Frage an Andreas Steppuhn von Harry W. bezüglich Gesundheit
Thema: Abstimmung Gesundheitsreform
Sehr geehrter Herr Steppuhn,
können Sie mir bitte eine Begründung dafür geben, warum Sie 2007 gegen die Gesundheitsreform gestimmt haben? Hatte es u.a. auch mit dem Wettbewerbsstärkungsgesetz zu tun?
Herzlichen Dank & Grüße
Harry Wolf
Sehr geehrter Herr Wolf,
vielen Dank für Ihre Frage zu meinem Abstimmungsverhalten bei der Gesundheitsreform 2007 („Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung“).
Gern lege ich Ihnen meine Gründe, weshalb ich gegen dieses Gesetz gestimmt habe, dar.
Voranstellen möchte ich, dass ich mir diese Entscheidung nicht leicht gemacht hatte. Jedoch war ich nach reiflicher Überlegung, einer dezidierten Prüfung des damals vorliegenden Gesetzentwurfes, aber auch in Zusammenhang durch eine Vielzahl von Gesprächen mit Experten, Fachpolitikern und mit Bürgerinnen und Bürgern zu dieser Entscheidung gekommen.
Betonen möchte ich, dass mein Abstimmungsverhalten nicht bedeutet, dass ich eine Reform unseres Gesundheitssicherungssystems nicht als dringend geboten betrachte. Im Gegenteil. Es ist ein sehr wichtiges Thema, mit dem sich die SPD sehr lange und intensiv beschäftigt hat. Das Ergebnis war unser Konzept einer „Solidarischen Bürgerversicherung“.
Deren Kerninhalt ist, die Beitragsbasis durch Einbezug anderer Einkünfte zu verbreitern, d. h. Erwerbseinkommen und Kapitaleinkommen zusammen sollten die Bürgerversicherung finanzieren, denn zwei Säulen tragen bekanntlich mehr als eine.
Unser Konzept konnten wir nach der Bundestagswahl in der großen Koalition nicht einhundert Prozent umsetzen. Wir mussten mit unserem Koalitionspartner CDU/CSU, der das Konzept „Kopfpauschale“ verfolgte, einen Kompromiss schließen – die Gesundheitsreform 2007. In diesem Ergebnis spiegeln sich aber unsere ursprünglichen Ideen und Forderungen meiner Meinung nach nicht ausreichend wider. Aus meiner Sicht wurde mit dem damals vorliegenden Gesetzentwurf keines der entscheidenden Probleme in der gesetzlichen Krankenversicherung wie z. B. eine dauerhafte Sicherstellung der Finanzierung des Gesundheitssystems oder auch die
Problematik der demografischen Entwicklung konsequent angegangen.
So war für mich beispielsweise die gesetzliche Fixierung der Beitragssätze nicht überzeugend, gleiches galt für den Zusatzbeitrag, trotz der Begrenzung auf ein Prozent des Bruttoeinkommens. Denn gerade bei letztgenanntem besteht hier in meinen Augen für die Versicherten die Gefahr, dass Kostensteigerungen allein zu Lasten der Versicherten gehen.
Hinzukam für mich als Beweggrund meiner Entscheidung, dass der Gesundheitsfonds, in den alle Beiträge fließen, in meinen Augen eine überflüssige Scheininnovation ist, der nur zusätzliche Kosten und Bürokratie schafft.
Das Finanzierungsproblem der gesetzlichen Krankenkasse ist dadurch jedoch für mich bei weitem noch nicht gelöst.
Die eigentlichen Ziele einer Gesundheitsreform, nämlich eine Finanzierungsreform der Gesetzlichen Krankenversicherung und die Verbreiterung der Einnahmebasis der Gesetzlichen Krankenversicherung durch z. B. die Einbeziehung anderer Einkunftsarten, durch eine stärkere Steuerfinanzierung und Einbeziehung der Privatversicherten und damit verbunden die Senkung der Lohnnebenkosten zu erreichen, erfolgen mit diesem Modell in meinen Augen nicht.
Aus diesen genannten Gründen konnte ich dem damals vorliegenden Gesetzentwurf zu einer Gesundheitsreform nicht reinen Gewissens zustimmen und habe daher mit Nein gestimmt.
Mit freundlichen Grüßen
Andreas Steppuhn, MdB