Andreas Steppuhn
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Frage von Hermann S. •

Frage an Andreas Steppuhn von Hermann S. bezüglich Wirtschaft

Betr.: Zwangsmitgliedschaft zur Industrie- und Handelskammer - Ihre Antwort vom 16. Juli 2009

Sehr geehrter Herr Steppuhn,

Sie schreiben, die Kammern unterliegen der staatlichen Aufsicht. Welche Aufsicht ist das? Fachaufsicht oder Rechtsaufsicht? Wer nimmt die Aufsicht wahr und in welchem Umfang?

Warum kann die Selbstverwaltung nur funktionieren, wenn alle Gewerbesteuerpflichtigen Mitglied sind? (dazu zur Information: viele staatliche Aufgaben werden an Organisationen und Verbände delegiert - z.B. ist niemand Zwangsmitglied beim TÜV oder bei der Sparkasse). In welcher Form werden die Mitglieder an der Selbstverwaltung beteiligt?

Die Selbstverwaltung der "hoheitlichen Aufgaben" sind bei allen Kammern mit Gebühren belegt. Wozu braucht es dann noch zusätzlich Zwangsbeiträge?

Ist es nicht eher so, dass Großbetriebe und Konzerne die "Trittbrettfahrer" der IHK sind, weil sie zwar in allen Gremien der IHK sitzen, aber nur geringste Beiträge bezahlen (aufgrund steuerlicher Tricks)?

Sie schreiben, dass die Kammern Initiativen zum Bürokratieabbau vorgelegt haben. Kennen Sie diese Vorschläge?
Warum sind in dieser Initiative zum Bürokratieabbau z.B. keine Vorschläge zum Thema Zoll und Zollabwicklung enthalten? Kennen Sie dazu die Hintergründe?

Sie schreiben, dass Sie sich nicht für die Abschaffung des Kammerwesens einsetzen werden. Dies will wohl niemand.
Können Sie sich das Kammerwesen so vorstellen, dass öffentlich-rechtliche Kammern die "hoheitlichen Aufgaben" gegen kostendeckende Gebühren durchführen und parallel dazu die Möglichkeit geschaffen wird, den Kammern freiwillig als Mitglied beizutreten?

Andreas Steppuhn
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Schrecker,

vielen Dank für Ihre Rückfragen. Ich hatte gegenüber H. H. bereits meine Positionen zur Selbstverwaltung in den deutschen Kammern dargelegt.

Sie fragen nach der staatlichen Aufsicht über die Kammern. Gemäß § 2 Absatz 1 des Gesetzes über die Industrie- und Handelskammern in Sachsen-Anhalt (AGIHKG) führt das Wirtschaftsministerium des Landes in Magdeburg die Rechtsaufsicht über die Industrie- und Handelskammern. Daher bitte ich Sie, sich hier auch direkt an das Wirtschaftsministerium, in Bezug auf Ihre Frage nach Umfang, Art und Weise der Ausübung seiner Kammeraufsicht zu wenden.

Sie sprechen sodann die Pflichtmitgliedschaft aller selbständigen Gewerbetreibenden in den Industrie- und Handelskammern an. Wie ich bereits gegenüber H. H. ausgeführt habe, hat sich der Gesetzgeber entschlossen, bestimmte öffentliche Aufgaben (z. B. in der Berufsausbildung) auf die Selbstverwaltung einer bestimmten Branche oder Berufsgruppe zu übertragen. Wenn der Staat derartige öffentliche Aufgaben delegiert, muss er im Gegenzug sicherstellen, dass alle davon Betroffenen (in Ihrem Fall: Alle Gewerbetreibenden) auch an der Aufgabenerledigung beteiligt werden, Einzelinteressen nicht die Oberhand gewinnen und das Allgemeinwohl gewahrt bleibt. Deshalb hat der Staat sich dafür entschieden, auf der einen Seite zwar Selbstverwaltung zu gewähren, diese aber auf der anderen Seite mit der Pflichtmitgliedschaft aller Betroffenen, entsprechenden Pflichtbeiträgen und der staatlichen Kammeraufsicht zu verbinden.

TÜV und Sparkassen, die Sie als Beispiele fehlender Pflichtmitgliedschaft nennen, sind keine Selbstverwaltungskörperschaften. Die Sparkassen werden nicht von ihren Kunden (wie etwa die genossenschaftlichen Volks- und Raiffeisenbanken) kontrolliert, sondern in Verwaltungsräten von den Mitgliedern gewählter kommunaler Vertretungskörperschaften (Kommunalpolitiker). Es existiert keine Pflichtmitgliedschaft in einer Sparkasse. Der TÜV - den Sie außerdem nennen – nimmt im Auftrag des Staates als Beliehener bestimmte technische Dienstleistungen wahr. Er ist aber keine politische Interessenvertretung eines bestimmten Berufsstandes oder z. B. aller Autofahrer.

Sie fragen noch nach dem Unterschied zwischen Kammergebühren und -beiträgen. Bei Kammergebühren handelt es sich um Vergütungen für unmittelbar vom einzelnen Bürger bzw. Kammermitglied veranlasste Dienstleistungen (z. B. Beglaubigung eines Zeugnisses). Nach dem Kostendeckungsprinzip im deutschen Gebührenrecht sollen die Kosten, die einer Behörde oder Selbstverwaltungskörperschaft dadurch entstehen, auf den einzelnen Verursacher umgelegt werden. Nur derjenige Bürger bzw. Mitglied einer Kammer, der tatsächlich bestimmte Kosten verursacht hat, soll damit belastet werden.

Anders verhält es sich mit den Kammerbeiträgen. Die Kosten für die Wahrung des Allgemeinwohls und der Wahrnahme der politischen Interessenvertretung (z. B. aller Gewerbetreibenden) können nicht einem einzelnen Bürger bzw. Mitglied auferlegt werden, sondern müssen auf alle Mitglieder einer Kammer gleichermaßen (entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit) verteilt werden. Deswegen sind Kammerbeiträge auch nicht mit Gebühren, sondern mit Steuern zu vergleichen. Über ihre Höhe (Satzung!) und ihre Verwendung (Haushaltsplan!) entscheidet die demokratisch gewählte Vollversammlung einer Kammer (im Rahmen der Gesetze).

Ich befürworte daher die von Ihnen angeregte freiwillige Mitgliedschaft in den Kammern nicht.

Sie sprechen überdies die Frage der Beitragshöhe von Großbetrieben bzw. kleinen Gewerbetreibenden an. Die Regelung, die die Industrie- und Handelskammer Magdeburg getroffen hat, ist meines Erachtens fair, weil sie die unterschiedliche Leistungsfähigkeit von Klein- und Großbetrieben berücksichtigt:

Der Mitgliedsbeitrag setzt sich in Magdeburg aus einem Grundbeitrag und einer Umlage auf der Basis des vom Finanzamt festgestellten Gewerbeertrags nach dem Gewerbesteuergesetz zusammen.
Folgende IHK-Mitglieder zahlen in der Industrie- und Handelskammer Magdeburg überhaupt keinen Beitrag:
- Kleinunternehmen, deren jährlicher Gewerbeertrag bzw. Gewinn aus Gewerbebetrieb 5.200 Euro nicht übersteigt
- Existenzgründer sind für die ersten zwei Jahre komplett vom Mitgliedsbeitrag und für die beiden folgenden Jahre von der ertragsabhängigen Umlage befreit, solange der jährliche Gewerbeertrag bzw. Gewinn aus Gewerbebetrieb 25.000 Euro nicht übersteigt

Selbstverständlich steht es Ihnen frei, Ihre demokratischen Rechte wahrzunehmen und in der Vollversammlung Ihrer Kammer für andere Regelungen zu werben bzw. solche zu mitzubeschließen. Bitte informieren Sie sich über die Initiativen der Wirtschaftskammern zum Bürokratieabbau direkt bei den Kammern. Dort erhalten Sie auch Auskünfte zu allen ähnlichen Themen und zu Ihren konkreten Fragen.

Mit freundlichen Grüßen

Andreas Steppuhn, MdB