschlagen wird.
Als politisch interessierter Bürger habe ich täglich mein Auge darauf.
Mit freundlichen Grüßen
Steffen Potel (Dipl. Geogr.)
Sehr geehrter Herr Potel,
vielen Dank für Ihre Mail zum Thema Fracking. Es haben mich sehr viele (Massen) Mails zu dem Thema erreicht - und ich kann sehr gut nachvollziehen, dass dieses Thema von vielen Bürgern als kritisch und diskussionswürdig gesehen wird. Debatten zu solch wichtigen Themen sollen kontrovers und von allen Seiten beleuchtet werden. Dies hat in den öffentlichkeitswirksamen und zum Teil eher populistischen statt faktenbasierten Diskussionen nicht unbedingt immer stattgefunden. Nach monatelangen Beratungen wurden in der letzten Woche eine Einigung zu den offenen Punkten bei den Verhandlungen des Rechtsrahmens für die Nutzung der Fracking-Technologie in Deutschland erreicht - und zwar NICHT mit dem Zweck, um diese Technologieanwendung in Deutschland zu vereinfachen, sondern um den bisher offenen Regeln einen neuen, sehr strengen Rechtsrahmen entgegenzustellen.
Das heißt ganz konkret, dass unkonventionelles Fracking in Deutschland unbefristet verboten wird. Zur Aufhebung des Verbots wäre ein Beschluss des Deutschen Bundestages nötig, der sich 2021 wieder mit dem Thema befassen wird. Möglich sind lediglich maximal vier wissenschaftlich begleitete Erprobungsmaßnahmen, die unter strengsten Umweltanforderungen erfolgen müssen und von den jeweiligen Ländern genehmigt werden müssen. Wo, wann und ob Erprobungsmaßnahmen überhaupt stattfinden, ist derzeit offen.
Außerdem wurde beschlossen, dass beim seit vielen Jahrzehnten in Deutschland angewandten konventionellen Fracking in tiefen geologischen Formationen der Rechtsrahmen erheblich verschärft wird. In einer Vielzahl von Gebieten ist Fracking künftig vollständig ausgeschlossen.
Mit dem Regelungswerk werden strengste Umweltstandards für die - notwendige - heimische Gewinnung von Energierohstoffen gesetzt.
Im Einzelnen gelten unter anderem künftig folgende Regelungen:
- Fracking jeglicher Art wird in sensiblen Gebieten wie Wasserschutz- und Heilquellenschutzgebieten sowie an Seen und Talsperren zur Trinkwassergewinnung vollständig verboten. Brunnen, aus denen Wasser zur Verwendung in Lebensmittel gewonnen wird, werden ebenfalls in die Ausschlussgebiete einbezogen.
- Die Länder können darüber hinaus an weiteren sensiblen Trinkwasserentnahmestellen Verbote erlassen, zum Beispiel zum Schutz von privaten Mineral- und Brauereibrunnen und Heilquellen.
- In Nationalparks und Naturschutzgebieten wird die Errichtung von Anlagen zum Einsatz der Fracking-Technologie untersagt.
- Vorranggebiete für die künftige Gewinnung von Trinkwasser können von den Ländern über die Raumordnung als Ausschlussgebiete festgelegt werden.
- Für jede Form von Fracking wird künftig eine vollständige Umweltverträglichkeitsprüfung mit umfassender Bürgerbeteiligung verpflichtend eingeführt.
- Die Wasserbehörden werden künftig ein Vetorecht bei den Genehmigungen haben.
- Fracking-Gemische dürfen künftig keine giftigen Stoffe enthalten. Die eingesetzten Stoffe müssen zudem umfassend offengelegt werden.
- Das Verpressen von Lagerstättenwasser wird künftig grundsätzlich verboten sein. Ausnahmen sollen nur in den Fällen möglich sein, bei denen der sichere Einschluss in druckabgesenkte kohlenwasserstoffhaltige Gesteinsformationen gewährleistet ist. Verpresst werden darf das Lagerstättenwasser also nur in solche geologischen Formationen und Tiefen, aus denen es gefördert wurde. Zudem wird bei der Verpressung der Stand der Technik gefordert, also die beste zum Zeitpunkt verfügbare Technik. Eine Umweltverträglichkeitsprüfung wird auch hier Pflicht sein.
- Verschärft wird auch das Bergschadensrecht. So wird die Beweislast für mögliche Bergschäden auch bei der Erdgas- und Erdölförderung sowie bei Kavernenspeichern den Unternehmen auferlegt.
Ich selbst konnte aufgrund meiner Anwesenheitspflicht als Mitglied der Parlamentarischen Delegation zum Europarat in Straßbourg an der namentlichen Abstimmung nicht teilnehmen.
Ich möchte noch einmal betonen: Fracking wird bereits seit vielen Jahren in Deutschland durchgeführt - nun wurden endlich die Regeln verschärft und das unkonventionelle Fracking gänzlich verboten.
Mit besten Grüßen
Anette Hübinger