Frage an Anette Hübinger von Rolf R. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrte Frau Hübinger,
mit diesem Schreiben möchte ich auf eine Ungerechtigkeit in unserem Gesundheitswesen aufmerksam machen.
Mein HNO-Arzt hat bei mir eine Schwerhörigkeit festgestellt und mir ein Hörgerät verschrieben. Der Hörgeräte-Akustiker hat mir vier verschiedene Geräte in vier verschiedenen Preiskategorien angeboten hat. Jedes der vier Geräte konnte ich über mehrere Wochen hinweg testen. Somit hatte ich die Gelegenheit jedes Gerät in den verschiedensten Geräuschsituationen zu erproben. Die jeweiligen Zuzahlungen, die ich noch zu leisten habe, lagen bei 15 Euro, 540 Euro, 780 Euro und 830 Euro. Die Krankenkasse zahlt bei allen Modellen gleich - 633,40 Euro. Das Modell, mit dem ich in Beruf und Freizeit am besten klar gekommen bin und bei dem nachgewiesenermaßen – durch Arzt und Akustiker bestätigt – die besten Hörergebnisse erzielt wurden, war das teuerste Modell. Auf Nachfrage bei der Kasse erfuhr ich, dass diese auf keinen Fall –auch nicht bei finanziellen Härtefällen – einen höheren, als den o. g. Beitrag leistet. Ich bin 61 Jahre alt und seit über 9 Jahren Leiharbeiter. Mein monatliches Nettoeinkommen beträgt um die 900 Euro. Das bedeutet, dass ich entweder einen knappen Monatslohn investiere, (was faktisch gar nicht möglich ist) oder mich für ein Hörgerät entscheide, welches mir keine optimale Sicherheit vor allem im Beruf und in der Freizeit bringt.
Was nun die Ungerechtigkeit angeht ist folgendes: Mein HNO-Arzt hat außerdem eine leichte Verkrümmung meiner Nasenscheidewand diagnostiziert. Diese Verkrümmung behindert mich nicht im Geringsten. Aber die Kasse übernimmt die vollen Kosten.
In dem einen Fall bekame ich eine kostenlose, aber unnütze OP, im anderen Fall muss ich mit Unzureichendem zufrieden sein.
Für mich ist es wichtig, dass Sie mir Ihre Meinung darüber zukommen lassen, und auf welche Weise Sie in Zukunft mithelfen werden, das Gesundheitssystem gerechter zu gestalten.
Mit freundlichen Grüßen
Rolf Ronck
Völklingen, 5. Jan. 12
Sehr geehrter Herr Ronck,
auch wenn Sie vielleicht anderer Meinung sind, aber die von Ihnen geschilderten Fälle zeigen doch, dass wir in Deutschland ein gutes Gesundheitssystem haben. Gerechtigkeit liegt immer im Auge des Betrachters.
Erstens möchte ich der Behauptung entgegentreten, dass die Korrektur der Nasenscheidewand eine unnütze Operation ist. Es mag Sie nicht behindern, aber ich kenne genug Fälle, wo eine verkrümmte Scheidewand mit Atemschwierigkeiten verbunden ist und zu Schwierigkeiten bei der Arbeit, beim Sport und beim Schlaf führt. Ich finde die Kostenübernahme der Kassen absolut gerechtfertigt.
Die Entscheidung ob und in welcher Höhe Kosten übernommen werden, wird übrigens nicht willkürlich getroffen. Dies hat der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) zu verantworten. Der GBA legt - vereinfacht ausgedrückt - den Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenkasse fest und in diesen Prozess sind beispielsweise auch Patientenvertreter sowie wissenschaftliche Expertise eingebunden.
Zum Hörgerät: Natürlich wäre es schön, wenn die Kassen vom günstigsten Gerät bis zum Luxusgerät so gut wie alle Kosten übernehmen würden. Dies wäre sicherlich möglich, aber dann würde auch der Beitragssatz explodieren. Dies wollen wir alle nicht. Genauso wenig wollen wir in Deutschland ein komplette private Kostenübernahme. Wir leisten uns in Deutschland den - vielleicht goldenen - Mittelweg in dieser Frage. Wir haben vertretbare Beiträge in der GKV und die Kassen gewährleisten damit auf jeden Fall eine gute - in meinen Augen sogar sehr gute - Grundversorgung. Auch mit dem günstigsten Hörgerätemodell werden Sie wieder besser hören können.
Wie schon eingangs erwähnt, liegt Gerechtigkeit - gerade im Gesundheitssystem - im Auge des Betrachters. Sie halten die OP einer verkrümmten Nasenscheidewand für unnütz. Wer aber dadurch an massiven Atembeschwerden leidet, sieht das natürlich anders.
Mit freundlichen Grüßen
Anette Hübinger MdB